Die Finanzmärkte befinden sich in einem fragilen Gleichgewicht, wobei die globalen Leitbörsen derzeit keine signifikanten Kursbewegungen zeigen, betont Eduard Baitinger, Leiter Asset Allocation in der FERI Gruppe, in seinem aktuellen Marktkommentar. Die weiteren Aussichten erscheinen getrübt, denn das fundamentale Marktumfeld weist auf eine Rezession im späteren Jahresverlauf oder Anfang 2024 hin. Die Erschütterungen im Bankensektor vom März werden die Finanzinstitute zudem veranlassen, ihre Liquiditätspuffer aufzubauen, mit weiteren Einschränkungen der Kreditvergabe ist daher zu rechnen. Was aus Sicht der Banken geboten erscheint, ist gesamtwirtschaftlich betrachtet eine klare Belastung, da Kredite die Wirtschaft antreiben. Allerdings haben sich die Finanzmärkte mit Rückschlägen dieser Art in den letzten Wochen und Monaten ausgiebig auseinandergesetzt.
Ein mildes Rezessionsszenario ist daher mittlerweile fest eingepreist und wäre somit keine negative Überraschung. Zudem wird immer deutlicher, dass die globale Straffung der Geldpolitik in einem späten Stadium angelangt ist. Daher sind vereinzelt sogar Leitzinssenkungen im Jahresverlauf vorstellbar. Diese Aussicht dürfte die Bewertungsniveaus der Aktienmärkte unterstützen und dadurch die Kursverluste ausgehend von einer Rezession konterkarieren.
US-DEFIZITGRENZE IM FOKUS
Für die kurz- bis mittelfristige Marktentwicklung ist die aktuelle Berichtssaison ausschlaggebend. Da die Erwartungshaltung generell sehr niedrig ist, sind hier durchaus positive Überraschungen möglich. Sollten die Gewinnmeldungen und vor allem die weiteren Ausblicke besser ausfallen als angenommen, könnten die Aktienmärkte den zuletzt angedeuteten leichten Aufwärtstrend weiter fortsetzen.
Im Sommer drohen jedoch neue Turbulenzen. Nach jüngsten Schätzungen könnte den USA bereits Mitte Juni das Geld ausgehen, sofern die zulässige Schuldenobergrenze nicht angehoben wird.
Das Risiko, dass eine rechtzeitige Anpassung der Defizitgrenze nicht gelingt, ist hoch, da die politische Spaltung in den USA keinen schnellen Konsens erwarten lässt. Ein sogenannter „technischer“ Zahlungsausfall, bei dem die US-Staatsschulden zeitweise nicht (ausreichend) bedient werden, wäre die Konsequenz. Dies dürfte spürbare Korrekturen und Kurskapriolen auslösen, auch wenn ein nachhaltiger „echter“ Zahlungsausfall der USA nur theoretisch möglich ist. Trotzdem sollten professionelle Investoren das skizzierte Risikoszenario ernst nehmen und Teile ihrer Portfoliostruktur durch „Safe Haven“-Assets absichern.