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Chinas Konjunktur

Oktober 2023
Die Goldene Woche und die Entwicklung der chinesischen Konsumausgaben: Tourismus zieht stark an, zeigt Jian Shi Cortesi, Investment Director bei GAM Investments, auf.
GAM Investments
Jian Shi Cortesi, GAM Investments

Die Goldene Woche zum Nationalfeiertag ist für die Chinesen nach dem Frühlingsfest die am sehnlichsten erwartete und am stärksten frequentierte Reisezeit. In diesem Jahr fiel das „Mid-Autumn Festival“ in die Nähe des Nationalfeiertags, was zu einer verlängerten achttägigen Ferienzeit vom 29. September bis zum 6. Oktober führte. Die Verbrauchsdaten und Beobachtungen vor Ort sowie Gespräche mit chinesischen Verbrauchern deuteten auf eine Veränderung des Verbraucherverhaltens hin. Der negative Vermögenseffekt von Immobilien hat die chinesischen Verbraucher in ihren Gesamtausgaben konservativer werden lassen. Zwar geben sie derzeit nicht mehr viel Geld für große Anschaffungen aus wie früher, sie zeigen jdoch ein starkes Interesse an Ausgaben für Erlebnisse.

Der Tourismus hat sich stark erholt und die Chancen, dass sich dieser Trend in Zukunft fortsetzen wird, sind hoch, da die chinesischen Verbraucher zunehmend Wert auf Reiseerlebnisse legen. Offizielle Daten zeigen, dass der Inlandstourismus während der achttägigen Feiertage ein deutliches Wachstum verzeichnete: Die Gesamtzahl der Touristen erreichte 826 Millionen und die Tourismuseinnahmen beliefen sich auf 753,4 Milliarden Renminbi Yuan (103,2 Milliarden US-Dollar), was einem Anstieg von 71 Prozent bzw. 130 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht und das Niveau vor dem Covid-19-Pandemie um 4,1 Prozent bzw. 1,5 Prozent übertraf. Die Zahlen deuten darauf hin, dass das normale Reiseverhalten nach der Wiedereröffnung Chinas wieder vollständig aufgenommen wurde. Darüber hinaus hat sich die touristische Nachfrage auf vielfältigere Erlebnisse verlagert, so wurde beispielsweise der Kulturtourismus zu einem wichtigen Thema.

Nach Angaben der China Association of Performing Arts stiegen die Einspielergebnisse und die Zuschauerzahlen bei Live-Veranstaltungen um 83 Prozent bzw. 61 Prozent gegenüber 2019. Auch andere Veranstaltungen wie Musikfestivals, Konzerte und die Asienspiele haben Menschen dazu gebracht, in verschiedene Städte zu reisen. Das Passagieraufkommen in den zentralen Geschäftsbezirken von 36 Großstädten stieg laut dem Handelsministerium um 164 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dies deckt sich mit dem neuesten Reisetrend unter jungen Leuten, dem so genannten „Stadtspaziergang“, bei dem es darum geht, zwanglos durch eine Stadt zu schlendern oder spezielle Routen zu erkunden (und dabei wenig Geld für Einkäufe auszugeben).

Was den internationalen Tourismus betrifft, so erreichte der gemeldete Ausreiseverkehr während der Goldenen Woche fast 85 Prozent des Niveaus von 2019. Korea, Japan und Thailand waren gemessen am Flugaufkommen die drei wichtigsten Ziele für Auslandsreisen. Allerdings bleibt der internationale Reiseverkehr in China ein Nischenmarkt und sollte bei der Analyse des chinesischen Reiseverhaltens nicht im Vordergrund stehen. Es mag viele überraschen, dass im Jahr 2019 nur 13 Prozent der Chinesen einen Reisepass besaßen; Inlandsreisen sind für die meisten Menschen weiterhin die erste Wahl. Die Verfügbarkeit von Flügen und Visa-Engpässe stellen nach wie vor eine Hürde für internationale Reisen dar. Die jüngsten Berichte über negative Vorfälle haben zudem die Sicherheitsbedenken in Bezug auf Auslandsreisen verstärkt. Diese Faktoren dürften jedoch nur vorübergehende Auswirkungen haben, und eine weitere Erholung der Auslandsreisen in den kommenden Jahren ist wahrscheinlich.

Im Vergleich zum Tourismussektor war die Erholung der Einzelhandelsumsätze insgesamt relativ gering. Während der Goldenen Woche lagen die durchschnittlichen Ausgaben pro einheimischen Tourist mit 912 Renminbi Yuan (125 US-Dollar) 2,4 Prozent unter dem Niveau von 2019. Auch die Einnahmen von Hainan Duty-Free und die durchschnittlichen Ausgaben pro Kunde waren niedriger als am Tag der Arbeit im Mai 2023 und in der Goldenen Woche 2021. Die Verbraucher scheinen vorsichtiger zu sein und ziehen es vor, inmitten eines Immobilienabschwungs und wirtschaftlicher Unsicherheiten keine Ausgaben für materielle Güter zu tätigen. Beobachtungen vor Ort und Gespräche mit Einheimischen bestätigten diesen Trend ebenfalls. Bei einem Spaziergang durch die Hongkonger Einkaufszentren während der Goldenen Woche war der Fußgängerverkehr viel stärker als sonst, aber die langen Schlangen vor den Luxusgeschäften waren nicht mehr so zahlreich wie früher.

Das Gaststättengewerbe ist nach wie vor widerstandsfähig, und nach Angaben des Handelsministeriums stiegen die Umsätze der wichtigsten Restaurantunternehmen in den ersten sieben Tagen des Feiertags um fast 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Restaurantkette Haidilao Hot Pot meldete einen mehr als fünffachen Tischumsatz und erholte sich auf 90 Prozent des Niveaus von 2019. Meituan, die führende chinesische Plattform für Essenslieferungen, gab ebenfalls bekannt, dass der durchschnittliche tägliche Catering-Umsatz während des Feiertags das Niveau vor der Covid-19-Pandemie um 154 Prozent übertraf. Diese Zahlen und der Dienstleistungs-PMI vom September, der immer noch über 50 liegt, deuten auf eine größere Bereitschaft der Verbraucher hin, für Dienstleistungen und Komfort zu zahlen. Auch wenn der erwartete „Rachekonsum“ nicht wie erwartet eingetreten ist, zeigt sich, dass der chinesische Konsum nicht nachgelassen, sondern sich lediglich auf differenziertere Dienstleistungen und Produkte verlagert hat.