FONDS exklusiv: Heute, einige Monate nach Ausbruch der Corona-Krise, gehört das Arbeiten im Homeoffice ebenso zur „neuen Normalität“ wie der bargeldlose Zahlungsverkehr. Wie münzen Sie diesen beschleunigten digitalen Wandel in Ertragschancen um?
Guy de Blonay: Das Arbeiten im Homeoffice stellt einen Wendepunkt dar. Es ist mittlerweile sozial und beruflich akzeptiert und wir gehen davon aus, dass dies auch dauerhaft so bleiben wird. Das Arbeiten von zuhause aus verlangt aber auch von Finanzdienstleistern, ihre Strategie hinsichtlich der eigenen Cybersicherheit erneut zu prüfen. Gewinner sind aktuell Anbieter von Tools für die Zusammenarbeit und Identitätsschutz sowie von Remote- und Cloud-Lösungen. Jenseits der sogenannten Hyperscalers wie Amazon Web Services und Microsoft Azure konzentrieren wir uns im Jupiter Financial Innovation Fonds auf das gesamte Ökosystem von Software- und Dienstleistungsanbietern, die Unternehmen bei der Modernisierung ihrer IT-Systeme unterstützen.
In welchen Bereichen der Wertschöpfungskette von Finanzdienstleistungen sorgt die zunehmende Digitalisierung noch für Innovationen mit Ertragspotenzial?
G. B.: Wir sehen hier insbesondere noch zwei Bereiche. Erstens: digitale Zahlungslösungen, die den Übergang zu einer bargeldlosen Gesellschaft unterstützen. Mit dem wachsenden E-Commerce verschwimmt die Trennung zwischen Online- und Offline-Handel. Und seit Covid-19 haben viele Händler zum ersten Mal Online-Shops oder Lieferoptionen eingerichtet. Zahlungsanbieter wie Adyen, die sich traditionell auf den E-Commerce konzentrieren, dürften vermutlich ihren Technologievorsprung nutzen, um im traditionellen Einzelhandel zu expandieren. Das zweite Gebiet ist der Data-Bereich. Jährlich steigt die Menge an digitalen Informationen und dies sogar exponentiell. Die Londoner Börse, eine unserer Holdings, hat sich diese Chance zunutze gemacht. Das traditionelle Börsengeschäft profitiert von der aktuellen Marktvolatilität. Zudem hat sich das Unternehmen erfolgreich als Anbieter von Finanzinformationen neu erfunden.
Neben großen Unternehmen wie Alibaba und Visa investieren Sie auch in Fintechs. Wie versuchen Sie hier das Risiko von Ausfällen durch Unternehmensinsolvenzen zu begrenzen?
G. B.: In einem Umfeld mit niedriger Inflation und extrem niedrigen Zinsen können Unternehmen mit einem guten Produkt und weitgehend unerschlossenem Zielmarkt durchaus in Wachstum investieren. Wir überprüfen die Vorgaben des Managements und den Weg zur Rentabilität hierbei sorgfältig. Es besteht der Irrglaube, dass Fintech-Unternehmen insgesamt kein Geld verdienen. Dies kann auf schnell wachsende Anbieter von Cybersicherheit oder Software zutreffen. Aber in anderen Sektoren wie dem Zahlungsverkehr, haben die meisten Anbieter eine solide finanzielle Basis. Insgesamt ist die überwiegende Mehrheit unseres Portfolios in profitable Unternehmen investiert und dies dürfte auch in diesem Jahr so bleiben.
Niemand weiß, wie die Arbeitswelten in einigen Jahren aussehen werden. Rechnen Sie damit, dass sich die von Ihnen beschriebenen Digitalisierungstrends in Zukunft unvermindert fortsetzen werden?
G. B.: Wir sind überzeugt, dass traditionelle Finanzdienstleister weiterhin in Technologie investieren müssen, um zu überleben. In den letzten Jahren haben wir uns intensiv damit beschäftigt, über Teilsektoren und Regionen hinweg diejenigen Unternehmen zu identifizieren, die das richtige Geschäftsmodell oder richtige Produkt besitzen, um diese digitale Transformationschance zu nutzen. Im Zahlungsverkehr beispielsweise beschleunigt sich der Trend zu bargeldlosen Gesellschaften aufgrund von Covid-19 – wenn auch in unterschiedlichen Formen. In Europa und den USA bevorzugen die Verbraucher Kartenzahlung. In China hingegen haben sich digitale Brieftaschen und QR-Codes stärker durchgesetzt. Bei der Risikobewältigung geht es darum, liquide, diversifiziert und flexibel zu sein. Die Sektoren Finanzen und Finanztechnologie haben den Vorteil, untereinander nur wenig miteinander verknüpft zu sein. Denn Banken, Börsen, Zahlungen und Cybersicherheit werden von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst.