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Wie geht es Chinas Immo-Sektor?

Juni 2024
Chi Lo, Senior Market Strategist, Asia Pacific, BNP Paribas Asset Management, liefert eine aktuelle Analyse.
BNP Paribas AM
Chi Lo, BNP Paribas AM

Chinas Politbüro hat weitere Konjunkturimpulse signalisiert und seine Pläne für Strukturreformen bekräftigt – das hat die Marktstimmung in Bezug auf China deutlich gehoben. Peking hat zugesagt, die Wirtschaft und jetzt auch den angeschlagenen Immobilienmarkt stärker unterstützen zu wollen. Das ließ die chinesischen Aktien gegenüber dem Tiefstand vom Februar um fast 20 Prozent steigen. Damit sich dieser Trend fortsetzen kann, braucht es jedoch weitere Lockerungen bei der Geld- und Steuerpolitik. Chi Lo, Senior Market Strategist, Asia Pacific, BNP Paribas Asset Management, liefert eine aktuelle Analyse.

Im Rahmen der angekündigten Konjunkturmaßnahmen erhöht die People’s Bank of China seit Ende 2023 die Nettoliquiditätszuschüsse in die Wirtschaft (siehe Abbildung im Anhang). Peking geht nun aufs Ganze und hat auf der jüngsten Sitzung des Politbüros Anfang Mai einen Politikwechsel zur Rettung des verschuldeten Immobiliensektors angekündigt. Dazu will sie überschüssige Wohnimmobilien übernehmen, die Nachfrage nach höherwertigen Wohnungen decken sowie die Kosten senken, die mit diesen Maßnahmen einhergehen. Richtig umgesetzt, könnte das der Wendepunkt für das Wirtschaftswachstum und die Aussichten auf den Wertpapiermärkten ein.

Die Einzelheiten stehen zwar noch aus, aber frühere Erklärungen deuten hauptsächlich auf zwei Schritte hin. Zum einen sollen unvollendete Projekte sozialisiert werden, indem sie den Bauträgern abgekauft und in Sozialwohnungen umgewandelt werden. Dies übernimmt entweder Peking selbst oder die jeweiligen lokalen Behörden. Diese erhalten dann die dafür nötigen finanziellen Mittel. Dieser Schritt würde dazu beitragen, Bestände auf dem privaten Wohnungsmarkt abzubauen und das Angebot an Sozialwohnungen zu erhöhen – und das zu niedrigeren Kosten als für private Bauträger, denn die Finanzierungskosten sind für die Regierung niedriger.

Der zweite Schritt könnte darin bestehen, Objekte auf dem Sekundärmarkt in Mietwohnungen umzuwandeln. Immobilien von Besitzern, die sich etwas Größeres wünschen, ihre alte Immobilie jedoch nicht verkaufen können, landen auf dem Sekundärmarkt. Kommunalverwaltungen sollen sie dort aufkaufen, jedoch unter der Bedingung, dass die Verkäufer ihre Erlöse für den Kauf größerer Objekte verwenden. In den Städten Suzhou, Taicang und Zhenzhou experimentieren lokale Behörden bereits mit diesem Ansatz. Die Kommunalverwaltungen könnten diese Bestände in Mietwohnungen umwandeln, indem sie eine kostengünstige Finanzierung durch die Zentralbank oder die Zentralregierung in Anspruch nehmen. So werden Wohnungen von Hauseigentümern, für die die Finanzierungskosten zu hoch sind, auf den Staat übertragen, denn für diesen sind die Kosten niedriger. Der Markt wird stabilisiert, indem der Preisdruck auf die aktuellen Eigentümer gemildert und das Angebot an Sozialwohnungen zu geringeren Kosten erhöht wird.

INVESTOREN WIEDER OPTIMISTISCH

Die Maßnahmen der chinesischen Regierung sollen eine direkte Lösung für die Probleme des chinesischen Immobilienmarktes sein und werden, wenn auch langsam, viel dazu beitragen, die Liquidität der Bauträger zu erhöhen, das Vertrauen der Öffentlichkeit zu stärken, die Erschwinglichkeit von Wohnraum zu verbessern und soziale Missstände zu beseitigen. Entsprechend hat die Ankündigung der Maßnahmen dazu geführt, dass sich Anleger wieder für den chinesischen Aktienmarkt erwärmen – allerdings betrachten ihn viele als eine taktische Chance. Unter einigen Investoren herrscht sogar in Bezug auf den Immobiliensektor Optimismus: Sie haben chinesische Aktien übergewichtet und setzen für den Kurs des MSCI China-Index ein Kursziel von 10 Prozent – selbst nach der jüngsten Rallye.

Die Ankündigung des Politbüros erwähnte keinerlei Unterstützungsmaßnahmen für den Privatsektor und das konsumgetriebene Wachstum. Deswegen gehen wir davon aus, dass die Rettung des Immobilienmarktes die zentrale Maßnahme ist, um das schwindende öffentliche Vertrauen wiederherzustellen und damit die Verbraucherausgaben zu fördern. Um die Wirkung des Rettungspakets zu verbessern, sollte Peking unserer Meinung nach die Geld- und Finanzpolitik allerdings noch weiter lockern.

Denn der Weg ist noch weit. Wie sich das mangelnde Verbrauchervertrauen auf die Ausgaben auswirkt, zeigen beispielsweise die Daten der diesjährigen Maifeiertage vom 1. bis 5. Mai: Obwohl die Zahl der Inlandsreisen um 28 Prozent und die Gesamtausgaben für Reisen um 13 Prozent im Vergleich zu den Zahlen vor Covid gestiegen sind, sanken die durchschnittlichen Ausgaben jeder individuellen Reise um 11 Prozent. Gleichzeitig sorgen unvollendete Projekte nach wie vor für Besorgnis auf dem Immobilienmarkt, denn sie spiegeln die finanziellen Probleme wider, mit denen viele Bauträger zu kämpfen haben. Dies ist eine große Hürde für den Wiederaufschwung. Zudem haben Privatinvestoren aufgrund der schlechten Marktlage das Vertrauen verloren und verringern ihre Investitionen.

Pekings Politikwechsel zur Rettung des Immobiliensektors könnte nun ein Schritt in die richtige Richtung sein. Zusammen mit einer weiteren Lockerung der Wirtschaftspolitik dürfte das Paket dazu beitragen, das Einkommenswachstum zu steigern, Wohnraum erschwinglicher zu machen, die Immobilientransaktionen zu verbessern und generell die Erwartungen an Wirtschaft und Vermögensmärkte aufzuhellen. Durch die Lockerungsmaßnahmen als auch den Wechsel in ihrer Politik bestätigt die Regierung die Versprechen, die sie Ende 2023 gegeben hatte. Wenn China den Worten nun Taten folgen lässt, haben die Wirtschaft und die Märkte eine gute Chance, sich in den kommenden Monaten zu erholen.