Den Start in das Jahr der Metallratte haben sich Asienanleger wohl anders vorgestellt. Eigentlich sollte es ein Jahr des Erfolges sein. Doch schon die ersten Januarwochen waren von geopolitischen Turbulenzen im Iran geprägt. Schon bald darauf rückten die Meldungen rund um den Ausbruch des Coronavirus in Chinas Provinz Wuhan ins Rampenlicht. Was anfangs als regionale Krise wahrgenommen wurde, sollte bald die gesamte Welt sprichwörtlich in Atem halten. Denn das COVID-19, wie das Virus im Fachjargon genannt wird, breitet sich weltweit aus und fordert laufend Todesopfer.
Entsprechend heftig fielen die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus aus. Ende Februar beschloss Chinas Regierung die Verschiebung des jährlichen Nationalen Volkskongresses, der am 5. März hätte stattfinden sollen. Auch die Wirtschaft reagiert mit drastischen Maßnahmen. Warenlieferungen aus China wurden zurückgehalten, Flugverbindungen nach Fernost sind gestrichen. Und Produktionsstätten in China blieben geschlossen, während das Reich der Mitte als wichtiger Absatzmarkt für internationale Produkte stückweise wegbricht.
Doch auch in China bekommt die Industrie die Folgen der Produktionsunterbrechungen zu spüren. Sie brach im Februar so stark ein wie noch nie. Die Sechs-Prozent-Marke für 2020 dürfte das Wirtschaftswachstum in Asiens größter Region damit wohl kaum noch erreichen. In seiner jüngsten Schätzung rechnet der Internationale Währungsfonds mit einem Wachstum von 5,6 Prozent. Und das hat freilich Auswirkungen auf andere Länder in der Region. Schließlich ist Asiens Binnenmarkt zunehmend zusammengewachsen.
Doch so düster die erste Bestandsaufnahme ist, es gibt inzwischen auch schon einen ersten Hoffnungsschimmer. Während sich das Virus in anderen Kontinenten weiter ausbreitet, scheint sich die Ausbreitung in China erstmals abzuflachen. Anfang März vermeldeten Chinas Behörden ein Rekordtief bei der Ausbreitung des Coronavirus. Und gut anderthalb Monate nach der Verhängung einer Quarantäne über die chinesische Provinz Hubei wurden die Restriktionen zur Eindämmung der Corona-Epidemie gelockert. Gesunde Menschen dürfen innerhalb der Provinz wieder frei reisen. Auch aus der Wirtschaft gibt es Lichtblicke. Mitte März nahm der Apple-Zulieferer Foxconn die Produktion wieder auf, während Apple sämtliche Stores vor-übergehend schloss – außer jene in China. Die China Association of Automobile Manufacturers geht davon aus, dass der Tiefpunkt der Automobilproduktion in China im späten Februar erreicht worden sei.
Und was sagen die Investment-Experten? Auch sie zeigen sich langfristig zuversichtlich: Das Coronavirus werde, ausgehend von China, die Wirtschaft in der gesamten Region für ein oder zwei Quartale stark bremsen, mahnt Chantana Ward, Fondsmanagerin des Comgest Growth Asia. Sie sagt: „Das Virus setzt der wirtschaftlichen Entwicklung in China ähnlich wie die Infektionskrankheit SARS im Jahr 2003 sehr zu.“ Letztendlich sei jedoch zu erwarten, dass es sich um eine kurzfristige Delle und nicht um einen langfristigen Strukturbruch in Chinas Entwicklung handle. Dabei reagierten nicht nur die Behörden mit strengen Maßnahmen. Dale Nicholls, Fondsmanager des Fidelity Funds – Pacific Fund verweist auf Stützungsmaßnahmen der chinesischen Notenbank. Allein im Februar senkte sie den einjährigen Referenz-Zinssatz Loan Prime Rate auf 4,05 Prozent von 4,15 Prozent im Vormonat und den fünfjährigen auf 4,75 Prozent von 4,8 Prozent. Erst kurz zuvor hatte die Notenbank den Zinssatz für mittelfristige Darlehen auf 3,15 Prozent erneut reduziert, um die Kreditgeschäfte kräftig anzukurbeln.
Auch anderswo werden wegweisende Vorkehrungen getroffen. Vielerorts wird auf Fernarbeit von zuhause gesetzt, damit das Tagesgeschäft in vielen Betrieben möglichst nicht unterbrochen wird. Aufgrund der Ansteckungsgefahr erledigen obendrein viele Menschen in Asien ihre Einkäufe verstärkt über das Internet und verbringen ebendort einen zunehmenden Teil ihrer Freizeit. Ward von Comgest meint, das käme Unternehmen wie dem Computerspiele-Anbieter Net-Ease zugute. Auch Onlinehändler wie Rakuten aus Japan verzeichnen eine sprunghafte Zunahme an Internet-Bestellungen.
