Zum zweiten Mal innerhalb zwölf Jahren hat eine der drei wichtigsten Rating-Agenturen der US-Regierung – dem weltweit größten Emittenten von Staatsschulden – ihr AAA-Rating entzogen. Obwohl der Schritt von Fitch Ratings nicht nur Symbolcharakter, sondern auch konkrete Auswirkungen auf die Märkte hat, erwarten wir nicht, dass es nun zu umfangreichen Verkäufen von US-Staatsanleihen oder zu einer kurzfristigen Änderung des Anlegerverhaltens führt, betont Mike Cudzil, Portfolio-Manager, PIMCO. Und weiter: Unseres Erachtens spiegelt die Herabstufung keine neuen wesentlichen Informationen über die Kreditwürdigkeit der USA wider. US-Treasuries gelten nach wie vor als die bevorzugte risikofreie Anlageklasse und dienen auf den Finanzmärkten weltweit als Referenzwert. Wir gehen auch nicht davon aus, dass die Herabstufung das Ausmaß oder die Geschwindigkeit des Zinserhöhungszyklus der US-Notenbank in ihrem Kampf gegen die Inflation beeinflussen wird.
Fitch hatte bereits im Mai davor gewarnt, dass eine Herabstufung der USA bevorstehen könnte, allerdings geschah das, bevor der Kongress eine Einigung über die Schuldenobergrenze erzielte.
Im Jahr 2011 hatte mit S&P Global Ratings ein anderes Kreditrating-Unternehmen den USA im Zuge des Streits um die Schuldenobergrenze ebenfalls die Spitzenbewertung entzogen. Interessanterweise führte die damalige Herabstufung zu einem Anstieg der Anlegernachfrage nach US-Staatsanleihen, was die Renditen nach unten drückte – ein Beweis dafür, dass Staatsanleihen in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit als die bevorzugte Anlageklasse angesehen werden. Moody’s, die dritte große Rating-Agentur, hält an ihrem Triple-A-Rating für US-Staatsanleihen fest.
AUSSICHTEN
Trotz weit verbreiteter Prognosen einer schwächelnden US-Wirtschaft in diesem Jahr ist der Zeitpunkt der Herabstufung bemerkenswert, da aktuelle Daten Zweifel an der Wahrscheinlichkeit einer US-Rezession aufkommen lassen. Die jüngsten Daten, die in dem unerwartet starken BIP-Bericht für das zweite Quartal gipfelten, deuten darauf hin, dass sich die US-Wirtschaft widerstandsfähiger als erwartet erweist, da die Leitzinsen der Fed steigen und der Inflationsdruck nachlässt.
Wir gehen immer noch davon aus, dass sich das Wachstum der US-Wirtschaft im zweiten Halbjahr 2023 aufgrund eines Stillstands bei der Vergabe von Bankkrediten, nachwirkender Effekte der Geldpolitik und fiskalischer Gegenwinde verlangsamen wird. Allerdings, da das anfängliche Wachstumsmomentum nun stärker ausfällt und der Gegenwind aus dem Bankensektor nachzulassen scheint, erscheint die Wahrscheinlichkeit einer kurzfristigen Rezession auch geringer.
Schon vor der Herabstufung waren wir der Meinung, dass weitere Staatsausgaben ungeachtet der wirtschaftlichen Bedingungen als unwahrscheinlich einzustufen sind. Generell sind wir der Ansicht, dass die fiskalische Kapazität in den nächsten fünf Jahren angesichts der aktuellen Staatsverschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt stärker als in der Vergangenheit begrenzt sein wird – entweder durch politische Entscheidungen oder die Finanzmärkte. Das wird die Fähigkeit der Finanzpolitik, unterstützend einzugreifen und zukünftige Wirtschaftsabschwünge abzufedern, einschränken.
AUSWIRKUNGEN AUF DIE MÄRKTE
Die Herabstufung durch Fitch kann als Weckruf dienen, Risiken im Zusammenhang mit Haushaltsdefiziten und der Tragfähigkeit der Verschuldung ernst zu nehmen. Auch wenn sie normalerweise im Verborgenen schlummern, können sie an die Oberfläche treten und ernsthafte Besorgnis auslösen. Sie bergen Potenzial für Marktüberraschungen und Volatilität, vor allem angesichts der angesprochenen verringerten Kapazität für fiskalische und monetäre Unterstützung.
Langfristig könnten die aktuellen Entwicklungen zu einem schwächeren Dollar, höheren Anleiherenditen und steileren Renditekurven führen. Die britische LDI-Krise (Liability-Driven-Investment) im vergangenen Jahr war eine ähnliche Erinnerung daran, dass Bedenken hinsichtlich der fiskalischen Stabilität schnell aufkommen können. Großbritannien könnte in dieser Hinsicht als eine Art Frühwarnsystem für langfristige fiskalische Probleme fungiert haben.
Um die steigende Verschuldung in den USA zu finanzieren, kündigte das US-Finanzministerium in dieser Woche an, den Umfang seiner vierteljährlichen Anleiheverkäufe zum ersten Mal seit mehr als zwei Jahren zu erhöhen. Dies könnte zu einer weiteren Quelle der Besorgnis der Anleger werden und die Anleiherenditen möglicherweise in die Höhe treiben.
Im Moment könnte die Volatilität denjenigen Anlegern zugutekommen, die flexibel bleiben und in der Lage sind, Gelegenheiten zu nutzen, wenn die Marktbewertungen überhöht sind. Obwohl die Ansichten und Einstufungen der Rating-Agenturen wichtig sind, führen wir bei PIMCO kontinuierlich unsere eigene Kreditanalyse durch. Bei der Zusammenstellung unserer Portfolios erkennen wir an, dass sich die US-Wirtschaftsdaten verbessert haben, konzentrieren uns aber angesichts der anhaltenden Risiken und makroökonomischen Unsicherheiten auf widerstandsfähige Vermögenswerte mit hoher Qualität.