Die Suche nach stabilen und regelmäßigen Erträgen war in den vergangenen Jahren ein zunehmend kniffliges Unterfangen. Grund sind die historisch niedrigen Renditen bei soliden Schuldnern, weshalb viele Anleger stattdessen immer öfters auf „Dividendenzahler“ in der globalen Aktienwelt setzen. Hans-Jörg Naumer, Leiter Global Capital Markets bei der Allianz Global Investors (AllianzGI) und Autor der jüngsten Dividendenstudie „Die Jagd nach Kapitaleinkommen geht weiter“, konstatiert: „Wenn Bankeinlagen und Staatsanleihen eher Geld kosten, als bringen, wird die Jagd nach Kapitaleinkommen noch weiter verschärft.“
Dabei leisten Dividenden bereits seit Jahrzehnten einen wichtigen Beitrag zum Gesamtertrag eines Aktieninvestments, fügt Naumer hinzu. Er verweist auf ein Studienfazit und sagt, vor allem Investoren europäischer Aktien konnten sich in der Vergangenheit über hohe Ausschüttungen freuen. „Diese halfen die Gesamtperformance in Jahren negativer Kursentwicklungen zu stabilisieren. Dividenden konnten Kursverluste teilweise oder sogar ganz kompensieren“. Der Blick auf die vergangenen Jahrzehnte liefert dabei interessante Details: Von 1975 bis Ende 2020 lag die jährliche durchschnittliche Dividendenrendite im MSCI Europa bei 3,8 Prozent, das Plus bei den Aktienkursen betrug im Schnitt 7,2 Prozent.
Anders ist das Bild beim MSCI Nordamerika: Hier betrug in jenem Zeitraum die Dividendenrendite im Schnitt 3,2 Prozent, während der Kurszuwachs bei jährlich 9,0 Prozent lag. Auch für den MSCI Pazifik gibt es eine entsprechende Auswertung. Hier lag die durchschnittliche Dividendenrendite bei 3,3 Prozent und der Kurszuwachs bei 5,8 Prozent. (siehe Grafik: „Solides Zubrot“ auf der nächsten Seite).
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Dividendenkürzungen als Folge der Krise
Gerade weil Dividenden langfristig ein wichtiger Stabilisator in einem Gesamtportfolio sind, waren die Entwicklungen im vergangenen Jahr besonders bitter. „Auch Dividenden konnten dem Konjunkturrückgang nicht trotzen. Wenn es zu Einbrüchen bei den Firmengewinnen kommt, bleiben Dividenden als ausgeschütteter Anteil der Unternehmensgewinne davon nicht unberührt“, sagt Naumer. Tatsächlich erreichten 2019 die Dividendenzahlungen noch ein Rekordhoch in Höhe von 1,43 Billion US-Dollar. Im Krisenjahr 2020 wurden sie laut Columbia Threadneedle um rund acht Prozent gekürzt, gemessen am MSCI All Country World Index. Am härtesten traf es den Bereich Basiskonsum, gefolgt von Finanztiteln.
Helge Skibeli, Fondsmanager des JPMorgan Investment Funds – Global Dividend Fund, meint in diesem Zusammenhang, „in Europa wurden beispielsweise Banken und Versicherer von den Aufsichtsbehörden aufgefordert, in 2020 kein Kapital auszuschütten, das ansonsten in Form von Dividenden und Rückkäufen an die Aktionäre zurückgeflossen wäre. In den USA hatten sich mehrere große Banken verpflichtet, Rückkäufe zu stoppen, und der politische Druck auf die Banken, Dividenden zurückzuhalten, nahm zu.“ Im Energiesektor wiederum setzte der dramatische Rückgang der Ölpreise – von fast 70 US-Dollar pro Barrel im Januar 2020 auf ein Tief von rund 20 US-Dollar pro Barrel Ende März 2020 – die Cash-flows der Energieunternehmen unter Druck, zeigt Skibeli auf.
Doch das Blatt wendet sich angesichts des Konjunkturaufschwungs, die Unternehmensgewinne sollten laut AllianzGI-Einschätzung in diesem Jahr kräftig steigen. Bereits im ersten Quartal 2021 war solch eine Entwicklung deutlich sichtbar. Ein Großteil der Unternehmen konnte in dem Berichtsquartal allein in den USA und Europa positiv überraschen. Bei Columbia Threadneedle ist man deshalb überzeugt: Im Gesamtjahr dürften im Schnitt die Dividendenrenditen um zehn Prozent wachsen, gemessen am MSCI All Country World Index.
