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Der Bitcoin wird salonfähig

Printausgabe | Juli 2024
Das jüngste Halving und ETF-Zulassungen auf den Bitcoin haben den Preis der Kryptowährung auf neue Rekordmarken getrieben. Der Einstieg von institutionellen Anlegern scheint auf längere Sicht weiteres Kurspotenzial zu eröffnen, aber es bleiben Risiken.
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Schlagzeilen wie „Bitcoin-Kurs wird nach Boden bald explodieren“ oder „Twitter-Mitbegründer sieht Bitcoin bis 2030 bei mindestens einer Million US-Dollar“ sind dieser Tage keine Seltenheit. Denn der Kurs des Bitcoins, als älteste und stärkste Digitalwährung, hat allein in den letzten zwölf Monaten um mehr als 150 Prozent zugelegt (siehe Preischart unten).

Die jüngste Hausse des Bitcoins wird vor allem von zwei Ereignissen gespeist: Zunächst kam am 10. Januar der vom Markt lang ersehnte Paukenschlag, mit dem die amerikanische Börsenaufsicht SEC nach langen Verhandlungen den Handel mit Spot-ETF auf Kryptowährungen zugelassen hat. Dann fand am 20. April das viel beschworene Halving des Bitcoins statt, das in der Kryptowelt bereits Monate zuvor diskutiert wurde. Denn das Halving hat kritische Auswirkungen auf das Bitcoin-Netzwerk und den breiteren Kryptowährungsmarkt.

Genauso wie die Obergrenze des Gesamtangebots von 21 Millionen Bitcoin fest einkodiert ist, ist das Bitcoin-Halving ein Kernmechanismus der Digitalwährung. Mit jedem Halving wird die Belohnung, die die Miner für die Verarbeitung von Transaktionen und das Hinzufügen neuer Blöcke zur Blockchain erhalten, um die Hälfte reduziert. Diese Kürzung erfolgt genau alle 210.000 Blöcke, also etwa alle vier Jahre, je nachdem, wie lange es durchschnittlich dauert, einen neuen Block zu schürfen.

Der Hauptzweck dieses Mechanismus besteht darin, das Angebot an neuen Bitcoins algorithmisch zu kontrollieren, indem die Rate, mit der neue Bitcoins geschaffen werden können, reduziert wird. In Kombination mit der fest kodierten Angebotsobergrenze führt das zu einem deflationären Währungseffekt, so dass mit der gleichen Geldeinheit mehr Waren und Dienstleistungen gekauft werden können als zuvor. Der Bitcoin-Erfinder, der sich hinter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto verbirgt, entwickelte diese Funktion als Gegenentwurf zum bestehenden Geldsystem (FIAT), bei dem die Geldmenge von einer Zentralbank kontrolliert wird und mehr oder weniger unendlich ausgedehnt werden kann. „In der kurzen Geschichte von Bitcoin haben Halbierungsereignisse zu einem erheblichen Anstieg des Bitcoin-Preises geführt, denn nach der Marktlogik wird der Preis steigen, wenn ein verringertes Angebot an neuen Bitcoins mit einer steigenden Nachfrage einhergeht,“ erklärt Nils Otter, Professor für Ökonomie an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin. Der durch die Halbierung verursachte Angebotsschock hat bei den drei vorangegangenen Halvings in den darauffolgenden zwölf Monaten für eine überdurchschnittliche starke Wertsteigerung des Bitcoin-Kurses gesorgt und es spricht vieles dafür, dass sich der Zyklus infolge des letzten Halvings im April 2024 wiederholt.

Für viele mag der Erfolgskurs der Kryptowährung Bitcoin noch immer ein Rätsel sein. Die Fragezeichen verflüchtigen sich jedoch, sobald die dahinterliegende Technologie verstanden wird. „Kryptowährungen basieren auf der technologischen Innovation der Blockchain, und die ermöglicht es, Transaktionen in einem dezentralen Netzwerk fälschungssicher auszuführen und zu dokumentieren,“ sagt Otter, der zusammen mit mir vor zwei Jahren das Buch „Kryptowährungen und der Dezentrale Finanzmarkt“ veröffentlicht hat. Damit habe die Blockchain-Technologie das disruptive Potenzial, sehr viele Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend zu verändern, so der Experte.

