Die Wucht, mit der die jüngste Coronawelle losrollte, war ebenso heftig wie überraschend für viele Menschen. Sie weckt auch Sorgen rund um die weitere Entwicklung der globalen Konjunktur. Schon jetzt gibt es eine Reihe an Belastungsfaktoren für die Wirtschaft, zu denen anhaltende Lieferengpässe und ein Mangel an Halbleitern zählen. Auch der Konflikt zwischen den USA und China eskalierte zuletzt einmal mehr und sorgt an den Kapitalmärkten für gelegentliches Störfeuer.
Der Start in das neue Jahr 2022 dürfte angesichts solcher Entwicklungen denkbar schwierig werden. Doch trotz des eingetrübten Umfelds sind Kapitalmarktexperten für das kommende Jahr insgesamt zuversichtlich. Das zeigt die aktuelle FONDS exklusiv-Umfrage unter Top-Vermögensverwaltern in Deutschland und in Österreich.
KONSUMSTAU LÖST SICH AUF
Ulrich Kaffarnik, Vorstandsmitglied der DJE Kapital AG und Kapitalmarktexperte, meint: „Der Aufschwung wird im kommenden Jahr weitergehen und zumindest bis 2023 anhalten.“ Als wesentlichen Treiber sieht Kaffarnik die anhaltend hohe Nachfrage aus dem Konsumsektor, die aufgrund der Lieferengpässe aber noch nicht voll bedient werden konnte. „Diese sollten sich im kommenden Jahr allmählich auflösen. Dann kann auch die aufgestaute Nachfrage stückweise abgearbeitet werden.“ Den Marktexperten stimmt unter anderem die steigende Impfbereitschaft in Asien zuversichtlich, insbesondere in wichtigen Zulieferländern wie Vietnam, den Philippinen und Thailand. Damit sollte auch die Produktion allmählich hochgefahren werden können.
Die globale Unternehmenslandschaft hat sich trotz der Schwierigkeiten bei Lieferungen bislang wacker geschlagen. Laut FactSet Research Systems, einem US-amerikanischen Finanzdaten- und Softwareunternehmen, lag Mitte November 2021 das Gewinnwachstum beim Großteil jener Unternehmen, die am Stoxx Europe 600 für das dritte Quartal bereits berichtet hatten, bei durchschnittlich 63 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Vor Beginn der Berichtssaison wurde lediglich ein Plus von knapp 40 Prozent erwartet. Auch in den USA war die Entwicklung durchwegs positiv. Für rund 92 Prozent der berichteten Unternehmen aus dem S&P 500 summiert sich das Gewinnwachstum auf 42 Prozent, damit ebenfalls höher als erwartet (siehe Schaubild unten).
Alois Wögerbauer, Geschäftsführer der 3 Banken Generali Investment verweist auf die jüngsten Ergebnisse, dass es bis dato sehr gut gelinge, die steigenden Input-Kosten an den Endverbraucher weiterzugeben. Er mahnt dennoch vor allzu viel Euphorie und sagt: „Ob die aktuell gute Margenqualität der Unternehmen gehalten werden kann, gilt es im Jahresverlauf 2022 genau zu beobachten.“
Auch Hendrik Leber, Geschäftsführer der Acatis Investment Kapitalverwaltungsgesellschaft, lässt bei seinem Ausblick für das kommende Jahr ein wenig Vorsicht walten. Denn er glaubt, dass die Lieferengpässe nicht spurlos an den Unternehmen vorbeigehen dürften, was in Folge zu einer stärkeren Differenzierung zwischen Gewinnern und Verlierern führen werde. „Auch das Tempo des Weltwirtschaftswachstums wird sich deshalb verlangsamen“, zieht Leber ein klares Fazit.
CHINA FÄLLT ZURÜCK
Doch wie sehen die Prognosen aus? Laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) dürfte die globale Wirtschaft in diesem Jahr um 5,9 Prozent wachsen, im kommenden Jahr um nur noch 4,9 Prozent. Für die Industriestaaten liegt 2022 die Prognose bei 4,5 Prozent, in den Schwellenländern bei 5,1 Prozent. Die größte Wirtschaftsregion – China – dürfte sogar nur um 5,6 Prozent wachsen, nach geschätzten acht Prozent im noch laufenden Jahr.
Demnach schmilzt Chinas Wachstumsvorsprung, meint Wögerbauer. Grund für die rückläufige Entwicklung sieht der Kapitalmarktexperte unter anderem in der Immobilienbranche. Zuletzt hat die drohende Pleite rund um den Immobilienentwickler Evergrande für reichlich Schlagzeilen gesorgt. Die ohnedies schon knifflige Lage des Konzerns wurde aufgrund strengerer Vergaberichtlinien bei Immobilienkrediten weiter verschärft.
