Für den neu gewählten US-Präsidenten Joe Biden ist der Start in das Amt denkbar schwierig. Er plant eine mächtige Kehrtwende bei zahlreichen Maßnahmen seines Vorgängers Donald Trump. Dazu zählt allen voran die Förderung der Umweltpolitik. Biden möchte beispielsweise öffentliche Investitionen in Höhe von 400 Milliarden US-Dollar in energie- und klimabezogene Forschung und Entwicklung tätigen. Denn die USA liegen in diesem Bereich weit hinter Europa und China laut einer Studie von JP Morgan Asset Management. Welche Bedeutung hat die Präsidentschaft von Joe Biden für die globale Klima-Agenda? Zur JP Morgan-Studie gehts hier:
Auch der Wiedereintritt der USA in das Pariser Klimaabkommen hat oberste Priorität. Das Abkommen wurde Ende 2015 von rund 200 Staaten unterzeichnet, mit dem Ziel, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Ebenso im Fokus steht die Erneuerung der Infrastruktur. Wie dringend solche Maßnahmen notwendig sind, hat zuletzt der schwere Wintereinbruch im US-Bundesstaat Texas gezeigt, dem die Wasser- und Gasleitungen nicht stand hielten. Auch den Kampf gegen die Corona-Pandemie und überhaupt die Reformen im Gesundheitssystem hat Biden genauso auf seine Prioritätenliste gesetzt, wie die Ankurbelung des Konsums.
Schon Ex-Präsident Donald Trump hatte kurz vor Amtsende ein erstes 900-Milliarden-Dollarpaket verabschiedet, um den krisengebeutelten Privathaushalten unter die Arme zu greifen. Immerhin macht der Privatkonsum rund 70 Prozent des US-Bruttoinlandsproduktes (BIP) aus. Marco Schneider, Portfoliomanager des UniNordamerika, findet, schon Trumps Paket habe damals das Rezessionsrisiko für die US-Wirtschaft deutlich gesenkt. Weitere Maßnahmen stehen bereits im Fokus: Allein der US-Senat gab am 6. März grünes Licht für das von Biden vorgeschlagene Fiskalpaket in Höhe von 1,9 Billionen US-Dollar, was immerhin fast zehn Prozent der US-Wirtschaftsleistung entspricht. Schneider erwartet sich davon jedenfalls positive Effekte. Ebenso zuversichtlich zeigt man sich anderswo für den weiteren Konjunkturverlauf. Bei Goldman Sachs wurden die Prognosen binnen kürzester Zeit gleich zweimal für das laufende Jahr angehoben. Zuletzt wurde das Wirtschaftswachstum auf 6,8 Prozent geschätzt – bei durchwegs positivem Aufwärtstrend (siehe Schaubild rechts).
US-massnahmen sollten zusätzlich stimulieren
Angesichts solch positiver Konjunkturaussichten wird auch den US-amerikanischen Börsen noch jede Menge Potential eingeräumt. „Die angekündigten Stimulus-Instrumente sollten nach Bestätigung durch den Kongress für eine Unterstützung der Märkte sorgen“, betont Symon H. Godl, Geschäftsführer Deutsche Finance Asset Management GmbH. Und das, obwohl sie schon bislang zügig zulegten. Breite Indizes wie der Dow Jones Index, der Technologieindex Nasdaq sowie der S&P 500 erreichten zuletzt neue Rekordhochstände.
Werden weitere Kursgewinne damit künftig teuer erkauft? Daniel Hartmann, Chefvolkswirt des Asset Managers Bantleon, meint, US-Aktien seien mit einem KGV von rund 23 auf Basis der erwarteten Gewinne der Unternehmen im S&P 500 im historischen Vergleich zwar hoch bewertet. „Das gilt allerdings nur in absoluter Betrachtung. Relativ zu Anleihen sind Aktien noch immer attraktiv.“ Er meint, während die Gewinnrendite (der Kehrwert des KGV) von Aktien bei gut vier Prozent liege, werfen die Renditen zehnjähriger US-Treasuries noch immer kaum mehr als ein Prozent ab. Noch prekärer war dieser Umstand im vergangenen Sommer, als die Renditen auf rund 0,6 Prozent sanken (siehe Grafik auf Seite 11 unten).
