Wenn Arbeitnehmer nicht mehr arbeiten können, weil sie einen Unfall erleiden oder krank werden, bekommen sie zunächst sechs Wochen lang die Entgeltfortzahlung ihres Arbeitgebers. Nach sechs Wochen haben die in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Arbeitnehmer einen Anspruch auf Krankengeld. Der Anspruch auf Krankengeld berechnet sich mit 70 Prozent des durchschnittlichen Bruttoentgelts, maximal jedoch mit 90 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens. Vom Krankengeld müssen außerdem Beiträge zur Arbeitslosen-, gesetzlichen Renten- und sozialen Pflegeversicherung abgeführt werden.
Stellt sich die Frage: Wie realistisch ist es, dass jemand über sechs Wochen krank und arbeitsunfähig wird? Das geht leider schneller, als man denkt. So ist ein Bandscheibenvorfall nicht nur schmerzhaft, sondern kann langwierig sein. Einfache Unfälle mit Verletzungen an Knochen heilen oft langsam. Dazu können Krankheiten mit psychischen oder psychosomatischen Ursachen Arbeitnehmer länger ausbremsen. Auch Krebserkrankungen gehören zu langandauernden Krankheiten. Daran schließen sich oftmals Reha- oder Anschlussheilbehandlungen an.
Durch den Erhalt von Krankengeld haben Arbeitnehmer weniger auf dem Konto. Die Folge: Es entsteht eine Versorgungslücke. Der Anspruch auf gesetzliches Krankengeld besteht für dieselbe Krankheit maximal für 78 Wochen innerhalb von drei Jahren, wobei der Leistungsanspruch für die Dauer der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber ruht. So reduziert sich die Dauer der Leistungszahlung durch den gesetzlichen Krankenversicherer also auf 72 Wochen. Außerdem verlängert sich der Anspruch auf Krankengeld infolge einer weiteren Erkrankung während des Leistungsbezugs nicht.
Versicherungsmakler Sven Hennig aus Bergen auf Rügen rechnet in seinem Blog über Berufsunfähigkeits- und private Krankenversicherungen vor, dass die Lücke für normale Arbeitnehmer höher ist als die zehn Prozent weniger Nettoverdienst. Als Beispiel wählt er eine Frau mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 3.220 Euro bzw. 2.100 Euro netto. Die Begrenzung beim Krankengeld liegt bei 70 Prozent des Bruttoeinkommens, also 2.254 Euro, oder 90 Prozent des Nettoeinkommens, also 1.890 Euro. Davon werden dann im Anschluss noch die Beiträge zur Sozialversicherung abgezogen (also 9,3 Prozent Rentenversicherung, 1,2 Prozent Arbeitslosenversicherung und 1,525 Prozent Pflegeversicherung, evtl. zuzüglich 0,25 Prozent Kinderzuschlag, falls die Frau keine Kinder hat). Das Nettokrankengeld beträgt dann nur noch 1.655 Euro. Zum heutigen Nettoeinkommen von 2.100 Euro fehlen also 445 Euro, das sind über 20 Prozent. Vielen Menschen, so Makler Hennig, ist es gar nicht bewusst, dass es eine so große Lücke gibt. Wenn ihnen klar wird, dass sie für eine Krankentagegeld-Versicherung (KTGV) relativ wenig finanziellen Aufwand betreiben müssen, dann entscheiden sie sich vielfach für eine solche Absicherung.
Wer ein Jahresbruttogehalt von über 43.470 Euro hat, muss im Vergleich zu seinem sonstigen Nettoverdienst noch größere Einschnitte hinnehmen, weil das gesetzliche Krankengeld auf 70 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (2024: 62.100 Euro) begrenzt ist. Hier ist die Versorgungslücke zum ehemaligen Nettoverdienst daher größer. Wenn also die Fixkosten hoch sind oder eine Familie abzusichern ist, sollten die Vorzüge der KTGV erwogen werden.
existenzieller schutz
Bei Selbstständigen spitzt sich die Lage erheblich zu, da sie keinen Arbeitgeber haben, der Entgeltfortzahlung leistet. Um eine Einkommenslücke zu vermeiden, muss die KTGV sofort greifen. Privatversicherte Arbeitnehmer stehen nach den sechs Wochen Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber blank da. Auch hier kann eine KTGV helfen. Bei einem privaten Krankenversicherer kann das Krankentagegeld der Höhe nach bis zum durchschnittlichen Nettoeinkommen des Versicherten frei vereinbart werden. Davon müssen Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet werden, die aber von den privaten Krankenversicherern getragen werden (§ 349 Abs. 4 Satz 1 SGB III). Jedenfalls gehört die KTGV für Selbstständige und Privatversicherte zu den existenzsichernden Versicherungen. Viele der KTGV-Produkte sind mit sehr wenigen oder ohne Gesundheitsfragen abschließbar. Auch für den Bund der Versicherten gehört die KTGV für privatversicherte Erwerbstätige und Selbstständige „zum wichtigsten Versicherungsschutz“. Für gesetzlich krankenversicherte Erwerbstätige sei sie immerhin „eine wichtige Versicherung“.
