Der ärgste Feind des Kapitalerhalts ist die Inflation. Anlageergebnisse müssen im langjährigen Mittel die Inflation über den entsprechenden Zeitraum übertreffen, damit Kaufkraft erhalten bleibt, konstatiert Bernhard Matthes, Bereichsleiter BKC Asset Management. Zur Ermittlung der auszugleichenden Inflationswerte genügt es allerdings nicht, auf klassische Verbraucherpreisindizes zu blicken, die von den Statistikbehörden veröffentlicht werden. Die Grenzen und Mängel der Inflationsmessung und Datenerhebung sind vielfältig. Die Warenkörbe der Statistikämter können keinen Anspruch auf volle Repräsentativität erheben, sie unterliegen willkürlichen Veränderungen der Gewichtungen einzelner Warengruppen und bedienen sich durchaus fragwürdiger methodischer Instrumentarien („Hedonische Preismethode“, Preisanpassungen für „Qualitätsverbesserungen“, usw.), die den Verdacht nähren, dass die Inflationsergebnisse politisch motiviert „nach unten gerechnet“ werden sollen.
Auch Effekte der „Shrinkflation“ und von Qualitätsverschlechterungen, gerade bei Dienstleistungen, werden nicht oder unzureichend erfasst. Ebenfalls findet die Teuerung in öffentlichen und administrativen Preisen und Abgaben (Grundsteuer, Kitagebühren, Parkgebühren, Müllabfuhr und Straßenreinigung) nur unzureichend Berücksichtigung. All diese Effekte könnte man noch als methodische Spitzfindigkeiten abtun, ökonomisch wesentlich schwerer lastet aber die Nichtberücksichtigung von Wohnkosten und von Vermögenspreisen in der Ermittlung der europäischen Verbraucherpreise. Steigende Preise für Grundstücke, Wohnungen, Häuser und andere Anlagen entziehen jedoch genauso Kaufkraft wie höhere Butterpreise und sind in einer realen Gesamtbilanz daher hochgradig relevant.
Die über Jahre des Niedrig- und Negativzins-Vandalismus der Notenbanken aufgestaute „Schatteninflation“ (hohe Preissteigerungen bei Vermögenswerten bei zugleich noch niedriger Verbraucherpreisinflation“) hat viele Privatbilanzen real beeinträchtigt, gerade unter Berücksichtigung geringer Reallohnentwicklungen. Diese Schatteninflation führt zeitversetzt zu realwirtschaftlichen Preissteigerungen, etwa über höhere Mieten als Ergebnis zuvor gestiegener Grundstücks-, Immobilien- und Baupreise.
RELEVANTE TEUERUNGSSCHWELLE
Als für Anleger ganzheitlich relevante Teuerungsschwelle sehen wir daher die Verbraucherpreise als unzureichend. Die Messung des ökonomischen Kaufkraftverlusts bemisst sich vielmehr an der vorsätzlich betriebenen Ausweitung der Geldmengen durch die Notenbanken. Das Ausmaß der Zerstörung von Kaufkraft einer Währung ist dabei direkt abhängig vom Ausmaß der Ausweitung des Geldangebots.
Seit Euroeinführung im Jahr 1999 bis Ende 2024 lag die offiziell ausgewiesene Verbraucherpreisinflation in der Eurozone bei moderaten 2,1 Prozent p.a. Der tatsächliche Kaufkraftentzug durch die Geldmengenausweitung lag aber weit höher, denn das Geldmengenaggregat M2 der EZB weitete sich im gleichen Zeitraum um 5,5 Prozent p.a. aus. Zwischen diesen beiden Werten liegt auch die ökonomische Werterhaltungsschwelle, die Anleger nach Kosten übertreffen müssen, um ihr Kapital real zu erhalten. Legt man dem Vorsichtsprinzip folgend den oberen Wert, eben jene 5,5 Prozent Geldmengenausweitung der EZB, als Wertgrenze an, ist die ernüchternde Erkenntnis zu protokollieren, dass nur wenige Anlageklassen und Anlageinstrumente in der Lage sind, den Kaufkraftverlust zuverlässig auszugleichen.
KAPITALERHALT IM FOKUS
Mit Anleihen ist es kaum möglich, über längere Zeiträume hinweg den ökonomischen Kapitalerhalt zu erreichen. Im betrachteten Zeitraum seit Euroeinführung (1999-2024) gelang es lediglich mit Schwellenländeranleihen und knapp mit Hochzinsanleihen, die nötigen realen Gesamterträge zu erzielen.
