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Ausblick Schwellenländeranleihen

Dezember 2023
Können Bonds aus den Emerging Markets 2024 aus dem Schatten des US-Dollars heraustreten? Diese Frage beantwortet Paul McNamara, Investment Director bei GAM Investments.
GAM Investments
Paul McNamara, GAM Investments

Die letzten Monate waren durch eine gewisse Verlangsamung des weltweiten Wirtschaftswachstums sowie durch die unausweichlichen geopolitischen Faktoren gekennzeichnet, betont Paul McNamara, Investment Director bei GAM Investments. Wie immer standen die Aussichten für die US-Wirtschaft im Mittelpunkt des Anlegerinteresses. Nachdem die US-Zinssätze entgegen den meisten Erwartungen auf den höchsten Stand seit 22 Jahren gestiegen sind, gibt es Anzeichen dafür, dass die US-Wirtschaft endlich auf eine Art „Landung“ zusteuern könnte. Ob diese sanft oder eher holprig ausfallen wird, bleibt abzuwarten.

Nach dem Höhepunkt der Stimulierungsmaßnahmen der „Bidenomics“, zu denen auch umfangreiche Steuererleichterungen für Privatpersonen und Unternehmen gehören, könnten sich nun endlich Risse im überhitzten Arbeitsmarkt bilden. Das Lohnwachstum verlangsamt sich und die Zahl der Anträge auf Arbeitslosenunterstützung nimmt schleichend zu. Da wir seit langem davon überzeugt sind, dass die Entwicklung der Kreditvergabe den Konjunkturzyklus vorantreibt, beobachten wir die Finanzbedingungen und Kreditstandards in den USA wie immer sehr genau. Insbesondere achten wir auf das Risiko, dass die Neuverschuldung – die derzeit zwar hoch ist, aber nicht an die Höchststände früherer Abschwünge heranreicht – bald auf Rezessionsrisiken hinweisen könnte. Wir analysieren auch die Umfrage der Federal Reserve (Fed) unter den Senior Loan Officers, die darauf hindeutet, dass sich der Kreditimpuls weiter abschwächen und das Nachfragewachstum zurückgehen könnte.

So viel zur Verlangsamung der US-Wirtschaft. Sicherlich sind die europäischen Volkswirtschaften nicht gerade auf Hochtouren gelaufen, aber insgesamt bleibt das wirtschaftliche Bild dort recht solide. Auch wenn der europäische Bankensektor in guter Verfassung ist, haben sich die Kreditbedingungen im gesamten Euroraum etwas verschärft. Die Neuverschuldung ist zurückgegangen, aber die Wachstumszahlen haben sich bisher als widerstandsfähiger erwiesen, als die Kreditdaten vermuten lassen. Europa ist noch lange nicht über den Berg, aber es gibt eindeutige Anzeichen dafür, dass die Wirtschaft nicht schlecht darsteht.

USA UND DER REST DER WELT

Sollte es tatsächlich zu einer weltweiten Rezession kommen, würden die Schwellenländer als wachstumsstarke Anlageklasse zweifelsohne von der negativen Stimmung betroffen sein. Doch damit Schwellenländeranleihen glänzen können, muss sich die Wachstumslücke zwischen den USA und anderen Regionen, vor allem Europa, verkleinern. Und in den letzten Monaten gab es Anzeichen dafür, dass dieses Szenario schon sehr bald eintreten könnte. Die US-Inflationsdaten haben sich allmählich eingependelt und die US-Notenbank hat begonnen, ihre hawkische Rhetorik zurückzuschrauben, wobei sich die enorme Wachstumslücke und die Kluft bei den Zinssätzen zwischen den USA und Europa effektiv gegen den US-Dollar richten. Und in diesen wenigen Wochen haben die lokalen Benchmarks für Schwellenländeranleihen eine Rendite von etwa vier Prozent erzielt. Das unterstreicht, wie ein schwächerer US-Dollar die Renditeaussichten für diese Anlageklasse verbessert.

Gegenwärtig bevorzugen wir die Länder mit hohen Zinssätzen, in denen die Realzinsen hoch sind, zumindest verglichen zu den früheren Werten. Uns gefallen Mexiko, Brasilien und Indonesien, auch wenn letzteres dieses Kriterium nicht überzeugend erfüllt und stattdessen von anderen Faktoren profitiert. Generell ist die Inflation in den Schwellenländern viel schneller zurückgegangen als im Rest der Welt.

Die Anleihemärkte Mexikos und Brasiliens haben sich tatsächlich besser entwickelt als die der USA; seit Jahresbeginn liegen lokale Schwellenländeranleihen etwa vier Prozent vor US-Treasuries (hauptsächlich aufgrund des schwächeren USD), vor hochverzinslichen US-Schuldtiteln und Staatsanleihen in Hartwährung. Aber im Allgemeinen ist eine Kombination aus hohen Zinsen und sinkender Inflation die Zauberformel für Strategien lokaler Schwellenländeranleihen, so wie für jede andere Anleihestrategie auch.

