In den „Amundi Global Investment Views – November 2023“ präsentieren Vincent Mortier (Group CIO) und Matteo Germano (Deputy Group CIO) ihre aktuellen Einschätzungen zur globalen Wirtschaft, zu den wichtigsten Wirtschaftsräumen und den aktuellen Investmentchancen.
Die Märkte blieben in den letzten Wochen in einer gewissen Bandbreite, da sie versuchen, die Richtung der Geldpolitik, das Wirtschaftswachstum und den Inflationsverlauf zu einzuschätzen, was durch den Krieg zwischen Israel und der Hamas weiter erschwert wird. Wir rechnen weiterhin mit einer milden Rezession in den USA im ersten Halbjahr 2024. Die Ausrichtung auf höhere Zinsen für längere Zeit und angespannte finanzielle Bedingungen, zusammen mit den folgenden Hauptfaktoren, geben uns weiterhin Anlass zur Sorge über die globalen Wirtschaftsaussichten:
· Unklarheit über die Geldpolitik, Erwartung einer geldpolitischen Pause. Der Anstieg der Renditen hat zu einer weiteren Straffung geführt, und die Zentralbanken könnten jetzt eine Pause einlegen. Der Erfolg bei der Inflationsbekämpfung wird letztlich ihre Politik bestimmen. Der Nahostkonflikt erhöht die Unsicherheit hinsichtlich der Inflation (Ölpreise).
· Die Fiskalkapazitäten sind in den USA und Europa begrenzt. Die fiskalische Seite wird in nächster Zeit nicht in der Lage sein, die Schwäche auf der Konsumentenseite, die bereits unter Druck gerät, vollständig auszugleichen.
· Ersparnisse und Arbeitsmärkte. Bislang haben Reserven bei Ersparnissen und angespannte Arbeitsmärkte den Konsum gestützt. Wenn es jedoch zu Entlassungen kommt und das Lohnwachstum sinkt, würde der Konsum darunter leiden.
· Schwächung der Unternehmen. Die Konkurse in den USA nehmen zu. Auch kleine Unternehmen, die eine Schlüsselkomponente der Wirtschaft sind und für ihren Finanzierungsbedarf auf die Banken angewiesen sind, stehen unter Druck.
· Chinas struktureller Schuldenabbau deutet darauf hin, dass die Wachstumsverlangsamung durch den Rückgang des Kapitaleinsatzes bedingt sein wird. Wir rechnen nicht mit einer politischen Panzerfaust, aber mit schrittweisen Maßnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaft.
Bei einer insgesamt vorsichtigen Sichtweise sehen wir Chancen unter folgenden Aspekten:
· Cross Asset. Das wirtschaftliche Umfeld und die Bewertungen sprechen für eine positive Haltung zur Duration, wobei aber ein gewisser Druck durch die Inflation besteht. Wir bleiben positiv für US-Treasuries und werden konstruktiver für Europa, auch am kurzen Ende der Kurve. Bei Aktien sind wir in Bezug auf Industrieländer vorsichtig, haben aber Japan angesichts der inländischen Erholung auf neutral hochgestuft. Bei den Währungen könnten Bedenken hinsichtlich der US-Inflation und der längerfristig höheren US-Zinsen dem Dollar kurzfristig Auftrieb geben. Daher sind wir gegenüber ausgewählten asiatischen Währungen und dem niedrig verzinslichen Schweizer Franken taktisch positiv eingestellt. Wir bleiben jedoch dabei, dass ein Umschwenken der Fed mittelfristig zu einer Dollarschwäche führen würde. Auch bei Öl zur Diversifizierung sind wir konstruktiv geworden. Und wir sind der Meinung, dass Investoren die Absicherung ihrer Portfolios verstärken sollten.
· Nach einem starken Anstieg der Renditen bieten Staatsanleihen langfristig gute Aussichten. Angesichts des Risikos einer Konjunkturabschwächung sind wir der Meinung, dass Anleihen zur Diversifizierung geeignet sein werden. Kurzfristig ist die Situation jedoch heikel und hängt von den eingehenden Daten ab, was uns veranlasst, flexibel zu sein. Für die USA sind wir positiv gestimmt, für Kerneuropa neutral und für Japan zurückhaltend. Bei den Unternehmensanleihen halten wir an unserer leicht positiven Einschätzung fest, die auf hohe Qualität ausgerichtet ist, wie etwa Investment Grade, wo wir keinen oder nur begrenzten Spielraum für eine Verschlechterung der Fundamentaldaten sehen. Insgesamt ist es sehr wichtig, zu differenzieren.
· Wir sind gegenüber den USA, insbesondere den großen Unternehmen, und bei europäischen Aktien vorsichtig. Gegenüber Japan neutral. Die Märkte bewegen sich von der Unternehmensrhetorik hin zu konkreten Auswirkungen auf das Ergebnis. Eine Wachstumsverlangsamung macht uns zwar vorsichtig in Bezug auf die Zyklizität, aber innerhalb der Zyklizität müssen wir differenzieren: Unternehmen, die von langfristigen Themen (Elektrifizierung, Near Shoring) profitieren würden, bieten Chancen. Die Outperformance von Value gegenüber Growth ist ein langfristiges Phänomen, aber uns gefallen Titel mit Preismacht, geistigem Eigentum und geringer Zyklizität.
· Schwellenländer bieten attraktive Renditen, aber man muss selektiv vorgehen und sich für die besten Unternehmen und Länder entscheiden, die Produktivitätswachstum erzielen können. Hartwährungs- und Unternehmensanleihen bieten ein gutes Carry, und innerhalb dieser Bereiche gefällt uns High Yield, wir achten aber auf Qualität. Bei Anleihen in Lokalwährung sind wir aufgrund des starken USD selektiv. Bei den Aktien sind wir China gegenüber neutral eingestellt und glauben, dass die Maßnahmen der Regierung den Abschwung abmildern sollen. Wir sehen Potenzial in Indien und Brasilien sowie in anderen lateinamerikanischen Ländern.