Die Nachfrage nach chinesischen Aktien ist nach Corona stark angestiegen. „China war ‚first in‘ und ‚first out‘ aus der Pandemie, was seiner Wirtschaft im zweiten Quartal 2020 zu einem Wachstum über dem Niveau vor Corona verhalf. In Kombination mit einer erstarkenden Währung haben diese Faktoren ein günstiges Umfeld für chinesische Unternehmen geschaffen, die im Jahr 2020 und im bisherigen Jahresverlauf Kapital über Börsengänge an den Börsen in Hongkong, im inländischen Shanghai/Shenzhen und den USA aufnehmen“, so May Ling Wee, Portfoliomanagerin bei Janus Henderson Investors.
Starke Unternehmensaktien in den Bereichen Technologie, Konsumgüter und Gesundheitswesen führten im vergangenen Jahr in Hongkong dazu, dass insgesamt etwa 51 Milliarden US-Dollar durch Börsengänge aufgebracht wurden, hauptsächlich für Unternehmen in chinesischem Besitz – der höchste Betrag seit 2010, als rund 57 Milliarden US-Dollar aufgenommen wurden.
Chinesische IPOs und Unternehmen trotz Geopolitik attraktiv
Die vorherige US-Regierung hat per Executive Order verhindert, dass US-Personen in chinesische Unternehmen investieren, von denen angenommen wird, dass sie mit dem chinesischen Militär in Verbindung stehen. Das anschließende Delisting dieser Unternehmen von den US-Börsen und den Indizes globaler Indexanbieter (z. B. FTSE Russell, MSCI, S&P Dow Jones) scheint fast folgenlos zu sein. Allerdings sind weitere Bemühungen Chinas, seine Aktien- und Anleihemärkte für globale Portfolioströme zu öffnen, trotz geopolitischer Auseinandersetzungen wahrscheinlich. „Die Frage, ob in den USA börsennotierte chinesische Unternehmen den US-Wertpapieraufsichtsbehörden Zugang zu ihren Finanzprüfungsunterlagen gewähren dürfen, bleibt ungeklärt. Aber im letzten Jahr haben wir die erfolgreiche US-Börsennotierung chinesischer Elektrofahrzeug-Startups, eines Fintech-Unternehmens und anderer Internet-Dienstleistungsunternehmen gesehen“, so Wee.
Wahl der Börsennotierung ist entscheidend
Während globales Kapital schon immer auf dem Hongkonger Markt für chinesische Vermögenswerte präsent war, gewinnt heutzutage chinesisches Kapital, in Form von „Southbound“-Kapital von Privatanlegern von Festlandchina, in Hongkong zunehmend an Bedeutung. „Es wird geschätzt, dass das Finanzvermögen der chinesischen Privathaushalte 2020 um rund 16 Prozent (ca. 3,8 Billionen US-Dollar) gestiegen ist, wobei ein Teil dieses Vermögens in inländische Investmentfonds fließt, die in den Hongkonger Markt investieren“, kommentiert Wee.
Im Januar 2021 machte die „Southbound“-Handelsaktivität aus China schätzungsweise rund 30 % des gesamten Handels in Hongkong aus. Während globale Investoren typischerweise die besten Gelegenheiten an den inländischen Märkten von Shanghai und Shenzhen („northbound capital“), Hongkong und den US-Börsen suchen, suchen Chinas „Southbound“-Investoren auch die besten Gelegenheiten am Markt von Hongkong. „Diese grenzüberschreitenden Kapitalströme werden im Laufe der Zeit wahrscheinlich zunehmen, da das Finanzvermögen der chinesischen Haushalte weiter wächst und seinen Weg sowohl in die chinesischen Onshore- als auch Offshore-Märkte findet. Gleichzeitig werfen die Unternehmen ihre Netze zur Kapitalbeschaffung weiter aus und streben Börsengänge sowohl an den Onshore-Märkten als auch Offshore in Hongkong an“, analysiert Wee.
Dass sich einige Unternehmen für eine Notierung an den Onshore-Märkten entschieden haben, liegt laut der Investmentexpertin daran, dass die Onshore-Märkte viel höhere Bewertungen für aufstrebende und strategische Industrien zulassen als die Investoren auf dem Hongkonger Markt. „Beispielsweise hat Chinas führendes Halbleiter-Unternehmen einen erfolgreichen Börsengang in Shanghai durchgeführt und dabei rund 7,6 Milliarden US-Dollar aufgebracht, die höchste Summe, die ein einzelnes Unternehmen im letzten Jahr an den chinesischen Inlandsbörsen aufgenommen hat“, so Wee. Unternehmen des Gesundheitswesens wählen tendenziell Hongkong für ihre Börsengänge, wo die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Aktien aufgrund des kleineren Portfolios im Vergleich zu den Onshore-Märkten größer ist. „Hongkong hat sich zu einem beliebten Ort für die Börsennotierung von Biotech-Unternehmen entwickelt“, erklärt die Investmentexpertin.
Auswirkungen des „Re-Shoring“ auf Hongkong
Das „Re-Shoring“ oder die Wiederaufnahme chinesischer Unternehmen, die bisher nur in den USA notiert waren, nun aber auch in Hongkong gelistet sind, hat Auswirkungen. „Diese New-Economy-Aktien verändern die Zusammensetzung des Marktes, der nicht mehr von Unternehmen aus den Bereichen Finanzen, Immobilien, Mischkonzerne (und früher Energie und Telekommunikation) dominiert wird, sondern in dem ‚Newer‘-Economy-Unternehmen wie solche aus den Bereichen Gesundheitswesen, Technologie und konsumorientierte Sektoren mehr als die Hälfte der gesamten Marktkapitalisierung ausmachen“, sagt Wee. Verglichen mit Hongkongs „Old Economy“-Aktien machen diese hoch gehandelten Aktien einen immer größeren Anteil des Marktumsatzes aus, die typischerweise länger gehalten werden, weil sie Dividenden und Erträge liefern. „Die Zusammensetzung des Marktes in Hongkong, der heute größtenteils von Technologie-, Konsumgüter- und Dienstleistungsunternehmen repräsentiert wird, spiegelt die Entwicklung Chinas von einer jungen, sich industrialisierenden Wirtschaft vor etwa 30 Jahren hin zu einer stärker entwickelten und reiferen Wirtschaft wider“, so Wee abschließend.