SCHWELLENLÄNDER-POLITIK

Die Geopolitik wird im nächsten Jahr eindeutig eine Rolle für die Attraktivität von Schwellenländeranleihen spielen. So könnte beispielsweise jede erhebliche Eskalation des derzeitigen Nahostkonflikts zu einem sprunghaften Anstieg des US-Dollars führen, da dieser traditionell als sicherer Hafen gilt. Auch die spezifische Schwellenländer-Politik könnte einen gewissen Einfluss haben, auch wenn diese in der Regel zu 80 Prozent aus Lärm und zu 20 Prozent aus Wirtschaft besteht. Das beste Beispiel der letzten Jahre ist Polen. Die vorherige Regierung kam mit einer Agenda weitreichender wirtschaftlicher Maßnahmen ins Amt, hat aber nur wenige davon tatsächlich umgesetzt und hat seitdem einen eher orthodoxen Weg eingeschwenkt.

Apropos Schwellenländer-Politik: Argentinien steht nach dem Sieg von Javier Milei bei den Präsidentschaftswahlen derzeit im Rampenlicht. Milei ist von Beruf Wirtschaftswissenschaftler und Fernsehkommentator, aber auch ein echter politischer Außenseiter und rechtsgerichteter Libertärer, wie wir ihn noch nie gesehen haben. Er tritt sein Amt mit einer wahrhaft radikalen politischen Agenda an, die unter anderem die Abschaffung des Peso zugunsten des US-Dollars, die Schließung der Zentralbank und die Kürzung der Staatsausgaben vorsieht. Die von Milei vorgeschlagene Politik kommt bei den Wählern gut an, insbesondere bei den jungen, die von den schlechten Beschäftigungsaussichten und der Hyperinflation frustriert sind (die jährliche Inflationsrate erreichte im Oktober einen Spitzenwert von 143 Prozent). Dennoch sind wir überzeugt, dass der Umfang der tatsächlich durchgeführten politischen Veränderungen viel geringer sein wird, als viele derzeit erwarten. In jedem Fall ist Argentinien unserer Ansicht nach derzeit als Markt nicht investierbar, auch wenn die Anleger die Entwicklungen mit großem Interesse verfolgen werden. Ein Blick über den Tellerrand zeigt, dass Javier Milei nicht das erste Staatsoberhaupt eines Schwellenlandes ist, das mit dem Versprechen einer neuen politischen und wirtschaftlichen Ära gewählt wurde. Aber wie wir in anderen Ländern immer wieder gesehen haben, wird die Realität der Umsetzung wahrscheinlich einige seiner glühendsten Anhänger enttäuschen. Auch wenn es an schlechten Nachrichten über Argentinien nicht gemangelt hat, so kann man doch sagen, dass sich vieles davon bereits in den Bewertungen niedergeschlagen hat.

Ein weiteres wichtiges Gesprächsthema für Schwellenländeranleger aller Couleur ist China. Jeder, der darüber nachdenkt, seine Allokation in Schwellenländeranleihen lokaler oder harter Währung zu erhöhen, möchte natürlich sicher sein, dass die Herausforderungen, denen sich China gegenübersieht, nicht zu einer ausgewachsenen Krise führen, die die Stimmung gegenüber Schwellenländeranlagen im weiteren Sinne beeinträchtigen würde. Niemand bestreitet, dass China enorme Probleme hat, einschließlich großer struktureller Herausforderungen und eines angeschlagenen Immobiliensektors. Aber kurz- oder sogar mittelfristig gesehen ist die Beziehung zwischen dem chinesischen Kreditwachstum und dem chinesischen BIP-Wachstum ungebrochen. Solange das Kreditwachstum anhält – und dabei kann es sich um ein Kreditwachstum handeln, das von der Zentralregierung vorangetrieben wird, oder um ein Kreditwachstum, das vom Privatsektor mit Unterstützung der Zentralregierung vorangetrieben wird -, bleibt die Wirtschaft in Gang.

Wenn die Kreditvergabe in China stark wächst, dann wird auch das BIP-Wachstum in China stark sein. Und im Moment ist das chinesische Kreditwachstum extrem stark. Mittelfristig wird befürchtet, dass Verluste bei der Kreditvergabe innerhalb Chinas eines Tages zu einem Zusammenbruch des Kreditvergabeprozesses führen könnten, so dass die Regierung die Kontrolle über die Kreditvergabe an das System verliert. Dies könnte unter Umständen ein Szenario sein und es stellt ein Risiko dar, das wir einkalkulieren müssen. Aber wir können sagen, dass dies derzeit nicht der Fall ist. Das chinesische Wachstum läuft gut, und solange dies der Fall ist, kann dies als positiver Hintergrund für andere aufstrebende Regionen dienen, insbesondere für Südamerika.

Insgesamt gehen wir davon aus, dass sich das Wachstum in den G10-Ländern weiter verlangsamen wird, dass der Druck auf den globalen Arbeitsmarkt nachlässt und dass sich die Inflationsaussichten verbessern werden. Speziell für die Schwellenländer erwarten wir, dass die anhaltende Abschwächung der Lebensmittelpreise den starken Rückgang der Inflation in den Schwellenländern fortsetzen wird. Und sollten die Voraussetzungen dafür gegeben sein, dass die US-Wirtschaft bis 2024 etwas von ihrem Glanz verglichen zu anderen Teilen der Welt verliert, dann dürften die Schwellenländeranleihen gut positioniert sein, um aus dem Schatten des US-Dollars herauszutreten.