Einzig, mit der Hoffnung auf den Konjunkturaufschwung nehmen die Inflationssorgen ebenso zu. Für Anleihen ist solch ein Umfeld denkbar schlecht. Die Papiere werden dann verkauft, um den Wertverlust durch eine steigende Teuerungsrate zu begrenzen, die Renditen steigen aufgrund der sinkenden Kurse in Folge an. Allerdings dürfte sich der Anstieg in Grenzen halten, solange die US-Notenbank weiterhin in großem Stil Anleihen kauft. Immerhin hat die FED vorigen Sommer klargestellt, dass sie ein zwischenzeitliches Überschießen der Inflationszielmarke von zwei Prozent toleriert, und darauf nicht gleich mit einem Drosseln der Anleihekäufe oder einer Zinsanhebung reagieren würde. Das ist eine weitere wichtige Stütze für die US-Aktienmärkte. Denn würden die Renditen allzu weit nach oben klettern, könnten zahlreiche Anleger sich überlegen, lieber wieder von Aktien in Anleihen umzuschichten.
Doch wie drastisch könnte die Teuerungsrate letztendlich ansteigen? Laut Goldman Sachs wird die Kerninflationsrate für das Gesamtjahr zwar über der Marke von zwei Prozent verharren, danach aber wieder sinken. Hartmann von Bantleon meint zudem: „Die Finanzmärkte nehmen den Beginn einer wirtschaftlichen Erholung vorweg und rechnen mit steigenden Leitzinsen – allerdings erst in der fernen Zukunft.“
Höhere Gewinne bei Unternehmen erwartet
Auch die Prognosen für die Unternehmensgewinne stimmen durchwegs zuversichtlich. Laut Credit Suisse dürfte das prognostizierte Wachstum beim Gewinn je Aktie in den USA dieses Jahr mit rund 23 Prozent zwar leicht unter dem internationalen Schnitt liegen. Beim MSCI World Index liegt es bei 27 Prozent, beim MSCI EMU (European Monetary Union) erreichen die Prognosen die 40-Prozent-Marke (siehe Schaubild rechts).
Allerdings fiel im Vorjahr der Gewinneinbruch der Unternehmen in letzteren zwei Regionen deutlich kräftiger aus als jenseits des Atlantiks. Der erwartete Aufschwung bei den Unternehmensgewinnen in den USA startet damit von einem weitaus höherem Niveau.
Angesichts der ambitionierten Pläne Bidens wird es allerdings Gewinner und Verlierer unter der neu ausgerichteten Wirtschaftspolitik geben. „Unternehmen aus der Wind- und Solarenergie-branche sowie aus dem Elektromobilitätssektor sollten von der geplanten Förderung von regenerativen Energiequellen und Infrastruktur profitieren“, meint Schneider von der Union Investment. Das Spektrum reiche von Herstellern von Windturbinen und Ladestationen bis hin zu Versorgern, die regenerativen Strom erzeugen.
Außerdem kommt das Investitionsprogramm Unternehmen zugute, die rund um die Bereitstellung und den Bau klassischer Infrastruktur tätig sind, betont Schneider. „Auch die Autobauer können profitieren, wenn sie – wie von vielen Herstellern bereits angekündigt – ihre Produktpalette auf E-Mobilität umstellen. Das Konjunkturpaket nützt also ganz verschiedenen Sektoren.“ Chancen sieht Godl von der Deutsche Finance Asset Management GmbH auch selektiv bei US-Immobilieninvestments. Er verweist in diesem Zusammenhang auf die leicht anziehende Inflation: „Das wird zu einer weiteren Umschichtung von Vermögenswerten in Sachwerte sorgen.“
Und die Verlierer? Zu ihnen dürften die „klassischen“ Energieproduzenten zählen, meint Hartmann von Bantleon. Zumindest jene, die den Wandel zu erneuerbaren Energien nicht wahrnehmen. Und während der Bankensektor aufgrund der Konjunkturhoffnungen von den steigenden Renditen profitiert – Banken erzielen dann eine höhere Zinsspanne – werden einige der Institute aber zunehmend von FinTechs unter Druck gesetzt. Und wie sieht es mit den großen Hightechfirmen, aus? Sie zählen bislang schließlich zu den Pandemiegewinnern. Doch ihre Marktdominanz hat die Wettbewerbshüter in den USA zuletzt auf den Plan gerufen. Es bleibt abzuwarten, wie ernst es ihnen mit der Aufspaltung solcher Konzerne ist.
