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China-Fonds rücken wieder auf die Agenda von risikobereiten Anlegern

Printausgabe | September 2024
Das zurückliegende Jahrzehnt können China-Investoren abhaken. Einige Gründe sprechen für eine Trendwende. Gleichwohl ist der Einstieg in diese Regionenfonds mit einer Reihe von Risiken verbunden. Das gilt vor allem für den wichtigen Umgang mit dem Privatsektor.
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Die Nachrichten aus China sind nach wie vor nicht sonderlich positiv: Der Konsum und die Importe schwächeln. Im Konflikt mit den USA stehen die Zeichen auf Eskalation statt Entspannung, zuletzt auch im Verhältnis zur EU im Hinblick auf Strafzölle für chinesische E-Autos. Zudem verpuffte die positive Resonanz auf die Reformagenda, welche die kommunistische Parteiführung 2023 verkündete, Experten zufolge rasch, sodass ein kräftiger Anschub für Unternehmen und Verbraucher zur Wirtschaftsstimulierung wohl ausbleiben dürfte.

Da die chinesischen Aktienmärkte von inländischen Investoren dominiert werden und die Chinesen sehr investierfreudig sind, zeigen die Chinabörsen eine hohe Schwankungsbreite (es gibt A-Aktien an den Festlandsbörsen von Shanghai und Shenzhen sowie an der Börse in Hongkong notierte H-Aktien). Von fast grenzenlosem Optimismus bis hin zu kaum überbietbarem Pessimismus reichen die Extreme. Laut Marktbeobachtern scheint derzeit noch eine negative Stimmung zu überwiegen, denn die jüngsten Wirtschaftsdaten der zweigrößten Volkswirtschaft der Welt zeigen ein gemischtes Bild: Stärken bei den Exporten und der Infrastruktur wurden von der Schwäche im Inlandskonsum kompensiert. So wuchs das chinesische Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal nur mehr um 4,7 Prozent nach 5,3 Prozent im ersten Quartal.

Unverändert gibt es einige Belastungsfaktoren, angefangen bei geopolitischen Risiken wie dem Technologiewettlauf gegen den Westen über die Taiwan-Frage bis hin zur Krise am Immobilienmarkt und dem damit verbundenen Einbruch beim Konsumentenvertrauen. „Da der Binnenkonsum für das BIP im Einklang mit den Zielen der chinesischen Staatsführung, das Riesenreich von einer exportgetriebenen zu einer mehr von Inlandskonsum befeuerten Wirtschaft zu transformieren, äußerst wichtig ist, ist dies gefährlich“, sagt Christina Chung. Die Portfolio-Managerin des Allianz China Equity führt aus: „Regulatorische Risiken haben das Anlegervertrauen nachhaltig beschädigt. Die Bevorzugung staatlich gelenkter, aber unprofitabler Riesenkonzerne gegenüber privatwirtschaftlich und von westlichen Management-Standards geprägten, aber meist weit kleineren Unternehmen, hat dazu geführt, dass der gerade als Arbeitgeber dominierende Privatsektor in eine Vertrauenskrise schlitterte. Die Folge davon war, dass China in eine gefährliche Deflationsspirale geriet, private Konsumenten lieber sparten als Geld ausgaben und Privatunternehmen wichtige Investitionsvorhaben aufschoben, ein giftiger Cocktail.“ So konnten nach Einschätzung der Portfolio-Managerin chinesische Unternehmen das respektable BIP-Wachstum nicht in steigende Gewinne ummünzen, sodass Anleger die Flucht aus den Chinabörsen antraten: Die Bewertung des chinesischen Aktienmarkts sank gegenüber dem MSCI World fast auf ein 20-Jahres-Tief. „Obgleich das Gewinnwachstum chinesischer Unternehmen 2023 in den positiven Bereich gedreht hat und sich dieser Trend 2024 fortsetzen wird, bleibt die Anlegerstimmung angeschlagen“, ergänzt Chung. Rund 15 Prozent Profitzuwächse bei einem marktbezogenen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 9,2 zeigen ebenfalls eine Unterbewertung an. Dazu komme ein fundamentales Umfeld mit moderater Inflation. Die harte Deflationsphase – das schlechteste Szenario für Aktien – dürfte überwunden sein.