ETABLIERUNG ALS ASSETKLASSE

Dieses Potenzial haben unterdessen auch die institutionellen Investoren erkannt. Spätestens nachdem die amerikanische Börsenaufsicht (SEC) im Januar 2024 grünes Licht für die ersten zehn Exchange Traded Funds (ETF) auf den Bitcoin gegeben hat, werden mehr und mehr Institutionelle zu „coiners“ und decken sich mit Bitcoins ein. Laut Informationen des Fachmagazins BTC-Echo sind innerhalb der letzten vier Monate bereits über 13 Milliarden US-Dollar in die auf Bitcoin basierenden ETF geflossen. „Durch den Ritterschlag der SEC hat sich der Bitcoin jetzt bei den großen Vermögensverwaltern der Welt etabliert, was natürlich auch eine Auszeichnung und ein zusätzliches Qualitätsmerkmal darstellt“, sagt Bernhard Wenger, Head of Northern Europe bei 21Shares, einem der ersten Emittenten von Exchanged Traded Products (ETP) auf Kryptowährungen in Europa.

Ende Mai hat die SEC im nächsten Schritt acht Anbietern die Genehmigung für Ethereum-ETF erteilt. Marktbeobachter gehen allerdings davon aus, dass es noch ein paar Wochen dauert, bis der entsprechende Handel mit der zweitgrößten Kryptowährung beginnen kann. Beim Bitcoin-ETF folgen bereits weitere Handelsplätze den Vorreitern aus New York. Nachdem die SEC den Weg frei gemacht hat, ist Hongkong dem Beispiel gefolgt und im Mai 2024 hat die London Stock Exchange (LSE) dem Vermögensverwalter WisdomTree die Genehmigung für physisch besicherte Exchanged Traded Products (ETP) auf Bitcoin und Ethereum erteilt. „Krypto Assets haben sich insgesamt als neue, investierbare Anlageklasse etabliert, die am ehesten dem Segment der Alternativen Investments zugeordnet werden dürfte“, sagt der Nordeuropa-Chef. In den fünf Jahren ihres Bestehens hat 21Shares mehr als 40 dieser börsengehandelten Produkte auf 20 verschiedene Kryptowährungen emittiert.

ETP sind von der Funktionsweise ähnlich wie ETF und bilden die Wert-entwicklung eines einzigen Krypto-Assets oder einer bestimmten Auswahl, wie beispielsweise die fünf oder zehn größten oder liquidesten Kryptowährungen, nach. Denn im Gegensatz zu den USA ist es in der Europäischen Union nicht erlaubt, einen ETF auf Einzelwerte zu lancieren, da dies den UCITS-Richtlinien der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) widerspricht. „Ein ETP hat eine Struktur, die sehr nah an einem ETF ist, aber stellt im Prinzip eine Inhaberschuldverschreibung dar, mit einem limitierten Emittentenrisiko“, erklärt Wenger. Für Investoren bieten sie einen vertrauten Weg und schlagen eine Brücke in das für die meisten noch unbekannte Universum der Krypto-Assets. Dieses können sich Anleger aber auch auf eigene Faust über den Handel an einer Kryptobörse erschließen, was allerdings nicht ganz trivial ist und einigen Initialaufwand mit sich bringt (siehe Info-Kasten „Direktanlagen über Kryptobörsen“).

