Für die italienische Metropole Genua war es ein besonders schwarzer Tag: Am 14. August 2018 stürzte die längst sanierungsbedürftige Ponte Morandi ein, wobei insgesamt 43 Menschen starben. Mitte Februar erhob nun die Staatsanwaltschaft Anklage gegen insgesamt 59 Beschuldigte sowie zwei Firmen. In Deutschland wurde ein mögliches Unglück erst gar nicht abgewartet. Am 6. Februar wurde die 500 Meter hohe – vor allem aber marode – Talbrücke im Siegerland bei Wilnsdorf in Nordrhein-Westfalen gesprengt. Die Aktion war Teil eines größeren Sanierungsplanes der Autobahngesellschaft des Bundes, der vorsieht, dass mehrere in die Jahre gekommene Brücken gesprengt werden sollen.
Klaffende Investitionslücke bei Infrastruktur
Diese Beispiele verdeutlichen, wie wichtig eine funktionierende Infrastruktur für eine moderne Wirtschaftswelt ist. Ein Umstand, an dem auch geopolitische Konflikte nichts ändern. Prabal Sidana, Leitender Portfoliomanager für den Partners Group Listed Infrastructure Fonds, sagt: „Ohne Zugang zu Transport, Kommunikation, Energie oder Wasserversorgung, können Grundbedürfnisse der Bevölkerung nur eingeschränkt gedeckt werden und Unternehmen nicht erfolgreich wirtschaften.“ Dabei sei es grundsätzlich Aufgabe der Regierungen, Infrastruktur zu erhalten oder neu zu bauen. Doch dies war zuletzt nicht immer der Fall. „Aufgrund der zunehmenden Verschuldung und der sich ändernden Prioritäten der Regierungen bei der Verwendung der verfügbaren Mittel gab es eine anhaltende Phase der Unterinvestitionen in die Infrastruktur“, konstatiert Sidana.
Während der Finanzkrise wurde verstärkt auf die Rettung des globalen Bankensystems geachtet. Zuletzt stand inmitten der Corona-Pandemie die soziale Unterstützung im Vordergrund. Dies habe dem Partners-Group-Experten zufolge zu einer Lücke zwischen den erforderlichen und den tatsächlich getätigten Investitionen in die globale Infrastruktur geführt, die inzwischen immer öfters von privatwirtschaftlichen Unternehmen gefüllt wird. Die erforderlichen Summen sind beachtlich. Sidana verweist auf Prognosen des britischen Prognoseinstituts Oxford Economics in diesen Zusammenhang: Bis zum Jahr 2040 werden demnach weltweit Investitionen in Höhe von 94 Billionen US-Dollar allein in Sektoren wie Wasser, Energie, Transport und Kommunikation benötigt.
Dabei sind dies zugleich auch die Hauptsektoren, die man als Kern-infrastruktur erachtet, betont Sidana und verweist auf die Vorzüge solcher Unternehmen: „Sie punkten mit defensiven Eigenschaften, etwa mit stabilen Cashflows über einen langen Zeitraum, bieten einen weitreichenden Inflationsschutz und weisen eine geringere Sensitivität gegenüber dem Konjunkturzyklus auf.“ All solche Eigenschaften dürften angesichts der wachsenden geopolitischen Turbulenzen im Osten Europas, aber auch der steigenden Inflation zunehmend in den Fokus rücken.
Aufholpotential bei Infrastrukturaktien
Doch wie sehr hinkte der Infrastruktursektor bislang nach? Ein historischer Vergleich verdeutlicht die Divergenz, wie die Grafik unten zeigt: Allein in den vergangenen fünf Jahren legte der MSCI Infrastructure Index um jährlich 6,76 Prozent per Ende Januar 2022 zu, während der MSCI Weltindex um rund 14 Prozent pro Jahr anstieg. In letzterem Index nimmt die IT-Branche eine Gewichtung von gut 23 Prozent ein. Dazu zählen etwa Alphabet, Amazon und Microsoft. Im Infrastruktur-Index entfällt die größte Gewichtung mit 31 Prozent hingegen auf Stromversorger.
