Marktmeinungen sind oft irreführend, und das vergangene Jahr bildete da keine Ausnahme: Das US-Wachstum lag bei über 2,5 Prozent und damit deutlich über den für Anfang 2023 erwarteten 0,3 Prozent. Aufgrund der robusten Wirtschaftskraft der USA übertrafen auch risikoreiche Anlagen die Markterwartungen, wobei Aktien generell besser abschnitten als Anleihen, konstatiert François Rimeu, La Française AM Strategist.
Derzeit scheint der Markt übereinstimmend von einer weitgehend weichen Landung auszugehen, d. h. von einem positiven, aber unter dem Potenzial liegenden Wachstum in den Industrieländern. Die Inflation wird sich allmählich wieder dem von den Zentralbanken festgelegten Ziel nähern, was ihnen erlaubt, zügig einen Zinssenkungszyklus einzuleiten.
Dieser letzte Punkt bereitet uns sicherlich die größten Sorgen, insbesondere in den USA. Die rasche Disinflation im Jahr 2023 ist vor allem auf sehr starke negative Basiseffekte zurückzuführen, die sich 2024 nicht wiederholen dürften. Die einzige Ausnahme könnte ein weiterer Rückgang der Rohstoffpreise sein, ein Szenario, das wir angesichts der extrem negativen Haltung der Anleger gegenüber Rohöl für unwahrscheinlich halten. Ein Rückgang der Inflation 2024 – insbesondere der Kerninflation – könnte durch die anhaltenden Spannungen auf dem Arbeitsmarkt zusätzlich erschwert werden. Die Lohninflation ist nach wie vor hoch (dies gilt auch für Europa, zumindest in den südlichen Ländern), was zu einer Inflation in den Dienstleistungssektoren führt. Dies könnte die Markteinschätzungen hinsichtlich der Entwicklung der Leitzinsen der Fed etwas zu optimistisch erscheinen lassen.
Unserer Ansicht nach ist eine Abschwächung der US-Wirtschaft in absehbarer Zeit unwahrscheinlich. Der Arbeitsmarkt ist weiterhin in bester Verfassung, und die Kaufkraft der Haushalte hat zugenommen. Letztere verfügen nach wie vor über beträchtliche Ersparnisüberschüsse (Schätzungen werden ständig nach oben korrigiert) und haben historisch niedrige Kosten für die Schuldenbedienung. Ein fallender US-Dollar war in der Vergangenheit ein guter Indikator für die künftige Wirtschaftstätigkeit und scheint nun einen Aufschwung der Konjunkturindikatoren, insbesondere im verarbeitenden Gewerbe, zu signalisieren.
Allerdings dürfen wir die Verzögerungseffekte der restriktiven Geldpolitik nicht außer Acht lassen, die sich 2024 negativ auf den Zyklus auswirken dürften. Bislang scheint alles „unter Kontrolle“ zu sein, aber das könnte sich schnell ändern, wie uns die Krise der US-Regionalbanken im März 2023 vor Augen führte.
Die Lage in der Eurozone sieht recht stabil aus. Die Region verzeichnet ein sehr schwaches Wachstum, und die Frühindikatoren deuten darauf hin, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Der Arbeitsmarkt, der bis vor kurzem noch recht lebhaft war, scheint sich in Frankreich und Deutschland in den letzten Monaten verschlechtert zu haben. Dies dürfte dazu beitragen, dass sich der Disinflationstrend fortsetzt. Allerdings könnte das Auslaufen der verschiedenen Maßnahmen zur Verringerung der Folgen des Energiepreisanstiegs auch dazu führen, dass die Disinflation weniger einfach zu bewältigen ist als erwartet.
In China gibt es nur wenige Anzeichen für einer Konjunkturbeschleunigung. Die jüngsten Maßnahmen der Regierung zur Stützung des Immobilienmarktes sind ein Schritt in die richtige Richtung, aber sie reichen nicht aus, um das Vertrauen der chinesischen Verbraucher und Investoren wiederherzustellen. Die jüngsten Zahlen zu Krediten bestätigen, dass sich die chinesische Wirtschaft zwar nicht weiter verschlechtert, aber auch keinen deutlichen Aufschwung erfährt.