Jan Viebig, Chief Investment Officer der ODDO BHF SE, betrachtet in seinem aktuellen CIO View die anstehende Berichtssaison vor dem Hintergrund der Megatrends Technologie und Gesundheit.
Die Unternehmen in den USA und in Europa legen in den kommenden Wochen Zahlen über ihren Geschäftsverlauf im ersten Quartal 2024 vor. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass die Unsicherheit über die weitere Geldpolitik der Fed zugenommen hat. Die Inflationsrate ist in den USA im Februar und März gestiegen, wenn auch nur geringfügig. Damit ist auch die Gewissheit gewichen, dass die Fed die Zinsen bald in raschen Schritten senken wird. Die Zinssenkungen könnten später erfolgen und nicht so stark ausfallen wie vor einigen Monaten erwartet.
Das Urteil der Investoren über die laufende Berichtssaison wird unserer Einschätzung nach stark von den großen Tech-Unternehmen abhängen. Neben den reinen Geschäftszahlen wird für die Anleger zunehmend eine Rolle spielen, wie rasch diese Unternehmen Künstliche Intelligenz (KI) in ihr Geschäftsmodell einbauen. Viele Tech-Konzerne stehen bei der Nutzbarmachung von KI häufig am Anfang ihrer Entwicklung.
Nehmen wir Microsoft: Das Unternehmen steht für eine breite Vielfalt an digitalen Aktivitäten. Insgesamt erreicht Microsoft mit diesen Geschäftsfeldern eine Marktkapitalisierung von mehr als drei Billionen Dollar. Doch der Beitrag von KI zum Umsatz oder gar zum Gewinn von Microsoft ist bisher minimal. Frühestens gegen Ende des Jahres dürften erste finanzielle Ergebnisse der KI- Aktivitäten bei Microsoft sichtbar werden. Die große Frage aus Anlegersicht wird sein, wie sehr der Markt bei den Tech-Unternehmen schon die Entwicklung von KI in den Aktienkursen berücksichtigt, hat. Digitalisierung und KI sind aus unserer Sicht Megatrends, die das Geschehen an den Börsen in den kommenden Jahren prägen werden.
Ein zweiter Bereich ist Gesundheit. Das liegt zum einen daran, dass eine alternde Bevölkerung höhere Gesundheitsausgaben erfordert. Zum anderen werden mit dem Wachstum der Mittelschicht auf der Welt typische Wohlstandskrankheiten zunehmen. Davon profitiert aktuell besonders das dänische Pharma-Unternehmen Novo Nordisk. Dass sich Fettleibigkeit, vor allem die chronische Adipositas, mit einer Spritze therapieren lässt, hat eine wahre Euphorie an den Finanzmärkten ausgelöst.
Der US-Pharmakonzern Eli Lilly hat bereits das Antidiabetikum Mounjaro im Angebot. Es ist derzeit offen, welches der angebotenen Medikamente zu einer besonders effektiven Gewichtsabnahme ohne Nebenwirkungen führen und sich langfristig am Markt durchsetzen wird.
Allerdings sind aktuell die geopolitischen Risiken, die auf der Welt lasten, schwer einzuschätzen. Mit den iranischen Raketenangriffen auf Israel ist eine neue Eskalationsstufe im Nahostkonflikt erreicht worden. Die weitere Entwicklung hängt von so vielen Unwägbarkeiten ab, dass sämtliche Einschätzungen der politischen Analysten zwangsläufig eine große Unschärfe aufweisen. Deshalb bleiben wir im Aktienbereich derzeit bei einer neutralen Gewichtung. Sollten die geopolitischen Spannungen zu einer Korrektur an den Finanzmärkten führen, würden wir unser Aktiengewicht weiter erhöhen, da wir viele Unternehmen finden, die langfristig interessante Wachstumsperspektiven bieten.