Im Unterschied zur Berufsunfähigkeit besteht bei einer Arbeitsunfähigkeit lediglich eine vorübergehende Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit. Berufsunfähigkeit tritt in der Regel nicht sofort ein, sondern erst dann, wenn klar ist, dass keine Rückkehr in den Beruf möglich ist. Kompliziert kann es werden, wenn eine längere Arbeitsunfähigkeit mit Bezug von Krankentagegeld in eine Berufsunfähigkeit mündet. Für den Versicherten besteht in solchen Fällen das Risiko, dass die KTGV nicht mehr zahlt und er das zuvor bezogene Krankentagegeld zurückzahlen muss. Weniger Konfliktpotenzial bieten in diesem Zusammenhang Krankentagegeldtarife, die eine Zahlung trotz des Bezugs einer Berufsunfähigkeitsrente vorsehen, erklärt Abdulkadir Cebi, leitender Analyst beim Ratinghaus Assekurata.
Vor dem Abschluss der richtigen KTGV lohnt es sich, Anbieter und Tarife zu vergleichen. Da die meisten Tarife mit Altersrückstellungen kalkulieren, sollten Wechsel des Anbieters vermieden werden, da sonst angesparte Gelder verloren gehen. Die Beitragshöhe der KTGV hängt nicht nur von Alter und Gesundheitszustand des Kunden ab, sondern bestimmt sich auch nach der Höhe des gewünschten Tagegeldes und danach ab, wann die Versicherung für den Verdienstausfall greifen soll. Darüber hinaus gibt es Unterschiede in den Tarifen zum Beispiel in der Definition des Versicherungsfalls oder bei den Regelungen zur Anzeige und zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit.
Es gilt bei der KTGV wie in der Krankenversicherung: Je besser und klarer die Versicherungsbedingungen formuliert sind, umso reibungsloser ist im Leistungsfall die Abwicklung, erläutert Makler Hennig. Beinhalten sollte die Absicherung etwa psychotherapeutische Leistungen, Reha- und Kurleistungen sowie Wiedereingliederungsmaßnahmen (Hamburger-Modell). Bei der Produktauswahl schaut der Makler auch darauf, wie viele
Gesundheitsfragen beantwortet werden müssten, da dies wiederum das Risiko einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung beeinflusse. Nicht alle Fragen seien sauber und klar formuliert, sodass Vermittler darauf achten sollten, dass ein sicherer Versicherungsschutz abgebildet werden kann. „Je höher das Krankentagegeld versichert werden soll, umso umfangreicher und komplexer fallen die Gesundheitsfragen aus“, erklärt Hennig.
Das Rüsselsheimer Analysehaus Morgen & Morgen untersuchte im vergangenen Jahr 88 KTGV-Tarife hinsichtlich ihrer Leistungen sowie auf Verbraucherfreundlichkeit ihrer Versicherungsbedingungen. 14 Mal wurde die Höchstnote von fünf Sternen vergeben (siehe Tabelle auf Seite 57). Die Höhe der Beiträge fällt im Schnitt moderat aus. Bei einem Alter von 30 Jahren beläuft sich der durchschnittliche monatliche Beitrag für ein Krankentagegeld mit 20 Euro Leistung am Tag bzw. 600 Euro im Monat auf knapp zehn Euro. Ab einem Alter von 50 Jahren wird es mit einem Beitrag von durchschnittlich rund 18 Euro im Monat knapp doppelt so teuer. Die Beiträge blieben im Vergleich zu 2022 konstant.
Wodurch sich gute Tarife abheben
Beim KTGV-Angebot gibt es nach Einschätzung der Experten seit Jahren kaum Bewegung. Nach wie vor scheiterten viele Tarife an einem Sprung über die 3-Sterne-Bewertung, weil sie nicht auf das ordentliche Kündigungsrecht verzichten, sollte nur eine Teilversicherung bestehen (etwa eine stationäre Zusatzversicherung oder Zahnzusatzversicherung für GKV-Versicherte). Auf die Frage, worin sich gute von schlechten Tarifen unterscheiden, sagt Thorsten Bohrmann, Senior Versicherungsanalyst bei Morgen & Morgen: „Sehr gute Tarife sollten in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen beinhalten, ob der Versicherer bei Rückfallerkrankungen und wiederholter Arbeitsunfähigkeit leistet, ohne dass erneut Karenzzeiten zu durchlaufen sind“. Zusätzlich sollten keine unüblichen Einschränkungen in den Bedingungen enthalten sein. Wartezeitverzicht oder Leistungen bei Wiedereingliederungsmaßnahmen sind nach Angaben des Analysten weitere Punkte, die einen guten Tarif ausmachen.