Startseite » Investmentfonds » Anlagestrategie » Fehlende ESG-Standards als Hindernis

Fehlende ESG-Standards als Hindernis

November 2022
Eine Umfrage von J.P. Morgan Asset Management unter europäischen Anlageberatern zeigt: Nachhaltige Investments erfolgen in Zukunft stärker diversifiziert. Es gibt aber auch noch reichlich Herausdorderungen.
JP Morgan AM
Jennifer Wu, JP Morgan AM

In der europäischen Anlageberatung werden aktuell neue Möglichkeiten für nachhaltige Anlagechancen geprüft. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass sich die Rahmenbedingungen der Asset Allokation ändern, ebenso wie die Art und Weise, wie sich Investoren mit Nachhaltigkeitsthemen befassen. Um diese sich entwickelnde Dynamik zu bewerten und zu verstehen, hat J.P. Morgan Asset Management im Frühsommer 2022 gut 1.000 europäische Anlageberater befragt.

Ziel der „Future Focus Survey – Nachhaltige Investmenttrends in Europa“ war es, die Herausforderungen und Chancen rund um die nachhaltige Anlageberatung zu verstehen, Veränderungen in der geplanten nachhaltigen Allokation zu ermitteln und nicht zuletzt aufzuzeigen, welche Faktoren aktuell das Verhalten der Endkunden beeinflussen.

VON „E“ ZU „S“

Die Befragung zeigt, dass sich die ESG-Prioritäten in der europäischen Anlageberatung vom traditionellen Fokus auf Umweltthemen (dem „E“ in ESG) zunehmend auf die Priorisierung sozialer Themen (das „S“) verlagern. So wird die finanzielle Relevanz beider Faktoren zunehmend anerkannt. Ein Großteil der europäischen Anlageberater ist sich der ökologischen Herausforderungen und der Rolle von Portfolioentscheidungen bei deren Bewältigung bewusst: mehr als 93 Prozent der Befragten beziehen heute ESG-Faktoren in ihren Entscheidungsprozess ein.

Die tatsächliche Asset-Allokationsentscheidung der von ihnen beratenen Endanleger wird laut 33 Prozent der Befragten von den ESG-Anforderungen des jeweiligen Kunden bestimmt. 31 Prozent gaben an, dass Anleger damit ihre Investitionen an ihren persönlichen Überzeugungen ausrichten wollen. Laut 28 Prozent der befragten Berater wollen die Anleger mit ihren Investments etwas Positives bewirken und setzen deshalb verstärkt auf nachhaltige Investments. Weitere 27 Prozent gaben an, dass die Allokation ihrer Kunden vor allem durch den Wunsch nach potenziell höheren risikobereinigten Erträgen getrieben sei. Und 22 Prozent der Befragten gaben den „Zugang zu Unternehmen, die langfristiges Ertragspotenzial bieten könnten“ als wichtigsten Allokationsgrund an.

Im europäischen Vergleich zeigen sich hierbei regionale Unterschiede, beispielsweise ist die Kundennachfrage nach ESG-Investments in Großbritannien mit 50 Prozent deutlich höher als in Spanien, wo es mit 24 Prozent nur jeder Vierte ist. In Deutschland liegt die Nachfrage mit einem Drittel im Durchschnitt. Während die Nachfrage nach nachhaltigen Anlagestrategien groß ist und stetig weiter zunimmt, ist die tatsächliche Allokation, gemessen am Anteil des gemanagten Vermögens der Befragten, mit einem europäischen Durchschnittswert von 23 Prozent noch ausbaufähig. Führend ist Finnland, mit 33 Prozent Allokation, während UK mit 10 Prozent das Schlusslicht darstellt.

REGIONALE DIVERSIFIZIERUNG

In Bezug auf die ESG-Allokation zeigt die Befragung, dass Aktien als traditionelle und führende Anlageklasse für nachhaltige Investments in den nächsten fünf Jahren weiterhin die Nase vorn haben sollten. Auch wenn die Berater erwarten, dass die Allokation mittelfristig leicht um 2 Prozent zurückgehen wird, sollte diese weiterhin den größten Anteil ausmachen. Parallel sollte die Allokation in Multi-Asset- bzw. alternative Investmentstrategien, die thematische und Impact-orientierte Zielen verfolgen, weiter wachsen.

