Die Erwartung einer geldpolitischen Lockerung in der ersten Jahreshälfte 2024 wird stärker, betont Mark Dowding, CIO bei RBC BlueBay Asset Management. Er führt seine Ansichten im Kommentar näher aus.
Wir sind der Meinung, dass die Marktteilnehmer mit Blick auf zeitnahe Zinssenkungen zu optimistisch sind und damit Raum für Enttäuschungen besteht. Die US-Wirtschaftsdaten deuten in unseren Augen weiterhin auf ein relativ robustes Wachstum hin. Die schwächeren JOLTS-Daten (Job Openings and Labor Turnover Survey) zu den offenen Stellen könnten zwar für eine gewisse Verlangsamung der Konjunktur sprechen. Wir erwarten aber im Laufe des Tages dennoch einen recht ordentlichen US-Arbeitsmarktbericht.
Die Inflationsdaten haben sich in den vergangenen Monaten weltweit verbessert. In Europa bezeichnete Isabel Schnabel, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB), den Rückgang des deutschen Verbraucherpreisindex sogar als ‚bemerkenswert‘. Sie folgerte daraus, dass keine weiteren Zinserhöhungen erforderlich seien und das Inflationsziel von zwei Prozent in den kommenden zwölf Monaten nun erreichbar erscheine. Dies führte zu einer drastischen Korrektur der kurzfristigen Euro-Zinserwartungen.
Wir geben aber zu bedenken, dass der jüngste Inflationsrückgang auf den zweiten Blick weit weniger bemerkenswert ist. Die Teuerungsrate wurde von Basiseffekten nach unten gezogen. In den kommenden Monaten dürfte sie wieder steigen, da diese Faktoren aus den Berechnungen herausfallen. Unserer Ansicht nach sind Zinssenkungen erst in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres wahrscheinlich. Damit sind wir pessimistischer als die Terminmärkte: Diese erwarten eine Zinssenkung in der Eurozone bereits im März und in den USA im Mai 2024.
Wir sind der Meinung, dass die Begeisterung der Marktteilnehmer für zeitnahe Zinssenkungen übertrieben ist. Die finanziellen Bedingungen haben sich deutlich entspannt. Sofern wir nicht wesentlich schwächere Lohn- und Gehaltsdaten sowie US-Verbraucherpreise in der nächsten Woche sehen, gehen wir davon aus, dass der Offenmarktausschuss auf der kommenden US-Notenbanksitzung nicht viel an seinem Ton ändern wird. Auf der jüngsten Sitzung im September zeigten die Zinserwartungen der US-Währungshüter eine weitere Erhöhung Ende 2023 und eine Senkung um 50 Basispunkte im Jahr 2024 an. Auch wenn der Zinsschritt 2023 nun gestrichen wird: Wir gehen davon aus, dass sich am Ausblick ansonsten nicht viel ändern wird.
In Japan stiegen die Renditen Mitte der vergangenen Woche sprunghaft an, nachdem sie sich in letzter Zeit im Einklang mit den US-amerikanischen und europäischen Renditen auf einem Abwärtstrend befunden hatten. Die Kommentare der Bank of Japan (BoJ) scheinen darauf hinzudeuten, dass die Pläne zum Ausstieg aus der Negativzinspolitik beschleunigt werden. Wir haben immer wieder betont, dass es wenig zu gewinnen und viel zu verlieren gibt, wenn die BoJ zu weit hinter der Kurve zurückbleibt. Die sehr niedrigen Beliebtheitswerte von Premierminister Fumio Kishida sehen wir zum Teil in Verbindung mit einem schwachen Yen, der wiederum mit der ultralockeren Geldpolitik zusammenhängt.
Der Druck auf die BoJ hinsichtlich einer Kursänderung ist gestiegen. Die japanische Konjunktur ist aus unserer Sicht relativ gesund und die Inflation liegt nach wie vor deutlich über dem BoJ-Ziel von 2 Prozent. Wir rechnen zwar für das vierte Quartal dieses Jahres mit einem Rückgang der Inflationsdaten, gehen für das neue Jahr aber von weiterem Preisauftrieb aus. Ein Hinauszögern der geldpolitischen Wende später ins Jahr 2024 könnte außerdem problematisch werden, wenn sich die Geldpolitik in anderen Ländern in die entgegengesetzte Richtung bewegt.
Vor der Weihnachtspause gibt es in den kommenden zwei Wochen noch zahlreiche wichtige Wirtschaftsdaten zu beachten, ganz zu schweigen von den Notenbanksitzungen. Wir könnten daher einen ungewöhnlich geschäftigen Dezember erleben, bevor es wieder ruhiger wird und wir an das Festessen denken können. Wir haben in den vergangenen Monaten einige beträchtliche Marktbewegungen erlebt und rechnen bis Ende des Jahres nicht mit einem großen Rückgang der Volatilität.