Dividenden werden wieder steigen
Auch Oleg Schantorenko, Senior Account Manager Institutional Clients bei der DJE Kapital AG, ist sich sicher: „Im Zuge einer Markterholung erwarten wir wieder steigende Dividenden und werden diverse Opportunitäten nutzen“. Mitbewerber verweisen ebenso auf die positive Aussichten. Mathew Page, Co-Fondsmanager des Guinness Global Equity Income Fund, meint, Ende April hatten bereits 24 der 35 Titel im Fonds ein Update zu ihrer Dividendenpolitik gegeben: „20 dieser Unternehmen kündigten an, ihre Ausschüttungen für 2021 zu erhöhen.“ Dazu zählen beispielsweise Konzerne wie der Konsumgüterhersteller Procter & Gamble sowie der Pharmakonzern Johnson & Johnson, aber auch der Aufzughersteller Otis, ebenfalls aus den USA.
Dennoch bleibt eine sorgfältige Titelauswahl unerlässlich. Schantorenko von der DJE Kapital AG verweist auf den Zugang in seinem Haus. Dort fokussiere man sich nicht auf Unternehmen mit den höchsten Dividendenrenditen, sondern auf diejenigen Titel, die im Schnitt zwei bis vier Prozent Dividende zahlten, dafür wiederkehrend und somit nicht an ihrer Substanz zehrten. „Jene Unternehmen, die für die Porfolioallokation in Frage kommen, generieren idealerweise stabile und positive Free Cashflows, die eine Dividendenrendite mehr als abdecken“, so Schantorenko.
Auch andere Vermögensverwalter erläutern ihre Selektionskriterien. Thomas Kühne, Fondsmanager bei der LLB Asset Management über den Ansatz im LLB Aktien Dividendenperlen Global ESG: Dort beginne man mit einer Titelselektion nach der ESG-Komponente. ESG steht für „Environmental“ (Umwelt), „Social“ (sozial) und „Governance“ (gerechte Unternehmensführung). Die nachhaltigsten Aktien werden dann nach Aktionärsrendite (Dividendenrendite und Rückkaufrendite, die sich durch Aktienrückkäufe ergibt) selektiert. Sowohl die höchste Rendite als auch die niedrigste Volatilität werden unter die Lupe genommen.
Interessantes Detail am Rande: Während die bloße Dividendenrendite im Fonds zuletzt bei 4,7 Prozent lag, erreichte die Aktionärsrendite insgesamt 6,3 Prozent. Illiquide Titel schaffen es übrigens nicht in den Fonds – genauso wenig wie Immobilienaktien. „Letztere Titel decken wir in einem separaten Fonds ab“, so Kühne.
Rohstoffkonzerne im Fokus
Zu den größten Fondspositionen zählen im Übrigen der Energiekonzern Exxon Mobil und der Bergbautitel BHP Billiton. „Diese Branchen zählen klassischerweise zu den guten Dividendenzahlern“, sagt Kühne. Die größte Branchengewichtung entfällt derzeit allerdings auf den Finanzsektor, wobei die attraktive Bewertung eine gewichtige Rolle spiele. „Danach folgen mit dem Versorger-, Basiskonsum- und Kommunikationssektor drei weitere verlässliche Dividendenzahler.“ Und so zählt beispielsweise auch Emerson Electric zu den größten Positionen.
Weiters auffällig ist die vergleichsweise hohe Gewichtung von Japan mit rund fünf Prozent. Das Land habe eine großen Schritt nach vorne gemacht in Hinblick auf den zunehmenden Fokus auf einen Shareholder-Value. Der LLB-Experte meint: „Wir haben kürzlich sogar nochmals unsere Allokation in japanische Titel erhöht. Die Aktien aus der Region sind im globalen Vergleich oftmals sehr attraktiv bewertet und schaffen darum in unserem Modell überdurchschnittlich oft den Sprung nach vorne.“
Doch die größte regionale Gewichtung entfällt in dem LLB-Fonds auf die USA – wie im Übrigen auch in den anderen Portfolios, etwa im Guiness-Fonds sowie im Invesco Global Equity Income Fund. In beiden Fonds entfällt die zweitgrößte Gewichtung mit mehr als 16 Prozent auf Großbritannien. Invesco-Fondsmanager Stephen Anness sagt, der Markt weise eine lange Tradition an Dividendenzahlungen aus. Dennoch selektiere man sämtliche Aktien im Portfolio nach einer sorgfältigen Einzeltitelanalyse, wobei primär das Potential beim Dividendenwachstum im Fokus steht. In Bezug auf Branchen wird auch Anness derzeit besonders im Finanzsektor fündig. Dieser ist aktuell mit gut 23 Prozent gewichtet. Dabei investiert der Invesco-Fondsmanager nicht nur in Banken und Versicherungen, wie etwa Zurich Insurance, sondern auch in andere Finanzhäuser, wie dem Private-Equity-Anbieter 3i aus den USA.