Vor allem aber werden die ESG-Investments internationaler und es sollen Chancen in weiteren Regionen wahrgenommen werden. So lässt die Befragung eine grundlegende Verlagerung der Portfolioallokation in Richtung Schwellenländer einschließlich China erwarten, wobei 26 Prozent bereits im nächsten Jahr eine Allokation in der Region planen und 40 Prozent innerhalb der nächsten fünf Jahre dort investieren wollen. Die ESG-Allokation in US-Aktien sollte in den nächsten fünf Jahren konstant bleiben, während für die ESG-Investments in Europa (ohne Großbritannien) mittelfristig weniger Chancen erwartet werden, weshalb die Allokation um 7 Prozent zurückgehen dürfte.

Datenlage bleibt herausfordernd

Als Herausforderungen nennen die befragten europäischen Anlageberater vor allem ein Thema, das ihnen nachhaltiges Anlegen erheblich erschwert: ESG-Daten sind oft zu wenig aussagekräftig, nicht standardisiert oder stehen häufig erst gar nicht zur Verfügung. Mit 45 Prozent gibt rund die Hälfte der Befragten an, dass Anleger unsicher sind, wo sie die besten Informationen beziehen könnten. Die gleiche Anzahl von Befragten war sich nicht sicher, welche Kennzahlen sie bei Anlageentscheidungen berücksichtigen sollten.

„Um eine echte Standardisierung der ESG-Berichterstattung über Unternehmen, Sektoren und Regionen hinweg zu erreichen, arbeitet unser Sustainable-Investment-Team sehr eng mit dem Data-Science-Team zusammen. Durch die Kombination des Know-hows beider Bereiche kann das Verständnis für die ESG-Belange weiter wachsen“, führt Jennifer Wu, Global Head of Sustainable Investing von J.P. Morgan Asset Management, aus. „Durch die Analyse der finanziellen Auswirkungen von ESG-Faktoren lassen sich neue Chancen identifizieren und gleichzeitig Risiken steuern, die sich negativ auf die Portfolioerträge auswirken könnten – diese Analysen durchzuführen und das Wissen darüber bei den Beraterinnen und Beratern zu stärken, sehen wir auch als Teil unserer treuhänderischen Verantwortung beim Management der Kundengelder“, unterstreicht die Nachhaltigkeitsexpertin.

So lautet ihr Fazit zu den Ergebnissen des Future Focus Survey: „Es zeigt sich, dass der Markt für nachhaltige Investments in einer Transformationsphase ist, da Investoren immer besser verstehen, was ESG-Anlagen leisten können und was nicht.“ Der aktuell stattfindende Klimagipfel COP27 ist laut Wu eine gute Gelegenheit, sich das Thema in Erinnerung zu rufen. Zahlreiche Länder präsentieren, wie sie ihre Netto-Null-Ziele erreichen und ihre Verpflichtungen in Bezug auf den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Welt erfüllen wollen. „Investoren sollten über eine Neukalibrierung ihrer Portfolios nachdenken, um sicherzustellen, dass die Allokationen mit dem Tempo der Umsetzung der Richtlinien Schritt halten, da dies letztendlich Auswirkungen auf das Risiko-Ertrags-Profil ihrer Portfolios haben könnte“, so Jennifer Wu.

ZUR „FUTURE FOCUS SURVEY“

Im Auftrag von J.P. Morgan Asset Management führte das Research-Haus Opinium zwischen dem 23. März und dem 6. Mai 2022 Online-Interviews mit 1.000 Anlageberater aus verschiedenen europäischen Ländern durch. Diese verteilen sich verteilen sich auf Italien (300 Befragte), Deutschland (200 Befragte), Großbritannien (200 Befragte), Frankreich (100 Befragte), Spanien (100 Befragte), Schweden (50 Befragte) und Finnland (50 Befragte). Bei den Befragten handelte es sich um professionelle Berater aus verschiedenen Institutionen: Finanzberater (45 Prozent); Vermögensverwalter (14 Prozent); Private Banker (10 Prozent) und andere Berater (31 Prozent). Die Größe des Unternehmens reichte von unter 100 Mitarbeitenden (44 Prozent) bis zu 100 bis 1.000 (33 Prozent) und über 1.000 (22 Prozent).