Reines Zinsrisiko – wie in Bundesanleihen oder in Tages- und Festgeldern – ist sehr weit entfernt davon, den für den Kapitalerhalt nötigen Ertrag zu erwirtschaften. Die vermeintlich sichere Anlage kann zwar nominal nicht ausfallen, doch ökonomisch betrachtet ist sie für langfristige Anleger am wenigsten geeignet, das Anlageziel des Werterhalts sicher bedienen zu können. Wer im Rentensegment anlegt, muss die Bereitschaft zur Risikoübernahme von Kredit- und/oder Währungsrisiken mitbringen, um in die Nähe der erforderlichen Mindestrenditen gelangen zu können.
Leichter fällt der Kapitalerhalt mit Aktien. Im Betrachtungszeitraum übertreffen weltweite Aktienanlagen, US-Dividendenpapiere und auch Schwellenländer die Mindestschwelle von 5,5 Prozent komfortabel. Deutsche Aktien erreichen den Wert knapp nicht. Hier bestätigt sich das Gebot, Aktienanlagen möglichst breit und global diversifiziert zu wählen, ohne sich in Abhängigkeiten vermeintlich „besser bekannter“ heimatnaher Anlagen zu begeben. Aktien sind für am Kapitalerhalt interessierte Langfristanleger zweifelsfrei einer der besten Wege, an Wertschöpfung teilzuhaben und zugleich gegenüber schwankungsärmeren Anlageklassen eine überlegene Risikokompensation zu erzielen. Aktien verfügen – grob generalisiert – über einen „eingebauten“ Inflationsschutz, weil sie Preissteigerungen weiterreichen können und Gewinne langfristig nominal steigen.
ALTERNATIVE ANLAGEN
Mit Blick auf den Bereich der alternativen Anlagen ist bemerkenswert, dass es Euro-Anlegern zwischen 1999 und 2024 weder mit Rohstoffen noch mit den gerade in Deutschland als Inflationsschutz hoch geschätzten Immobilien gelingt, Kapital real zu erhalten. Immobilienerträge leiden unter fortlaufend erforderlichen Instandhaltungsaufwendungen und speziell in einigen europäischen Jurisdiktionen unter politischen Eingriffen in Eigentumsrechte (z. B. „Mietpreisbremsen“)
Rohstoffe können taktisch und zeitweilig während Hochinflationsphasen ein Portfolio gegen Inflationsschübe verteidigen, scheinen aber nicht dauerhaft geeignet, um als Buy-and-Hold Positionen mit ihrer typischerweise sehr hohen Volatilität und Zyklizität zum realen Werterhalt beitragen zu können.
Das herausstechend überlegene Anlageinstrument seit Euroeinführung ist zweifelsfrei Gold. Mit einer Rendite von 9,2 Prozent p.a. übertrifft das Edelmetall den Gesamtertrag sämtlicher anderer Anlageklassen und auch Aktienindizes und ist dabei frei von den anderen Anlageformen typischen Risiken wie Zinsänderungsrisiko, Bonitätsrisiko, Gegenparteirisiko oder Konjunkturrisiko. Gold gleicht im Dollar und im Euro die Kaufkraftverwässerung mehr als zuverlässig aus. Anders als Geld und Staatsschulden lässt sich Gold nicht drucken und hat mit mehr als 2.000 Jahren akkumuliertem Vertrauenskapital auch Extremrisiken wie Kriege, Hungersnöte, Staatsbankrotte, Währungsreformen und Depression überdauert, die für Anleger in anderen Anlageklassen existenzielle Bedrohungen darstellen können. Wie kein anderes Anlageinstrument schützt Gold Eigentumsrechte und ermöglicht die finanzielle Selbstverteidigung gegen Kaufkraftbeschädigung und Finanzrepression.
Gelegentlich wird der reale Kapitalerhalt über einen vollständigen Investmentzyklus hinweg als unambitioniert angesehen. Die Erträge über das letzte Vierteljahrhundert hinweg verdeutlichen aber, dass der Kapitalerhalt für ein Anlageportfolio ein durchaus schwieriges Unterfangen und oftmals sicherlich das Maximum des realistisch Erreichbaren ist. Selbst wenn die hier erfolgte Betrachtung liquider Anlagen auf unternehmerisches Kapital, Beteiligungen, land- und forstwirtschaftliche Flächen usw. erweitert würde, verblieben genügend Risiken (bzw. würden neue Risiken hinzutreten), die den realen Kapitalerhalt für ein Gesamtvermögen zu einem herausfordernden Unterfangen machen.