Technologie weiterhin hoch gewichtet
Angesichts all der Entwicklungen bleibt die Frage, wo die Fondsexperten Chancen in Zeiten des neuen Wirtschaftsaufbruchs sehen. Zu den Top-Performern in der Morningstar-Kategorie US-Aktien „Blend“, bei der Chancen mit Wachstums- und Substanzwerten genutzt werden, kann sich langfristig etwa der AXA Rosenberg US Enhanced Index Equity Alpha Fund behaupten (siehe Tabelle unten).
Darin entfällt die größte Sektorgewichtung – wie im übrigen auch bei den Mitwerbern – auf die Technologiebranche. Das spiegelt freilich zu einem guten Stück die Sektorgewichtung in den zugrundeliegenden Benchmarks wider, wobei die Fondsmanager dennoch ein wenig davon abweichen, je nach Einschätzung. Im AXA-Rosenberg-Fonds betrug die Technologie-Gewichtung zuletzt fast 30 Prozent. Der Sektor habe durch die Pandemie reichlich Rückenwind erhalten, blickt Alexander Harper, Client Portfolio Manager, AXA Investment Managers, auf die jüngsten Geschehnisse zurück. Viele Trends, wie etwa die Digitalisierung, wurden von der Krise beschleunigt. „Zahlreiche Technologiekonzerne konnten ihre Gewinne deshalb steigern, vor allem jene in der Softwarebranche. Sie profitieren etwa vom wachsenden Trend zum Home-Office“, sagt Harper.
Harper mahnt aber, die Sektoraktien alle in einen Topf zu werfen, und präzisiert: Bei Apple und Microsoft lege das Fondsmanagement den Fokus auf die Qualität der Unternehmensgewinne sowie das allgemeine Marktsentiment für diese Aktien. Dieser Ansatz wird aber nicht bei allen Tech-Aktien angewendet. Weil zum Beispiel der Netzwerkausrüster Cisco ein bescheideneres Gewinnwachstum aufweise, „liegt hier der Fokus des Fondsmanagements vor allem auf den Bewertungen der Aktie.“ Harper verweist zudem auf die Wandlung im gesamten Technologiesektor: „Viele Firmen sind inzwischen etabliert und stehen auf soliden Beinen. Damit schwanken auch deren Aktienkurse weit weniger.“
Der Fonds profitierte zuletzt auch von einer Übergewichtung im Vergleich zur Benchmark (S&P 500) in der Automobil- sowie der Finanzbranche abseits des Banksektors. Dazu zählt beispielsweise der US-Vermögensverwalter Invesco. Für Harper liegen die Gründe für die positive Wertentwicklung auf der Hand: Mit dem schrittweisen Ende der harten Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung geben private Haushalte wieder mehr Geld aus oder investieren es eben. Davon sollten im übrigen weitere Sektoren profitieren, wie die Freizeitbranche, meint Harper.
Und wie sieht es bei den Mitwerbern aus? Im UniNordamerika ist allein die Technologiegewichtung noch ein Stück weit höher und liegt bei knapp mehr als 30 Prozent. Auffällig ist aber auch, dass in diesem Fonds der Bereich des Nichtbasis-Konsums eine etwas höhere Gewichtung als jener der Gesundheit einnimmt, der zum Beispiel mit Johnson&Johnson abgedeckt wird. Damit weicht das Produkt von seinen Mitwerbern ein weiteres Stück ab, auch wenn diese Aufstellung rein das Ergebnis eines selektiven Stockpickings sei, betont Portfoliomanager Schneider: „Wir gehen keine Sektorwetten ein.“
Doch auch im Bereich des Basiskonsums werden Chancen genutzt. Allein zu den zehn größten Fondspositionen zählen die Aktien der Hain Celestial Group. Der Konzern ist auf biologische Lebensmittel spezialisiert. Union-Investment-Experte Schneider sagt, der jetzige Vorstandschef sei erst seit 2018 im Amt „und hat nach rund einem Jahr begonnen, das Portfolio stringenter aufzustellen“. Die jüngsten Unternehmenszahlen deuten jedenfalls auf einen erfolgreichen Wandel des Konzerns hin. Freilich, auch dass der Markt für biologische Lebensmittel wächst, kommt Hain Celestial zugute, zumal der Konzern einer der wenigen Pure Player ist.
Und welche Rolle spielt die Energiewende? Der UniNordamerika hat auch eine große Position in NextEra Energy, ebenso wie der JP Morgan Investment Funds – US Select Equity Fund. Das Unternehmen erzeugt und verteilt Strom in Nordamerika und ist mittels seiner Tochtergesellschaft NextEra Energy Resources einer der weltweit größten Produzenten erneuerbarer Energien.