CHINAS UMGANG MIT HIGHFLYERN

Es gibt zwar chinesische Technologieunternehmen, die von denselben Trends zu Künstlicher Intelligenz (KI) profitieren wie die hochgejubelte US-Company Nvidia, aber viel günstiger bewertet sind, wie etwa Foxconn Industrial Internet und der chinesische Tech-Player Tencent. Dessen KGV beträgt gerade mal 15, bei weit höherem Wachstum. Das Problem: Viele chinesische Hightech-Champions wurden von ihrer eigenen Regierung für ihre Erfolge bestraft. Das gilt bspw. für Alibaba, als sich deren Gründer Jack Ma zu einem politischen Engagement hinreißen ließ. Oder private Bildungsunternehmen, deren Gewinnmargen der Regierung zu hoch erschienen und die über Nacht verstaatlicht und gezwungen wurden, keine Gewinne mehr zu erzielen. Kein Wunder, dass Aktionäre angesichts solcher Situationen in Scharen Reißaus nahmen.

„Mittlerweile hat die autokratische chinesische Staatsführung erkannt, dass sie private nationale Champions benötigt, wenn China im Technologiewettlauf gegen den Westen bestehen will. Und sie braucht Firmen, die in der Wertschöpfungskette nach oben marschieren und höherwertige Güter herstellen“, sagt Chung. In der Solarbranche sind chinesische Player bereits Weltmarktführer, bei E-Automobilen dürften selbst EU-Strafzölle eine ähnliche Entwicklung nur kurz ausbremsen können. „Viel wird aber davon abhängen, ob Xi Jinping auch liefert, was er versprochen hat, nämlich den Privatsektor zu stärken und den hohe Verluste generierenden Staatssektor zurechtzustutzen“, sagt die Allianz-Expertin und betont: „Er will China zu einer Hightech-Supermacht machen.“

China-Kenner sehen aber in der schlechten Stimmung der privaten Haushalte und Unternehmen die größte Herausforderung für den kommunistischen Staat. Die Immobilienkrise spiele hier eine entscheidende Rolle, denn fast 67 Prozent der chinesischen Privatvermögen stecke in Immobilien. Die Übertreibungen seien enorm. Statistischen Daten zufolge beträgt der durchschnittliche Wohnungspreis in den Metropolen das 40-fache des verfügbaren Einkommens, in den USA liegt das Verhältnis nur beim Zehnfachen. Immobilien seien ein wichtiger Treiber für das Kreditwachstum. Die Vertrauenskrise ist dennoch zum größten Hemmschuh für die Wirksamkeit der Konjunkturmaßnahmen geworden.

Trotz der geldpolitischen Lockerung wird weiter mit einem schwachen Kreditimpuls gerechnet, weil Privathaushalte und Unternehmen keine Kredite aufnehmen und nicht investieren würden. Das führe dazu, dass auch zukünftig der Fiskalpolitik eine immer wichtigere Rolle als Kickstarter für den Konjunkturmotor zukommen dürfte. Laut Marktkennern liegt die Zahl verkaufter, aber unfertiger Wohneinheiten noch landesweit bei 20 Prozent. Positiv: Investiert wird von Seiten der Regierung immer weniger in klassische Straßen und Brücken, sondern vermehrt in digitale Infrastruktur ebenso wie in die technologische Aufrüstung und den weiteren Ausbau alternativer Energien. Und diese strategisch wichtigen Industrien werden von Privatunternehmen dominiert, sodass an deren Förderung kein Weg vorbei führen dürfte. Größerer politischer Pragmatismus, ein riesiger Binnenmarkt und eine geringere Abhängigkeit vom Ausland dürften nach Expertenmeinungen langfristig eine gute Basis bilden, um die chinesische Wirtschaft zu stützen.

Laut vor Ort investierenden Fondsmanagern bleiben langfristig aufstrebende Sektoren wie erneuerbare Energien, Elektrofahrzeuge und industrielle Fertigung als künftige Wachstumsmotoren Chinas attraktiv, zumal die Zahl der Exporte chinesischer Roboter zuletzt ein Rekordhoch erreichte. Sie sollten von politischer Unterstützung profitieren. Die Größe des Binnenmarktes, die geringe Verschuldung privater Wohnungsbesitzer, die geringe Auslandsverschuldung sowie der wachsende Dienstleistungssektor gelten als Chinas Stärken.

ROLLE DES PRIVATSEKTORS?

Ob allerdings das Ziel erreicht wird, die Gleichbehandlung von Privatunternehmern gegenüber den riesigen unprofitablen Staatskonzernen zu gewährleisten, bleibt abzuwarten. Dringend notwendig wäre es, denn je mehr China von Hightech-Vorprodukten aus den USA und anderen G7-Ländern abgeschnitten ist, desto wichtiger ist es für den kommunistischen Staat, sich von solchen Importen unabhängiger zu machen. Und gerade hier spielt der Privatsektor die Hauptrolle in puncto Innovation.

