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Die Volatilität ist zurück

August 2024
Stephen Auth, Federated Hermes, nennt mehrere Gründe, weshalb Anleger sich auf höhere Schwankungen an den Börsen einstellen müssen.
Federated Hermes
Stephen Auth, Federated Hermes

Fünf Voraussetzungen haben sich verändert und sind der Grund, warum der Markt volatil bleiben und die „Große Rotation“ andauern wird. Stephen Auth, Chief Investment Officer Equities bei Federated Hermes erklärt diese fünf wichtigen Veränderungen

Seit Anfang Juli haben die Märkte eine Phase erhöhter Volatilität durchlebt. In der vergangenen Woche schien sich die Lage jedoch etwas zu beruhigen. Auch die ISM-Daten für den Dienstleistungssektor fielen besser aus als von vielen befürchtet. Dies deutet darauf hin, dass eine drastische Verlangsamung des Wirtschaftswachstums vorerst ausgeblieben ist. Der Präsident der Bank of Japan (BoJ) entschuldigte sich dafür, die Märkte aufgeschreckt zu haben und kündigte an, dass die nächste Zinserhöhung verschoben wird, bis sich die Marktlage stabilisiert hat. Auch Fed-Vorsitzender Jerome Powell bestätigte, dass er die aktuelle wirtschaftliche Abschwächung erkannt habe und deutete an, dass Zinssenkungen möglicherweise bald bevorstehen könnten.

Stephen Auth, CIO Equities bei Federated Hermes, wirft in diesem Kontext die Frage auf, ob man aktuell in Wachstumswerte wieder einsteigen sollte, jetzt wo der Markt derzeit sechs Prozent unter seinem Höchststand liegt und Large-Cap-Wachstumswerte um neun Prozent gefallen sind. Dazu sagt er: „Wir sind der Ansicht, dass es derzeit keinen Anlass zur Eile gibt. Wir denken nicht, dass die letzten Wochen lediglich eine „normale August-Volatilität“ widerspiegeln, die auf die aktuelle Urlaubssaison zurückzuführen ist. Wichtige Faktoren, die das Investitionsklima der letzten zwei Jahre prägten, haben sich erheblich verändert. Entsprechend müssen Anleger ihre Strategien anpassen.“

Es hat den Anschein, dass die sogenannte „Große Rotation“ der letzen Wochen noch nicht zu Ende ist. Mit Blick auf die eigene Portfolioaufstellung sagt Auth daher: „Daher bleiben wir bei unserer insgesamt vorsichtigeren Haltung und werden unsere Aktienübergewichtung auf Small Caps, Value-Titel und Schwellenländer konzentrieren.“

Diese fünf Punkte haben sich laut Auth geändert:

Der Yen-Carry-Trade ist vorbei

In den letzten Jahren verfolgte die Bank of Japan eine sehr lockere Geldpolitik mit Zinssätzen unter null. Eine Zeit lang lagen auch die Zinssätze in den anderen G-7-Staaten auf einem extrem niedrigen Niveau – teilweise nahe Null. Das wiederrum verringerte den Vorteil der Kreditaufnahme in Yen zur Finanzierung von Investitionen in Euro oder Dollar. Im Frühjahr 2022 änderte sich dies jedoch grundlegend. Denn die Fed begann damit, die Zinssätze drastisch zu erhöhen, während die Bank of Japan weiterhin an ihrem negativen Zinssatz festhielt, bis die Inflation ihr Ziel von zwei Prozent erreichte.

„Als die Bank of England und die Europäische Zentralbank folgten und ihre Zinssätze anhoben, eröffneten sich den Anlegern einmalige Chancen. Ein riesiger Markt für Staatsanleihen in einer der größten Volkswirtschaften der Welt bot Kreditzinsen nahe null, während andere Märkte Renditen von vier bis sechs Prozent boten“, so Auth.

Zudem wurde das Geschäft noch attraktiver als der Yen fiel. Viele internationale Hebel-Anleger begannen nun damit, Positionen aufzubauen. Dies ermöglichte es den Yen-Schuldnern, ihre geliehenen Yen zu günstigeren Kursen zurückzuzahlen, als sie sie ursprünglich aufgenommen hatten. Als die Situation sich zuspitzte, erkannten dieselben Investoren, dass sie noch höhere Renditen erzielen konnten, indem sie nicht in Staatsanleihen, sondern in Large-Cap-Wachstumsaktien investierten. Die Schätzungen über das Volumen dieses weitgehend unregulierten Handels schwanken stark und reichen von 350 Milliarden bis 2,5 Billionen US-Dollar.