Auch weitere Kennzahlen liefern interessante Einblicke: Der Infrastruktur-Index hat im Vergleichszeitraum eine geringere Volatilität gezeigt als der MSCI Weltindex, wenn auch die Vergangenheit freilich kein Garant für die Zukunft ist. Für Marc Caretti, Fondsmanager des Raiffeisen-Infrastruktur-Aktien, liegen die Gründe für die ruhigere Wertentwicklung auf der Hand: „Da viele Infrastrukturen täglich genutzt werden, bleibt die Nachfrage mehr oder weniger konstant, unabhängig von der wirtschaftlichen Lage. Diese Stabilität macht die Wertpapiere weniger anfällig für Marktschwankungen.“
Weitere Eigenschaften sprechen für ein Infrastruktur-Investment: Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von rund 17 war der Index zuletzt günstiger als der MSCI Weltindex und weist mit rund 3,9 Prozent eine weitaus höhere durchschnittliche Dividendenrendite aus. Caretti ergänzt, dass Infrastrukturaktien traditionell höhere Dividenden als globale Aktien bieten. Letztere Eigenschaft ist in Zeiten steigender Inflationsraten ebenso von Bedeutung.
Versorger im Fokus
Doch wie gehen Top-Fondsexperten konkret vor? Im Goldman Sachs Global Infrastructure Equity Portfolio entfällt die höchste Branchengewichtung auf Versorger und Energieinfrastruktur. Dazu zählt Cheniere Energy. Der US-Konzern betreibt unter anderem den Sabine-Pass-Exportterminal für Flüssiggas (Liquified Natural Gas, kurz LNG) in Louisiana sowie einen weiteren in Texas. Anfang Februar gab Cheniere Energy die Fertigstellung einer 6. Einheit am Sabine-Pass-Terminal bekannt, womit nun die Gesamtkapazitäten auf jährlich rund 30 Millionen Tonnen LNG angestiegen sind. Sie werden auch dringend benötigt. Denn mittlerweile steuern rund 70 Prozent aller LNG-Schiffe Europa von dort aus an, wo Erdgas immer stärker nachgefragt wird.
Die Gründe liegen auf der Hand. Europa möchte einerseits seine Abhängigkeit von Russland durch das Nutzen anderer Gasquellen reduzieren. Andererseits wird grundsätzlich mehr Erdgas als Übergangslösung für die Energiewende nachgefragt, zumindest solange, bis auf dem „alten“ Kontinent ausreichend Strom aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt werden kann.
Auch in China steht die Energiewende und damit Gas als Übergangslösung im Fokus. Das Land verursacht derzeit die größte Menge an CO₂-Ausstößen, wie die Grafik auf der nächsten Seite zeigt. Das Reich der Mitte ist inzwischen auch größter Importeur von LNG und hat Japan auf Platz zwei zurückgedrängt. Chancen aus der Entwicklung erhofft sich etwa China Gas Holdings, der Konzern betreibt Erdgasinfrastruktur im Inland. Gemeinsam mit dem Rohstoffhändler Vitol möchte man ab 2027 China mit jährlich fünf Millionen Tonnen LNG versorgen. Die Aktie von China Gas Holding nahm zuletzt die zweitgrößte Gewichtung im Morgan Stanley Investment Funds – Global Infrastructure Fund ein.
Im La Française Systematic Global Listed Infrastructure entfiel zuletzt hingegen die größte Fondsposition auf Tokyo Gas. „Der Konzern ist im Januar 2022 ein Joint Venture mit dem dänischen Energieunternehmen EWII Production für Windkraft-Energie eingegangen. Wenn der Deal abgeschlossen ist, wird EWII Production zu TOWII Renewables umbenannt“, präzisiert Senior Portfoliomanager Chris Jakobiak.
