Betriebliche Leistungen zur Alterssicherung und Gesundheitsförderung liegen im Trend. Das verwundert nicht, fallen sie doch auf einen fruchtbaren Boden. Die deutsche Wirtschaft muss sich seit Jahren mit einem Mangel an Fachkräften auseinandersetzen, der offenbar noch zunimmt. Darauf lässt jedenfalls der aktuelle Fachkräftereport des Deutschen Industrie- und Handelskammertages schließen. Demnach klagt mehr als jeder zweite der fast 22.000 befragten Betriebe in Deutschland, dass nicht alle offenen Stellen besetzt werden können. Die Konsequenz: Unternehmen müssen mehr denn je aktiv werden, um Mitarbeitende zu gewinnen bzw. bestehende Beschäftigte an den Betrieb zu binden.
Gleichzeitig wächst bei Beschäftigten der Bedarf an solchen betrieblichen Vorsorgelösungen. Denn die anhaltend erhöhte Inflation erschwert Erwerbstätigen, ihre Aktivitäten rund um die Alters- und Gesundheitsvorsorge unverändert fortzusetzen, geschweige zu erhöhen. Aus zwei Gründen: 1. Die Haushaltsbudgets werden immer knapper, sodass auch die Vorsorgeaktivitäten auf den Prüfstand kommen. 2. Nach jahrelangen Niedrigzinsen steigen die Zinsen massiv, weil die Notenbanken auf diese Weise die Inflation bekämpfen wollen. Das hat jedoch auch zur Folge, dass mit manchen Vorsorgeprodukten bereits kein realer Vermögensaufbau mehr möglich ist. Stichwort Kapitalgarantien.
Paradigmenwechsel gerecht werden
Es wird also höchste Zeit, dass die Bundesregierung die betriebliche Altersversorgung (bAV) anpackt – gut ein Jahr, nachdem die „Ampellichter“ angingen. Bereits im Frühjahr soll der mit Vertretern von Fach- und Interessensverbänden seit September 2022 laufende „Fachdialog zur Stärkung der Betriebsrente“ Ergebnisse liefern. Mit Blick auf jüngste Umfrageergebnisse sollten dabei zwei Anforderungen im Mittelpunkt stehen: Erstens eine flexiblere Gestaltung, damit sich die bAV an die sich wandelnden Erwerbsbiografien von Arbeitnehmern anpassen lässt. Zweitens muss einem Paradigmenwechsel stärker Rechnung getragen werden, der sich erfreulicherweise bereits in einem veränderten Bewusstsein von Beschäftigten niederschlägt.
Nicht der Beitragserhalt zum Ende des Erwerbslebens sollte das Maß aller Dinge sein, sondern die Chance auf eine möglichst auskömmliche Betriebsrente. Es ist eine gesicherte, fachliche Erkenntnis, dass Kapitalgarantien in zunehmendem Ausmaß die Möglichkeit begrenzen, Ertragschancen an den Kapitalmärkten zu nutzen und es in der Spitze sogar gänzlich verhindern. Gerade manche Gewerkschafter, Sozialdemokraten und „Linke“ sind also aufgefordert, ihre Ideologien über Bord zu werfen und Aktienanlagen nicht länger als Spekulantentum zu verdammen. Denn Fakt ist, dass langfristig keine Kapitalanlage besser rentiert als die Beteiligung an Unternehmen. Das war schon früher so. Nur sorgen die veränderten Bedingungen an den Kapitalmärkten dafür, dass liebgewonnene, weil risikolose Wege jetzt in die Sackgasse führen.
Beide Reformansätze ebenso wie die verbesserte Förderung insbesondere für Personen unterer Einkommensgruppen können innerhalb der bestehenden Durchführungswege umgesetzt werden. Eines der medial stark diskutierten „neuen Wege“ bedarf es dafür nicht – weder eines öffentlich verantworteten Pensionsfonds noch einer „Bürgerrente“. Beides würde vielmehr die vonseiten der Wirtschaft zu Recht geforderte Vereinfachung und Entbürokratisierung der bAV einmal mehr ad absurdum führen.