Auch der Technologiesektor spielt eine wesentliche Rolle und wird etwa mit Microsoft und Texas Instruments abgedeckt. Zahlreiche solcher Branchenfirmen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten längst etabliert und schütten einen Teil ihrer Gewinne inzwischen an Aktionäre aus. Doch auch im Basiskonsum wird Anness durchwegs fündig, die größte Einzelposition ist derzeit Coca-Cola. Ihm gefällt sowohl die defensive Eigenschaft solcher Konsumgüter, als auch die Wachstumsperspektive, die das Ende der Lockdowns bietet. Immerhin wird dann in vielen Freizeiteinrichtungen, wieder mehr konsumiert.
Drei Ansätze für einen Fonds
Und wie geht Skibeli bei JP Morgan Asset Management vor? In dem Fonds wird auf ein ausgewogenes Portfolio aus drei verschiedenen Arten von ertragstarken Dividendentiteln gesetzt. So bieten die „Stable High Yielders“ eine Dividendenrendite, die weit über dem Marktdurchschnitt liege und in der Regel die solide Ertragsbasis für das Portfolio darstelle, sagt Skibeli.„Typischerweise gehören dazu etablierte Unternehmen aus stabilen Branchen wie Telekommunikation, Immobilien und Versorger.“
Die „Compounders“ leisteten zwar geringere Dividendenzahlungen, wiesen in der Regel aber eine lange Erfolgsgeschichte stetig wachsender Dividenden auf. Dazu zählten oftmals Unternehmen aus dem Gesundheitswesen und dem Basiskonsumgüterbereich. Die dritte Kategorie sind „High Growth“-Aktien. Skibeli sagt, „sie haben aktuell eine niedrige Rendite. Es wird aber erwartet, dass sie durch steigende Ausschüttungen oder eine zyklische Erholung der Gewinne ein überdurchschnittliches Kapital- oder Ertragswachstum bieten“. Darunter fällt etwa eine Reihe US-Finanzdienstleister.
Und wie sieht die Umsetzung im Fonds aus? Zu den größten Positionen zählen derzeit Technologieaktien wie Micro-soft, Analog Devices und Samsung Electronics. Überhaupt nimmt der Bereich Technologie mit knapp weniger als 13 Prozent die größte Gewichtung ein. An zweiter Stelle reiht sich der Bankensektor ein, gefolgt von zyklischen Industrietiteln.
Idealer Einstiegspunkt
Für Skibeli liefert das aktuelle Umfeld jedenfalls den besten Einstiegszeitpunkt in ein Aktieninvestment mit dem Fokus auf Dividenden. Er sagt, „die kurzfristigen Aussichten für Dividendenerträge wurden von der Pandemie überschattet. Doch im nächsten Investitionszyklus werden Dividendenerträge wichtiger denn je sein, da die Zentralbanken die Anleiherenditen auf absehbare Zeit weiter niedrig halten werden“. Umso mehr werden solide Ausschüttungen einen zunehmend gefragten Inflationsschutz bieten.
Der JP Morgan Fondsmanager ist überzeugt, dass Unternehmen mit starken Bilanzen und einer nachgewiesenen Erfolgsbilanz bei der verlässlichen Steigerung ihrer Dividenden ein wesentlicher Bestandteil eines ertragsorientierten Portfolios sein sollten. „Wir sehen aktuell einen guten Einstiegszeitpunkt für Anleger mit einem langen Zeithorizont – es gibt immer noch viele solide Dividendenzahler, bei denen die Bewertungen in 2020 überproportional abgestraft wurden“.