Erneuerbare Energien auf rekordniveau
Bereits jetzt werden eine Menge Kapazitäten aus erneuerbaren Energien erzeugt. Laut der Internationalen Energieagentur wurde im vergangenen Jahr eine Rekordmenge an erneuerbaren Energien weltweit erzeugt. Sie machte rund 30 Prozent des gesamten Energiemixes aus. Ein Unternehmen, das die Energiewende erfolgreich nutzt, ist der US-Versorger Nextera Energy, inzwischen weltweit größter Windenergieproduzent. Nun soll die Solarkraft sowie das Geschäft mit der Batteriespeicherung ausgebaut werden. Der Titel zählt zu den größten Positionen im KBI Global Sustainable Infrastructure Fund von Amundi, der noch nicht fünf Jahre am Markt ist.
Überhaupt liegt hier ein großer Fokus auf Versorgern, wobei das Fondsmanagement derzeit vor allem in Europa fündig wird, etwa mit RWE, Iberdrola und Veolia Environnement. All diese Versorger haben zunehmend die Nachhaltigkeit im Fokus, sei es bei der Energieerzeugung oder dem Wassermanagement. Obendrein liefern solche Unternehmen einen vorhersehbaren und stabilen Cashflow über viele Jahre. Mit Welltower aus den USA wird zudem in Gesundheitsinfrastruktur, etwa Altersheime, investiert.
Auch im La Française Systematic Global Listed Infrastructure sind Betreiber von Elektrizitäts- und Gasnetzen sowie Versorger derzeit hoch gewichtet, etwa mit Exelon und Southern Company aus den USA. Jakobiak geht in diesem Zusammenhang auf das aktuelle Marktumfeld ein und sagt, dass gerade in unsicheren und volatilen Zeiten der Mehrwert eines kalkulierbaren Risikos in einem Infrastrukturfonds einen höheren Stellenwert haben sollte als die schnellen Gewinne einzelner Branchen, wie zum Beispiel Technologie.
Auch Sidana von Partners Group hat klare Vorstellungen bei seinem Investmentzugang und sagt: „Wir investieren in die regulierten Strom- und Gasnetze, nicht jedoch in Stromerzeuger wie beispielsweise RWE. Solche Konzerne sehen wir nicht als ‚Kerninfrastruktur‘ an.“ Denn sie würden nicht von langen Verträgen mit Inflationsschutz profitieren, sondern seien vielmehr starkem Wettbewerb ausgesetzt. Auch gebe es ESG-Bedenken aufgrund der Nutzung von Kohle oder Atomkraft.
Mobilfunk bringt weiteres Wachstum
Mit der wachsenden Menge an Daten spielt auch die Kommunikationsbranche eine wachsende Rolle in Infrastrukturfonds. Vor allem die Betreiber von Mobilfunktürmen wie Cellnex aus Spanien sowie Crown Castle und American Tower aus den USA stehen in diesem Zusammenhang im Fokus und spielten zuletzt etwa im Portfolio von Partners Group eine große Rolle.
Fondsmanager Sidana sagt, „die Kommunikationsinfrastruktur bleibt, angesichts des starken Rückenwinds für den Sektor, 2022 und wahrscheinlich auch in den kommenden Jahren einer unserer Schwerpunkte. Wir sehen weiterhin großen Investitionsbedarf, angetrieben durch den Trend der Digitalisierung“. Immerhin hätten zuletzt sämtliche europäische und US-amerikanische Mobilfunkanbieter auf den großen Investitionsbedarf in den kommenden Jahren hingewiesen, der durch die Einführung von der neuen Mobilfunkgeneration 5G getrieben wird. Hinzu gebe es in Europa derzeit einen Trend hin zu der Auslagerung von Funktürmen der Mobilfunknetzbetreiber, wovon etwa Cellnex profitiert. All solche Entwicklungen treiben das Gewinnwachstum mittel- bis langfristig voran, betont der Partners-Group-Experte.
