Die positive Marktreaktion auf die Zinsentscheidungen in den USA und Europa ist nicht gerechtfertigt. Die Zentralbanken sollten die Zinsen weiter anheben, denn die Kerninflation ist noch viel zu hoch, meint Volker Schmidt, Senior Portfolio Manager bei ETHENEA Independent Investors.
Nach der jüngsten Runde von zuvor klar kommunizierten Zinserhöhungen Anfang Februar – 25 Basispunkte in den USA und 50 in Europa – haben Schmidt zufolge die Märkte gejubelt, als ob die Zentralbanken den Sieg gegen die Inflation bereits gesichert hätten. Ob der Sieg durch eine anstehende Rezession oder das sogenannte ‚Soft landing‘, temporäre Wirtschaftsverlangsamung mit anschließendem Wachstum, erzielt wurde, spielt keine Rolle. In den USA lag die 10-jährige Rendite am Ende des Tages um 10 Basispunkte niedriger, der Aktienindex S&P 500 stieg um 1,05 Prozent. In Europa stürzte die deutsche 10-jährige Rendite um 26 Basispunkte ab, damit wurde der größte Fall seit 2011 verzeichnet.
Doch die Stimmung bei den Zentralbanken ist alles andere als jubilierend. Die Kerninflation auf den beiden Seiten des Atlantiks lässt nicht nach. Der Personal Consumption Expenditures Price Index (PCE), bevorzugter Inflationsmesser der Fed, liegt bei 5 Prozent, während sich die Kerninflation im Euroraum bei 5,2 Prozent beläuft – weit über dem Ziel der beiden Zentralbanken von 2 Prozent.
Die Gründe für die hartnäckige Inflation unterscheiden sich zwischen Amerika und Europa: In den USA sind schnell steigenden Preise auf den robusten Arbeitsmarkt zurückzuführen, in Europa sind es Subventionszahlungen von Mitgliedstaaten, Tarifverhandlungen und nach wie vor hohe Energiepreise. Aber die Währungshüter sind sich über das weitere Vorgehen einig: ‚We know that we’re not done‘, sagte EZB-Chefin Christine Lagarde, fast wörtlich ein Widerhall ihres amerikanischen Kollegen Jerome Powell. Die beiden scheinen sich des Erbes des ehemaligen Fed-Vorsitzenden Arthur Burns bewusst zu sein, der wegen seines Beitrags zur Großen Inflation der 1970er-Jahre durch das Hin und Her bei Zinsentscheidungen in die Geschichte einging. Als Lehre daraus würden die heutigen Notenbankchefs eher zu viel straffen als zu wenig.