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Chinas Wirtschaft schwächelt

August 2023
Die Konjunkturindikatoren für Juli zeigten, dass sich die chinesische Wirtschaft im ersten Monat des dritten Quartals 2023 weiter verlangsamt hat. Carlos Casanova von Union Bancaire Privée geht auf die Gründe ein.
Union Bancaire Privée
Carlos Casanova, Union Bancaire Privée

Carlos Casanova, Seniorökonom für Asien bei der Union Bancaire Privée, erkennt vielfältige Gründe für die Schwäche Chinas Wirtschaft und geht darauf in seinem Marktkommentar ein. Zum einen richtete der Taifun Doksuri in Nordchina große Verwüstungen an. „Dadurch wurden der Konsum und die Investitionstätigkeit gestört, sodass die Daten unter dem zyklischen Trend lagen“, schreibt er in einem aktuellen Marktkommentar. Darüber hinaus hätten sich die Sorgen um den Immobilienkonzern Country Garden zu der anhaltenden Schwäche und der gedämpften Stimmung im Inland gesellt, was die Haushalte zu größerer Zurückhaltung veranlasst habe.

Verglichen mit dem Vorjahreswert verlangsamte sich das Wachstum der Industrieproduktion im Juli auf 3,7 Prozent, nach 4,3 Prozent im Juni. Gegenüber dem Vormonat blieb die Industrieproduktion unverändert, nachdem sie im Juni noch 0,7 Prozent gegenüber Mai gestiegen war. „Die privaten Unternehmen bleiben wie bereits im ersten Halbjahr weiterhin hinter den staatlichen Unternehmen zurück, so Casanova. Der Automobilbau bleibt eine Konjunkturstütze, verlangsamte sich aber auf 6,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr nach 8,8 Prozent im Juni. Dank der politischen Unterstützung in dürfte sich dem Ökonomen zufolge die Industrieproduktion im zweiten Halbjahr stabilisieren. Die Anlageinvestitionen gingen im Jahresvergleich leicht auf 3,4 Prozent zurück, gegenüber 3,8 Prozent im Juni.

Die privaten Investitionen mit -0,5 Prozent seit Jahresbeginn waren im Jahresvergleich durchgehend schwächer als die Investitionen staatlicher Unternehmen (+7,6 Prozent seit Jahresbeginn). „Auch wenn sich die Anlageinvestitionen über das zweite Halbjahr leicht erholen dürften, wird der private Sektor wahrscheinlich weiterhin hinter den staatlichen Unternehmen zurückbleiben“, erwartet Carlos Casanova. Der größte Teil des Rückgangs sei auf die schwächere Entwicklung der Immobilieninvestitionen zurückzuführen, die auf -8,5 Prozent im Jahresvergleich zurück, gegenüber -7,9 Prozent im Juni, zurückgingen. Dennoch sind dem UBP-Experten zufolge die privaten Anlageinvestitionen in Sektoren von strategischem Interesse nach wie vor bemerkenswert, wobei die Automobilindustrie (+19,2 Prozent im Jahresvergleich) und elektrische Maschinen (+39,1 Prozent im Jahresvergleich) weiterhin positiv hervorstechen.

Die Einzelhandelsumsätze gingen stärker als erwartet gegenüber dem Vorjahreswert zurück, auf 2,5 Prozent, nach 3,0 Prozent im Juni.

STEIGENDE JUGENDARBEITSLOSIGKEIT

Die erfasste Arbeitslosenquote stieg auf 5,3 Prozent, gegenüber 5,2 Prozent im Juni. Das nationale Statistikbüro veröffentlichte jedoch keine Statistiken zur Jugendarbeitslosigkeit (16-24-Jährige) und begründete dies mit der Notwendigkeit, Unstimmigkeiten bei komplexen Daten zu beseitigen. „Die Entscheidung, die Daten zur Jugendarbeitslosigkeit nicht mehr zu veröffentlichen, ist für die Stimmung internationaler Investoren nicht gerade förderlich, da sie zu einer Verschlechterung der Sichtbarkeit führt. Im Juli sind viele neue Hochschulabsolventen in den Arbeitsmarkt eingetreten, was ein Risiko für die Jugendarbeitslosigkeit darstellt. Wir hatten für Juli mit einer Jugendarbeitslosigkeit von 22 Prozent gerechnet, aber es sieht so aus, als ob die tatsächliche Zahl diese Prognose noch übertreffen könnte. Wir schätzen, dass es in China etwa 80 Millionen arbeitslose Jugendliche geben könnte. Das sollte Aufschluss darüber geben, wie die nächsten politischen Schritte aussehen könnten“, erläutert Casanova.

Das Politbüro betonte im Juli sehr deutlich, dass China seine antizyklischen Unterstützungsmaßnahmen verstärken würde. Der UBP-Experte schreibt: „Das erste Anzeichen dafür war heute zu sehen, als die People’s Bank of China (PBOC) unerwartet den Zinssatz für die mittelfristige 1-Jahres-Kreditfazilität (MLF) um 15 Basispunkte auf 2,50 % und den 7-tägigen Reverse-Repo-Satz um 10 Basispunkte auf 1,80 Prozent senkte. Entsprechend der bisherigen Vorgehensweise der PBOC sollten wir in der nächsten Woche eine symmetrische, überproportionale Senkung des 1Y- und 5Y-Loan Prime Rate (LPR) um 10-15 Basispunkte erwarten. Mit Blick auf die Zukunft erwarten wir, dass die PBOC die Leitzinsen weiter um 50-75 Basispunkte senken und die Bilanz ausweiten wird, um die Risiken in Schlüsselsektoren wie den Schulden der Lokalregierungen und den regionalen Wohnungsmärkten zu mindern.“

Insgesamt haben sich die Konjunkturindikatoren im Juli in allen Sektoren weiter abgeschwächt. Das bedeutet, dass sich die sequenzielle Verlangsamung bis ins dritte Quartal 2013 ausgedehnt hat, was konzertierte Anstrengungen und eine schnellere Reaktion erfordert. Obwohl sich einige Indikatoren begonnen haben, sich zu erholen, wird der August ein weiterer schwacher Monat sein. Die Wachstumsuntergrenze von 5 Prozent für 2023 bleibt den Experten von UBP zufolge in Reichweite, aber die Behörden müssen sicherstellen, dass die Wirtschaft in einem vernünftigen Rahmen wachsen kann. „Die politischen Entscheidungsträger sollten das Ziel des „Gemeinsamen Wohlstands“ nicht aus den Augen verlieren.“ Jetzt heiße es „Alle Mann an Deck!“