Er verweist auf eine weitere Eigenschaftt: „Mobilfunkmasten haben aufgrund langfristiger Verträge – bis zu 30 Jahre – im Allgemeinen ein robustes Geschäftsmodell und verfügen über einen gewissen Inflationsschutz.“ So können Tarife zum Beispiel indexiert an eine Inflationsrate gekoppelt sein. Es könne aber auch ein Staffeltarif verrechnet werden. Insgesamt seien diese Vermögenswerte sehr profitabel mit EBITDA-Margen von rund 40-60 Prozent und geringen Wartungsinvestitionen, fügt Sidana hinzu. Er verweist aber auch auf den Umstand, dass die zuletzt negative Marktstimmung gegenüber „Wachstums“-Aktien auch Betreiber der Kommunikationstürme traf. Das zugrunde liegende Geschäft erfülle jedoch weiterhin die Erwartungen oder übertreffe sie, bei unverändert positiven Wachstumsaussichten. Der Experte weiter: „Das Thema Digitalisierung, zumindest was seine Auswirkungen auf das zugrunde liegende Geschäft anbelangt, hält unvermindert an.“
Die Chancen nutzt man entsprechend auch in anderen Portfolios. Der Raiffeisen-Fonds ist etwa in zwei Hauptsegmente unterteilt: die klassische Infrastruktur, wie Versorgungsunternehmen, und die digitale Infrastruktur. „Damit sind unter anderem Hauptthemen wie erneuerbare Energieinfrastruktur, Elektrifizierung der Mobilität, Energieeffizienz und Dekarbonisierung verbunden“, präzisiert Fondsmanager Caretti. Auf letzteren Bereich setzt er beispielsweise mit Titeln wie Apple oder Micron Technology. „Die Pandemiekrise hat die Art und Weise, wie Infrastruktur definiert wird, verändert“, betont er und ergänzt: „Die neue Infrastruktur ist umweltfreundlicher, intelligenter und stärker vernetzt.“ Dazu brauche es entsprechende Technologien.
Kommt der Transport wieder in die Gänge?
Ein Bereich, der nach Einschätzung einiger Experten noch im Vorjahr ebenfalls gelitten hatte, waren Betreiber von Flug- und Schiffshäfen sowie von Mautstraßen. Gründe waren demnach die strengen Corona-Maßnahmen. Sie beschränkten die Mobilität, während im Frachtbereich Personalmangel aufgrund von Corona-Erkrankungen vorherrschte. Dies habe in Folge auch zu zahlreichen Lieferengpässen geführt, zumal vor allem China bereits bei den geringsten Fallzahlen ganze Häfen sperrte.
Über die Aussichten entsprechender Unternehmen scheiden sich die Meinungen unter den Experten. La Française-Experte Jakobiak sagt etwa, ein gern gesehener Gast im Portfolio sei lange Zeit der Flughafenbetreiber Fraport gewesen. „Dieser befindet sich jedoch seit dem massiven Einbruch der Fluggastzahlen im Rahmen der Corona-Pandemie nicht mehr im Fondsportfolio. Auch wenn sich etwa Ende 2021 die Öffnung der USA für Reisende aus Europa stützend auf den Flughafenbetreiber ausgewirkt habe, sind die zukünftigen Aussichten noch ungewiss.“ Es bleibe abzuwarten, wie sich die kommenden Monate und Jahre entwickeln werden.
Demgegenüber meint Sidana von Partners Group: „Flughäfen bleiben Monopolanlagen, obwohl sie in den vergangenen zwei Jahren sehr gelitten haben.“ Während man in Bezug auf die Erholung von Flugpassagieren vorsichtig sei und dies in der Portfolioallokation berücksichtige, „glauben wir auch, dass einige Reiseziele besser über Flughäfen angeflogen werden können als durch jede andere Form des Reisens. Beispielhaft nennt er Spanien, Großbritannien und Australien.“
Letztendlich gilt es aber auch in diesem Zusammenhang die weiteren Entwicklungen im Zuge des Ukraine-Krieges abzuwarten. Der Konflikt traf zuletzt auch Flughafenbetreiber, nachdem etwa Flugverbote für russische Fluglinien verhängt wurden und damit sowohl Touristen als auch Geschäftstreibende aus der Region nun ausbleiben.
All solche Beispiele verdeutlichen, wie vielfältig die Investmentchancen im Bereich der Infrastruktur sind, aber auch, wie wichtig Kenntnisse der unterschiedlichen Einflussfaktoren sind. Eine derart breite Mischung in eine grundsätzlich defensive Branche kann vor allem in Zeiten steigender Volatilitäten perspektivisch vielversprechend sein.