Steven Lee, Co-Fondsmanager des JP-Morgan-Investmentfonds, verweist auf den positiven Ausblick, den das Unternehmen auf die kommenden Jahre veröffentlichte. „Die Gewinnerwartungen sind dabei stark“, konstatiert Lee und sagt: „Wir glauben, dass insbesondere in diesem Bereich das Wachstums- und Gewinnpotenzial überdurchschnittlich hoch ist, wenn in den kommenden Jahren sowohl von Unternehmensseite, als auch von der Politik, erneuerbare Energien zunehmend in den Fokus rücken.“
Rückenwind für US-Banken
Lee hat aber auch ein besonderes Auge auf große US-Banken geworfen, etwa auf Truist. Zu dem US-Bankkonzern gehören auch ein Brokergeschäft sowie eine Vermögensverwaltung. Dabei dürften die Banken nicht nur von der Konjunkturerholung profitieren, meint Lee. Ihm gefällt auch die Tatsache, dass die FED den Banken seit Jahresbeginn 2021 den Rückkauf eigener Aktien wieder erlaubt. Solche Transaktionen stützen in der Regel den Aktienkurs.
Javier Rodriguez-Alarcón, Head of Quantitative Investment Strategies EMEA Asia ex-Japan bei Goldman Sachs Asset Management, verweist auf weitere Entwicklungen, auf die das Goldman Sachs US Core Equity Portfolio eingeht. Er bezieht sich auf den steigenden Druck unter Bidens Regierung bei Arzneimittelpreisen. Solch eine Entwicklung eröffne neue Chancen im Bereich der privaten Gesundheitseinrichtungen, meint Rodriguez-Alarcón. Denn bei günstigeren Medikamentenpreisen können Arzneien einer breiteren Masse in solchen Einrichtungen zugänglich gemacht werden. Zugleich würden billigere Preise aber die Gewinnspanne etwa jener Unternehmen belasten, die im Vertrieb von Arzneimitteln tätig sind. Solche Aktie wurden deshalb im Portfolio untergewichtet. Insgesamt nimmt der Gesundheitssektor mit 16 Prozent die zweitgrößte Gewichtung im Fonds ein. Sie ist damit höher als in der Benchmark, dem S&P 500. Darin ist der Gesundheitssektor mit 13,5 Prozent gewichtet.
Beim T. Rowe Price Funds SICAV – US Equity Fund gehen die Experten ein Stück weit ebenso ihren eigenen Weg. Das führte allerdings auch dazu, dass der Fonds auf kurze Sicht den Mitwerbern ein gutes Stück hinter herhinkt, während er langfristig zu den Top-Performern zählt. Eric Papesh, Portfolio Specialist der U.S. Equity Division bei T. Rowe Price, verweist in diesem Zusammenhang auf den höheren Fokus auf Qualitätsaktien, die in der Regel eben weniger starke Kurssprünge verzeichnen – sowohl nach unten als auch nach oben. Zu den größten Positionen zählen nebst Tech-Konzernen etwa PepsiCo, Eli Lilly und Bank of America.
Risiken im Auge behalten
Papesh mahnt aber bei all dem Optimismus im Hinblick auf die Konjunkturwende die Risiken nicht zu übersehen. Er zählt dazu etwa den US-Handelskonflikt mit China, der wieder anschwellen könnte. Schließlich werde auch Biden Themen wie etwa den Schutz geistigen Eigentums aufs Tapet bringen müssen. Seine Haltung werde daher ebenso hart sein, sein Tonfall allerdings gemäßigter, meint Papesh. Das könnte vor allem jene Unternehmen belasten, deren Lieferketten nach China reichen.
Europäische Anleger müssen zudem das US-Dollarrisiko beachten, wobei man bei der DWS zuversichtlich ist. Stefanie Holtze-Jen, Chief Currency Strategist der DWS, hält an ihrem Kursziel von 1,15 US-Dollar pro Euro per Ende 2021 fest (siehe Grafik auf Seite 14). Die Währungsexpertin sieht die Wachstumsschere zwischen den USA und der Eurozone weiter auseinandergehen. Dazu dürften zu einem guten Stück die rascheren Impfungen in den USA beitragen. Holtze-Jen sagt: „Währungsseitig könnte es für Euro-Anleger, die in Dollar-Anlagen investieren, 2021 deutlich besser aussehen als im Vorjahr.“ Mit größeren Schwankungen sowohl auf dem Devisen-, aber auch auf den Aktienmärkten müssen Anleger dennoch rechnen.