Mit Blick auf den breiten Markt merkt Auth an: „Obwohl einige Experten sagen, dass der Handel abgewickelt ist, sind wir hier anderer Meinung. Unserer Erfahrung nach dauert es Wochen, bis solche über längere Zeit aufgebauten Positionen vollständig abgewickelt sind – nicht nur drei Tage.“

Schnell abgebaut werden hingegen die Positionen, die am ehesten „aus dem Geld“ sind und sehr kurzfristige Fälligkeitsdaten haben. Positionen mit einem längeren bis mittleren Fälligkeitsdatum dürften noch im Umlauf sein. Die Abwicklung dieser Positionen wird einige Zeit in Anspruch nehmen und vermutlich Druck auf den Dollar/Yen-Kurs sowie auf Dollarwerte ausüben, die zuvor von der Hebelwirkung profitiert haben. Dazu zählen etwa Large-Cap-Wachstumsaktien und japanische Aktien im EAFE-Index.

Die Renditekurve ist nicht mehr invers

Ein markantes Merkmal des Investitionsklimas der letzten zwei Jahre war die stark inverse Renditekurve, bei der die kurzfristigen Zinssätze zeitweise 100 bis 150 Basispunkte über den langfristigen Zinssätzen lagen. Diese Inversion neigt sich nun dem Ende zu, und Stephen Auth erwartet, dass sich in den nächsten zwei Jahren eine normalere, nach oben geneigte Kurve etabliert: „Die Fed Funds Rate wird voraussichtlich von 5,5 Prozent auf etwa drei Prozent sinken, während die 10-jährigen Treasury-Renditen relativ stabil zwischen 3,75 und 4,25 Prozent bleiben dürften. Der Leitzins wird voraussichtlich auf etwa drei Prozent zurückgehen, da sich die Arbeitsmärkte stabilisieren und das Inflationsziel der Fed von zwei bis 2,5 Prozent wahrscheinlich erreicht wird. Wenn es nicht zu einer Finanzkrise kommt (was wir angesichts der derzeitigen Stärke und der hohen Reserven des Bankensystems nicht erwarten), dürfte sich eine historisch normalere Laufzeitprämie wieder durchsetzen.“

Auch nach der Anleihenbaisse von 2022 wurden die Anleiheinvestoren auf schmerzhafte Weise daran erinnert, dass die Zinsen steigen und fallen. Das bedeutet, dass die Renditen langfristiger Anleihen in diesem Zyklus wahrscheinlich ungefähr dort liegen werden, wo sie am Ende sein werden. Dies ist für langfristige Anleger von großer Bedeutung. Der 10-Jahres-Zinssatz ist wichtig, da er als primärer Diskontsatz für die Bewertung von langfristigen Vermögenswerten wie Large-Cap-Wachstumsaktien dient. Als der 10-Jahres-Zinssatz im Jahr 2022 unerwartet stark anstieg, erlitten diese Aktien einen Rückschlag. Kurzfristige Zinssätze sind ebenfalls wichtig für Aktien, insbesondere für Finanzwerte, kapitalintensive Aktien und Small-Cap-Aktien, da diese Unternehmen kurzfristige Mittel zur Finanzierung ihrer Bilanzen nutzen. Der Anstieg der kurzfristigen Zinssätze von 0,25 Prozent im März 2022 auf 5,5 Prozent im Juli 2023 hatte daher erhebliche negative Auswirkungen auf die Gewinne dieser Unternehmen, insbesondere bei den Value- und Small-Cap-Indizes.

„Wenn sich die Renditekurve umkehrt – das heißt, wenn die kurzfristigen Zinssätze sinken, während die langfristigen Zinssätze stabil bleiben – dürften die gleichen Aktien, die durch die steigenden kurzfristigen Zinssätze beeinträchtigt wurden, nun profitieren. Im Gegensatz dazu werden Wachstumstitel mit langer Duration von einem stabilen langfristigen Zinssatz kaum profitieren, da sich die langfristigen Zinssätze voraussichtlich wenig ändern werden“, fasst Auth die Situation zusammen.

Der relative Vorteil des Gewinnwachstums von Wachstumsaktien mit hoher Marktkapitalisierung lässt nach

Nachdem Wachstumsaktien in den letzten 18 Monaten bereits beträchtlich performt haben, zeigte sich bei Large-Cap-Wachstumswerte ein zusätzlicher Vorteil: Sie verzeichneten ein schnelleres Wachstum als der Rest des Marktes. Im Jahr 2023 lagen die Gewinne der Large-Cap-Wachstumswerte um 9,5 % über denen der Large-Cap-Value-Werte, und in der ersten Hälfte des Jahres 2024 wuchs dieser Vorsprung auf 23,6 Prozent. Doch in der zweiten Jahreshälfte 2024 und bis ins Jahr 2025 wird der Unterschied im Gewinnwachstum voraussichtlich auf 4,5 Prozent schrumpfen.