China-Kenner gehen davon aus, dass das heutige Wachstumspotenzial Chinas im nächsten Jahrzehnt schrittweise auf 3,5 bis 4,0 Prozent fallen könnte. Viele halten dies aber angesichts des Rückgangs der Erwerbsbevölkerung und der sinkenden Kapitalproduktivität für zu optimistisch. Die negativen Trends könnten von einer Reihe gegenläufiger Entwicklungen kompensiert werden: Die anhaltende Urbanisierung könnte die Investitionen und den Konsum antreiben, während der weiter steigen wird. Und dank dieses Trends dürfte sich die negative Alterung bis 2035 kaum in einem geringeren Wachstumspotenzial bemerkbar machen.

Auch die seit Jahren verfolgte Priorität von Digitalisierung sowie der Ausbau der Hightech-Telekominfrastruktur, beides entscheidend für die Einführung von KI-gestützten Modellen und Prozessen, dürften das Wachstum stützen.

„Wir sind davon überzeugt, dass der Konsum trotz der aktuellen Schwäche langfristig ein attraktives Thema für China-Investoren sein wird“, sagt Hyomi Jie. Die Portfoliomanagerin des Fidelity Greater China Fund führt weiter aus: „Hier findet man die besten chinesischen Wachstumsaktien. Sie heben sich positiv von Old-Economy-Titeln ab. Sie sind zwar höher bewertet, bieten dafür solidere Bilanzen und echte Preissetzungsmacht. Zudem profitiert der Konsumbereich von strukturellen Veränderungen in China, etwa dem stetig steigenden Urbanisierungsgrad und staatlichen Förderprogrammen für diese Branche.“ Der Fokus auf den Binnenkonsum mildere auch die geopolitischen Risiken wie den Tech-Wettlauf mit den USA und Taiwan deutlich ab.

Auch das Konsumwachstum wird den Experten zufolge steigen müssen, um die schwächeren Exporte und die nachlassenden Investitionen mehr als auszugleichen, und damit China seine Wachstumsziele erreichen kann. „Wir sehen einen Strategiewechsel der Staatsführung. Angebotsorientierte Reformen zielen darauf ab, den in der chinesischen Industrie vorhandenen Überhang bei der Produktionskapazität abzubauen und die nicht nachhaltige Expansion im Immobiliensektor einzubremsen“, sagt Chung. Auch beim BIP-Wachstum pro Kopf habe China noch viel Potenzial, demnächst wird erst die Marke von 10.000 US-Dollar überschritten. Dank des steigenden Urbanisierungsgrads schließt sich der Kreis des Konsumthemas in positiver Weise. Denn in den Metropolen verdienen Chinesen mehr, haben bessere Karrierechancen und können mehr konsumieren.

„Der Aufstieg der Mittelklasse-Konsumenten geht weiter, vor allem in den aufstrebenden Städten“, sagt auch Mike Shiao, verantwortlich für den Invesco China Focus Equity Fund, und ergänzt: „Wir sehen, dass in den kommenden Jahren 80 Millionen neue Verbraucher aus der Mittelschicht hinzukommen werden, wovon die Konsumgüter- und Dienstleistungsbranche profitieren dürfte.“ Zinssenkungen und Konsumanreize in Form von Subventionen für E-Fahrzeuge und für den Austausch von Haushaltsgütern seien nur einige Beispiele. „Der Einfluss des Immobiliensektors auf die Gesamtwirtschaft hat sich verringert und wird durch neue Wachstumsfaktoren in Zukunftsbranchen ausgeglichen. Unserer Meinung nach wird sich dieser Wandel fortsetzen“, meint Shiao. Bei einer Sparquote von 44 Prozent des BIP könnte die Stimmungsverbesserung einen kräftigen Konsumaufschwung auslösen.

„Der Invesco China Focus Equity Fund konzentriert sich auf die Ausweitung des Binnenkonsums sowie auf innovative Technologien. Wir setzen auf Unternehmen in strukturell wachsenden Branchen“, sagt der Fondsmanager. Das Konsumthema „spielt“ Shiao über die Segmente E-Commerce, Hotels, langlebige Haushaltsgüter und (E-) Automobile. Zudem setzt er auf Unternehmen, die von Innovation und Technologie profitieren, vor allem aus den Bereichen Internet, IT-Dienstleistungen, Medien und KI. „Die wachsende Mittelschicht, die durch eine große Bevölkerung und steigenden Wohlstand angetrieben wird, wird den Konsum und die Nachfrage nach Dienstleistungen in Städten der unteren Schichten steigern,“ so Shiao.

Das Konsumthema dürfte damit einer der maßgeblichen Treiber sein. Für ein mittelfristig lukratives Investment müsste sich aber gerade die chinesische Führung neu ausrichten. Schon deshalb bleiben Vorsicht und maßvolles Handeln ein fester Begleiter von Investoren, die gleichwohl am Anfang einer lukrativen Investmentstory stehen könnten.