Die Rückkehr der „negativen Volatilität“ hat die Anlegerstimmung spürbar gedämpft und viele sorgenvolle Blicke in die Zukunft hervorgerufen. Umso wichtiger ist es in dieser Phase, den Fokus auf die Unternehmensgewinne zu behalten – denn Aktien sind im Grunde nichts anderes als Anteile an den zukünftigen Gewinnen der Unternehmen. „Unter die sorgenvollen Schlagzeilen rund um Carry-Trades und Zinsängste mischte sich auch die ein oder andere schlechte Gewinnmeldung. Zugegeben, es gab im US-Bereich einige hochkarätige Enttäuschungen. Aber insgesamt waren die Ergebnisse des zweiten Quartals bisher sehr stark“, beschreibt Thomas Grüner, Gründer und Vice Chairman bei Grüner Fisher Investments, die aktuelle Situation.
Wie immer seien die Ergebnisse im Rahmen der US-Berichtssaison als Rückblick und nicht als Indikator für die zukünftige Entwicklung zu sehen. In der aktuellen Situation sei es jedoch sehr hilfreich, sich die fundamentale Stärke der Unternehmen vor Augen zu halten. „Mittlerweile haben 91 Prozent der Unternehmen im S&P 500 ihre Zahlen für das zweite Quartal 2024 veröffentlicht. Im Jahresvergleich sind die Gewinne um 10,8 Prozent gestiegen, damit wurde die Konsenserwartung von 8,9 Prozent übertroffen. Auch die Umsätze konnten im Jahresvergleich um 5,2 Prozent gesteigert werden“, erklärt Grüner.
ES IST NICHT ALLES PERFEKT
Während die Gesamtergebnisse und Umsätze die Erwartungen übertroffen hätten, habe es auch Ausnahmen gegeben. Eine große davon: Kommunikationsdienste, einer der Lieblinge dieses Bullenmarktes. Die Gewinne dieses Sektors seien im Jahresvergleich nur um vier Prozent gestiegen und hätten damit die Erwartungen von 16,6 Prozent deutlich verfehlt. Diese Schwäche sei jedoch nicht von den interaktiven Medien und Dienstleistungen ausgegangen, sondern das Problem hätte in der Unterhaltungsbranche gelegen. Ebenso schwach hätten sich die Sektoren Industrie und Grundstoffe, die auf Jahressicht keinen Gewinnzuwachs verzeichnen konnten, präsentiert. „Einzelne Unternehmen wurden an der Börse abgestraft, weil sie die Erwartungen nicht erfüllten oder ihren Ausblick senken mussten. Kurz gesagt: Wer das Haar in der Suppe sucht, der wird immer etwas finden. Die Gesamtsituation ist jedoch weitaus robuster, als sie in der ‚Panik-Phase‘ rund um die heftigen Kursrückgänge dargestellt wurde“, so Grüner.
Auf kurzfristige Volatilität zu reagieren, sei in jedem Fall riskant. Wenn man sich als Anleger nach einem plötzlichen und heftigen Kursrückgang zum Ausstieg aus den Aktienmärkten entschließe, solle man einen verdammt guten Grund für die Annahme haben, dass es noch viel weiter nach unten gehen werde. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass man nach einem Rückgang unter die Räder gerate, den anschließenden Aufschwung verpasse und sich dann der schwierigen Frage stellen müsse, wann man zähneknirschend zu höheren Kursen wieder einsteige. Gerade dieser letzte Teil sei eine sehr schwierige emotionale und psychologische Herausforderung.
„Immer wenn die Volatilität nach oben ausschlägt, ist es unserer Meinung nach wichtig, das gesamte Umfeld zu bewerten und die Einflussfaktoren objektiv zu betrachten. Die US-Unternehmensgewinne verdeutlichen, dass der Bullenmarkt ein robustes Fundament besitzt. Rückwärtsgerichtete Daten sind immer mit Einschränkungen zu betrachten, aber sie können durchaus aufzeigen, dass der Markt auf ‚Schreckensmeldungen‘ überreagiert“, fasst Grüner zusammen. Fast 80 Prozent der Unternehmen im S&P 500 hätten positiv überraschen können – und wenn es gerade die Unternehmen in die Schlagzeilen schafften, bei denen nicht alles funktioniere, sei die Realität tendenziell besser als die Stimmung.