Diese bedeutende Veränderung wird insbesondere die Momentum-Trader betreffen, die stark in Large-Cap-Wachstumsaktien investiert sind, oft unter Einsatz von Hebeln. „Wir erwarten daher, dass dies einen anhaltenden Abwärtsdruck auf diese Aktien ausüben wird“, äußert sich Stephen Auth in diesem Kontext.

Der Wahlkampf verschärft sich, und die politische Unsicherheit nimmt zu

Stephen Auth identifiziert zudem ein weiteres Problem, das sich für Anleger in den letzten drei Wochen abgezeichnet hat: Die Verschiebung der Wahlprognosen. „Während im Mai viele Marktteilnehmer, einschließlich uns, Trump als sicheren Gewinner sahen, hat sich die Situation nun geändert. Präsident Biden wurde durch Vizepräsidentin Kamala Harris auf dem Wahlzettel der Demokraten ersetzt.“

Angesichts der erheblichen Unterschiede zwischen einer republikanischen und einer demokratischen Regierung geht er davon aus, dass die ohnehin angeschlagene Wirtschaft in den kommenden Monaten weiter schwächeln könnte. Unternehmen könnten ihre Investitions- und Beschäftigungspläne aufschieben, bis ein klareres Bild des zukünftigen regulatorischen und steuerlichen Umfelds entsteht. Auch wenn sich die Situation bis Mitte November klären könnte, besteht die Gefahr, dass dies zu Schwankungen der Wirtschaftsindikatoren führt. Diese sind für viele Marktbeobachter besonders relevant.

Der Arbeitsmarkt wird schwächer

„Ein wesentliches Merkmal der Post-Covid-Ära ist die auffallende Anspannung des Arbeitsmarktes auf einem fast historischen Niveau“, sagt Stephen Auth. Über zwei Jahre hinweg – von Januar 2022 bis April 2024 – blieb die offizielle Arbeitslosenquote in den USA (U3-Arbeitslosenquote) schließlich unter vier Prozent und erreichte in ihrer höchsten Phase den niedrigsten Wert seit 1969.

Ein weiterer Indikator für die angespannte Situation ist die Anzahl der offenen Stellen pro arbeitslosem Arbeitnehmer. Diese stieg 2022 auf den höchsten Stand seit Beginn der Datenerfassung im Jahr 2000. Diese Anspannung war ein wesentlicher Faktor für die anhaltend hohen Inflationsraten, weshalb auch die Fed den Zinssenkungszyklus verzögerte und trotz des Drucks durch Faktoren wie die Inflation den Konsumsektor stützte. Diese Abschwächung des Arbeitsmarktes wird sich voraussichtlich sowohl positiv als auch negativ auf bestimmte Unternehmen auswirken. Für die Märkte würde dies bedeuten, dass die Volatilität an den Märkten wieder zunehmen könnte. „Obwohl wir kein systemisches Risiko im Bankwesen erkennen, das die Schwäche des Arbeitsmarktes zu einer breiteren Rezession ausweiten und vertiefen könnte, könnte dies für einige Zeit ein Umfeld schaffen, in dem „schlechte Nachrichten schlechte Nachrichten“ für Aktien bedeuten – eine Situation, die wir seit langem nicht mehr erlebt haben“, zieht Stephen Auth als Fazit.

Abschließend fasst Auth die Situation wie folgt zusammen: „An den globalen Kapitalmärkten ist es immer schwierig, das alltägliche Hintergrundrauschen von bedeutenderen Entwicklungen zu unterscheiden. Das gilt insbesondere angesichts des täglichen Nachrichtenzyklus und der Tendenz aller Akteure, die Ereignisse zu überdramatisieren. Erst in einigen Monaten werden wir wissen, ob die „Große Rotation“, die Anfang Juli begann und sich in der vergangenen Woche teilweise wieder umkehrte, auf eine drastische Veränderung der Fundamentaldaten des Marktes hinweist oder nur ein vorübergehendes Phänomen war. Wir glauben, dass Ersteres der Fall ist und empfehlen weiterhin Portfolios nach unserem ausgewogenen Modell. Die Zeit wird es zeigen.“