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Deutschlands Schulden im Fokus

März 2025
Jan Viebig, ODDO BHF SE, analysiert die möglichen Folgen der beschlossenen Neuverschuldung Deutschlands für die Region sowie den Aktienmarkt.
ODDO BHF SE
Jan Viebig, ODDO BHF SE

Das Schuldenpaket der voraussichtlichen Koalition von CDU/CSU und SPD hat eine kontroverse Debatte wie selten in Deutschland ausgelöst, konstatiert Jan Viebig, Chief Investment Officer der ODDO BHF SE. Er rät, auf die Fakten zu schauen:

Die öffentlichen Schulden Deutschlands lagen Ende des 3. Quartals 2024 bei 2.489 Milliarden Euro. Daran hatte der Bund mit 1.719 Milliarden Euro den größten Anteil. Darin enthalten sind auch die diversen Sondervermögen der Vergangenheit. Die Länder kamen auf 606 Milliarden Euro, wobei Nordrhein-Westfalen mit 176 Milliarden Euro der größte Schuldner unter den Bundesländern war, gefolgt von Berlin mit 68 Milliarden Euro. Die Gemeinden kamen auf Schulden von 163 Milliarden Euro.

Wie hoch die Schuldenaufnahme tatsächlich ausfallen wird, lässt sich bisher nicht verlässlich sagen. Nimmt man allein die 500 Milliarden Euro aus dem neuen Sondervermögen, so kommen dadurch rund 20 Prozent zur bisherigen Staatsverschuldung hinzu. Die durch zusätzliche Verteidigungsausgaben verursachte Neuverschuldung ist schwer abschätzbar, könnten aber vor dem Hintergrund der erwünschten Höhe der Verteidigungsausgaben eine ähnliche Größenordnung erreichen.

Insgesamt gehen die Schätzungen für die Entwicklung der Schuldenquote weit auseinander. Das Ergebnis hängt stark von der tatsächlichen Höhe der Verteidigungsausgaben, von der Einschätzung der Wachstumswirkungen des Finanzpakets und von der Zinsentwicklung ab.

Je mehr die Mittel aus dem Schuldenpaket in öffentliche Investitionen fließen, desto größer wird der positive Effekt für die Wirtschaft ausfallen. Auf diesen Multiplikatoreffekt berufen sich die Union und die SPD in ihrem Gesetzentwurf und beziffern ihn unter Berufung auf nicht näher bezeichnete „Schätzungen aus der wissenschaftlichen Literatur“ auf größer als eins. Somit hätten diese Zusatzausgaben einen positiven Effekt für die Wirtschaft.

Recht sicher ist jedoch, dass Deutschland sich deutlich vom 60-Prozent-Deckel der Maastricht-Kriterien entfernen dürfte. Zwar steht bei den drei großen Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch die Bestnote, die Deutschland mit einigen wenigen Ländern teilt, bisher nicht unmittelbar in Gefahr.

WIE REAGIEREN DIE RATING-AGENTUREN?

Im Gegenteil, für S&P stabilisiert das Schuldenpaket sogar Deutschlands AAA-Bonitätsnote. Moody’s wiederum erwartet, dass die deutsche Schuldenquote bis 2026 um fünf Prozentpunkte steigt, sieht jedoch wie S&P durch die zusätzlichen Schulden positive Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum. In einer ersten Reaktion ist es zu einem deutlichen Anziehen der Bund-Rendite von etwa 2,4 Prozent auf rund 2,8 Prozent gekommen, und die Risiken bleiben nach unserer Einschätzung tendenziell aufwärts gerichtet.

Die Notwendigkeit von erheblichen Mehrausgaben für die Verteidigung ist kaum von der Hand zu weisen. Wünschenswert wäre es gewesen, die Grenze für die Anrechnung der Verteidigungsausgaben höher, bei 2 Prozent des BIP, anzusetzen. Dies hätte den Druck zu Einsparungen in anderen Bereichen des Haushalts erhöht. Denn die Schuldenbremse ist grundsätzlich weiterhin gültig. Ein höherer Grenzwert würde Einsparungen in anderen Bereichen des Haushalts notwendig machen, um im Gesamthaushalt den Grenzwert von 0,35 Prozent für das strukturelle Defizit halten zu können.

Wichtig ist es, die konsumtiven Ausgaben in Schach zu halten und die Mittel des Infrastrukturfonds zielgerichtet einzusetzen. Die Erfahrungen der Vergangenheit nähren die Sorge, dass ein Teil des Geldes in pseudo-investive – eigentlich konsumtive – Verwendungen fließt.

Wichtig ist es darüber hinaus, den Bedarf an Strukturreformen und Entbürokratisierung nicht mit Geld zu überkleistern. Denn ohne Strukturreformen und Entbürokratisierung wird es nur schwer gelingen, spürbare Verbesserungen der öffentlichen Infrastruktur zu realisieren und, vor allem, auch die privaten Investoren zu inspirieren.

Unerlässlich ist aus unserer Sicht eine kluge Verwendung der zusätzlichen Finanzmittel, damit diese dazu beitragen, der deutschen Wirtschaft aus ihrer Stagnation zu helfen und auch den Unternehmen Wachstumsperspektiven zu eröffnen wie auch einen zuversichtlicheren Blick in die Zukunft zu ermöglichen. Das sollte dann auch nicht zum Nachteil der Anleger an den deutschen Aktienmärkten sein.