„Entscheidend für eine Investition in Krypto-Assets ist in jedem Fall, dass man das zugrunde liegende Geschäftsmodell der Währung, respektive der Blockchain auf der sie basiert, versteht“, sagt der Nordeuropa-Chef. Viele Kryptowährungen, vor allem die größeren wie Bitcoin (BIT), Ethereum (ETH) oder Solana (SOL), basieren auf einer eigenen Blockchain. „Blockchains wiederrum unterscheiden sich hinsichtlich der drei Komponenten Sicherheit, Skalierbarkeit und den Grad der Dezentralisierung, die nicht alle drei gleichzeitig maximiert werden können, was man auch als Blockchain Trilemma bezeichnet“, erklärt Nils Otter. Doch sie alle bieten unzählige Anwendungsmöglichkeiten, sei es für private Unternehmen, im Bereich von Gaming oder bei der Digitalisierung von Kunst oder Musik.

OHNE EIGENEN WERT

Im übertragenen Sinn ließe sich eine Kryptowährung wie Bitcoin oder Ether mit der Aktie eines breit gefächerten Konzerns vergleichen: Ein Konzern wie Siemens bietet den rechtlichen Rahmen für ein Konglomerat aus vielen Töchtern und unterschiedlichen Geschäftsbereichen, aber es gibt nur eine Siemens-Aktie. Die Blockchain ist der technologische Rahmen, der für eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten die Basis bildet und deren Kryptowährung entspräche dann im übertragenen Sinn der Aktie. Somit stimmt es, wenn Kritiker sagen, dass eine digitale Währung keinen eigenen Wert habe, da sie ja das Potenzial der zugrundeliegenden Blockchain verkörpert. Genau genommen haben aber auch Aktien keinen eigenen Wert, sondern sind ein Stück bedrucktes Papier, das lediglich einen Anteil am Unternehmen verkörpert.

„Wie im Aktienhandel gilt auch hier: Nur wer die Geschäftsmodelle genau analysiert, kann die Chancen und Risiken seriös abwägen“, sagt Wenger. Was die digitale Leitwährung Bitcoin angeht, sieht der Experte derzeit aber eindeutig mehr Chancen als Risiken. Vor allem die Adaption seitens der institutionellen Investoren sieht er als langfristigen Beschleuniger der Kurse. Denn wenn ein Vermögensverwalter wie beispielsweise BlackRock, der Assets in Höhe von zehn Billionen US-Dollar verwaltet, auch nur 1 Prozent dieser Assets in Bitcoin investiert, bedeutet das eine zusätzliche Nachfrage nach Bitcoin in Höhe von zehn Milliarden US-Dollar, was den Kurs leicht jenseits der Hunderttausend US-Dollar katapultieren könnte. „Wir haben das mit unserem Research viel diskutiert und ja: Wenn die Mittelzuflüsse weiterhin so anhalten, kann das durchaus passieren“, sagt der Experte von 21Shares. Für ihn ist es daher klar: „Das Risiko, nicht dabei zu sein ist derzeit höher als das Risiko,
dabei zu sein.“

Die Besteuerung in Deutschland und Österreich
In Deutschland gelten Kryptowährungen als sonstige Wirtschaftsgüter. Der Verkauf zählt als privates Veräußerungsgeschäft, Gewinne müssen zum persönlichen Einkommensteuersatz versteuert werden, dies allerdings erst oberhalb einer Freigrenze von 600 Euro. Beim Verkauf nach der Spekulationsfrist von einem Jahr können Gewinne steuerfrei vereinnahmt werden.
In Österreich müssen hingegen seit dem 1. Januar 2024 heimische Handelsplätze wie Bitpanda und Coinfinity den automatischen Abzug der Kapitalertragssteuer (KESt) für Kryptowährungen durchführen. Dies gilt für alle Personen, die in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig sind, also deren Hauptwohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt dort liegt. Die Nationalität spielt dabei keine Rolle. Inländische Krypto-Dienstleister führen demnach die Kapitalertragssteuer für ihre Kunden ans Finanzamt ab, was bei korrekten Angaben durch die Kunden zu einer sogenannten “Endbesteuerungswirkung” führt. Dadurch müssen diese Krypto-Gewinne nicht mehr in die Steuererklärung aufgenommen werden.