Damit wird schnell klar: Von den aktuellen Unsicherheiten lassen sich die Experten keinesfalls abschrecken. Vielmehr böte der Abverkauf eine gute Chance, günstig zuzukaufen. „Jetzt bietet sich die Gelegenheit, in Qualitätswerte einzusteigen“, meint Andreas Döring, Fondsmanager des UniAsia der Union Investment. Immerhin stehe die Region Asien für zwei Drittel des Weltwirtschaftswachstums. „Sie als Anleger zu meiden, wäre ein großer Fehler“.
Den Optimismus teilt man auch anderswo. Nicholls von Fidelity ist überzeugt, dass die langfristigen strukturellen Veränderungen Asiens trotz der kurzfristigen Turbulenzen intakt blieben und verweist in diesem Zusammenhang auf die wachsende Mittelschicht. Damit einher nehme auch der Konsum vor allem von höherwertigen Gütern zu, betont Nicholls. Ein allzu rasches Ende dieses Trends sei im Augenblick nicht absehbar: „Schließlich ist die demografische Entwicklung eine wichtige Stütze“. Schon jetzt leben rund 4,6 Milliarden Menschen in ganz Asien, Tendenz weiterhin steigend. Denn laut den Prognosen der Vereinten Nationen dürfte die Zahl bis zum Jahr 2100 auf etwa 4,7 Milliarden weiterwachsen.
Auch Aisa Ogoshi, Fondsmanagerin des JP Morgan Pacific Equity Fund, sieht klare Langfristtrends, auf die sie mit Aktien etwa aus den Bereichen Konsum, IT und der Gesundheit setzt. Allein in China könne man so die Chancen vom wachsenden Mittelstand am besten nutzen, anstatt etwa auf den Industriesektor zu setzen, der immer noch mit Überkapazitäten zu kämpfen habe, meint Ogoshi.
Wachsendes Onlinegeschäft
Genauer gesagt sind es Bereiche wie E-Commerce, aber auch Anbieter von Online-Zahlungssoftware und Halbleiterproduzenten, die bei den Experten besonders im Fokus stehen. Womit die Frage bleibt, wie die Umsetzung aussieht. Sowohl bei Fidelity als auch bei JP Morgan AM zählen die Aktien von Alibaba und Tencent derzeit zu den größten Fondspositionen. Der Internethändler Alibaba mischt auch im Onlinezahlungsbereich mit seinem Alipay mit. Währenddessen betreibt der Internetriese Tencent unter anderem den Nachrichtendienst WeChat sowie WePay im Reich der Mitte sowie zahlreiche Onlinespiele.
Beispielsweise hat der US-Videospielekonzern Activision Blizzard auf die Expertise des chinesischen Internetkonzerns Tencent zurückgegriffen, um die App des Call-of-Duty-Spiels zu entwickeln, verweist Döring von der Union Investment auf die Wachstumsdynamik von Tencent. Auch in seinem Fonds ist der Titel durchaus hoch gewichtet. Döring meint zudem: „Chinesen weisen insgesamt eine hohe Technikaffinität auf und haben geringe Datenschutzbedenken. Die Penetrationsrate im E-Commerce ist höher und das Bezahlen mit dem Smartphone ist gang und gäbe“. Und das komme Internet-Geschäftsmodellen zugute.
Zu Ogoshis weiteren Top-Positionen im JP Morgan Fonds zählen aber auch der Chip-Produzent Taiwan Semiconductor Manufacturing aus Taiwan sowie der südkoreanische Elektronikkonzern Samsung Electronics. Beide Firmen profitieren vom Start der nächsten Mobilfunkgeneration 5G.
Was noch hinzukommt: Während bei den letzteren drei Fonds der IT-Sektor jeweils rund zwanzig Prozent ausmacht, waren es im Allianz Oriental Income Fund zuletzt gut 50 Prozent. Denn auch Fondsmanager Stuart Winchester findet Gefallen an zahlreichen Unternehmen mit starkem und nachhaltigem Wachstumspotential im Technologiesektor, allen voran in Taiwan und in Südkorea. Zu den größten Fondspositionen zählen etwa die in Seoul notierte KohYoung Technology. Die Maschinen des Unternehmens fertigen dreidimensionale Bilder zur Überwachung der Produktqualität im Produktionsprozess von Elektroteilen, beispielsweise von Lötstellen. Asmedia Technology aus Taiwan entwickelt hingegen integrierte Schaltkreise. Winchester gefallen aber auch kleinere Technologiekonzerne, die sich in Nischen etabliert haben.