Wögerbauer meint: „Der Anteil der Bauindustrie an Chinas Wirtschaftswachstum war in den vergangenen Jahren enorm hoch. Der Zuwachs lässt sich so nicht wiederholen. China wird daher ein wenig als ‚Lokomotive‘ der Weltwirtschaft seine Funktion verlieren.“
Torsten Reidel, Geschäftsführer von Grüner Fisher Investments, wiegelt die Lage am Immobiliensektor ebenfalls ab, bezweifelt aber, dass die jüngsten Entwicklungen ausreichten, um eine Rezession auszulösen. „Der Immobilienmarkt in China war auch 2015 schwach. Dennoch setzte sich das starke Gesamtwachstum fort.“
INFRASTRUKTURPAKET ALS WICHTIGE STÜTZE
In anderen Regionen dürften umfangreiche Fiskalpakete noch für reichlich Unterstützung sorgen. Dieser Umstand trifft sowohl auf die USA als auch auf Europa und Japan zu, betont Robert Beer, Geschäftsführer Robert Beer Investment GmbH. Allein in den USA sieht Joe Bidens Infrastrukturpaket Investitionen in Höhe von 550 Milliarden US-Dollar unter anderem für neue Straßen und Schienen sowie Leitungen und den Ausbau des Breitband-Internets in ländlichen Gebieten vor, aber auch für Ladestationen für Elektroautos. Das Paket stimmt auch Bert Flossbach, Vorstandsmitglied bei Flossbach von Storch (FvS) zuversichtlich. Flossbach meint, das starke Wachstum in den USA dürfte unter anderem angesichts der geplanten Infrastruktur- und Konjunkturprogramme anhalten.
Diesseits des Atlantiks sind ebenfalls großzügige Stützungsmaßnahmen geplant. In der Europäischen Union (EU) soll der 750 Milliarden Euro schwere Wiederaufbaufonds die Wirtschaft – insbesondere bei „grünen“ Projekten – ankurbeln.
Noch bleibt auch die Geldpolitik im Großen und Ganzen unterstützend, wenngleich erste Schritte auf ein Ende der historisch ultra-lockeren Maßnahmen deuten. In Ländern wie Norwegen und Neuseeland wurden die Leitzinsen im Herbst 2021 angehoben. In England wird solch ein Schritt demnächst erwartet. Ein wenig zögerlicher geben sich die Notenbanker in den USA, vor allem aber in der Eurozone.
INFLATION UNTER BEOBACHTUNG
Den jüngsten Inflationsanstieg wollen die Währungshüter in beiden Regionen genauer beobachten, auch wenn dieser zuletzt recht üppig ausfiel. Allein in den USA erreichte die Inflationsrate im Oktober 6,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresvergleichswert und damit den höchsten Zuwachs seit über 30 Jahren. Dies ist nicht nur auf steigende Energiepreise und Wohnkosten zurückzuführen. Die Entwicklungen am Arbeitsmarkt sind ebenso signifikant. Mit 4,6 Prozent im Oktober 2021 liegt die Arbeitslosenrate unter jener Quote, die der Offenmarktausschuss der US-Notenbank mit 4,8 Prozent für Jahresende 2021 als „inflationsstabile Arbeitslosenquote“ bezeichnet hat. Zugleich legten die durchschnittlichen Stundenlöhne um 5,8 Prozent kräftig zu.
In der Eurozone erreichte der Inflationsanstieg 4,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahreswert, wobei dieser von der Europäischen Zentralbank (EZB) als vorübergehend eingestuft wird. Für das Gesamtjahr 2021 rechnet die EZB mit einer Inflationsrate von 2,4 Prozent, im kommenden Jahr mit 2,2 Prozent. Manch ein Marktexperte gibt sich hingegen vorsichtiger.
Acatis-Experte Leber ist überzeugt, dass die Inflation sich verfestigen wird, auch wenn die Notenbanken dies anders sehen, wie er sagt. Seine Vorsicht führt er auf eine Reihe an Faktoren zurück, zu denen etwa die Deglobalisierung, die Anfälligkeit der Lieferketten sowie ein politisches Spiel mit den Öl- und Gaspreisen und steigende Löhne zählen. Er meint: „Notenbanken können nur wenige dieser Faktoren beeinflussen.“
Auch andere Experten lassen Vorsicht walten. Flossbach sagt: „Sollte das vielfach gestiegene Inflationsniveau länger anhalten und zu höheren Erwartungen führen, könnte sich ein neues Inflationsregime etablieren, die Teuerung demnach dauerhaft auf ein Niveau von mehr als jährlich zwei Prozent steigen.“
Hierbei würden vor allem die Zweitrundeneffekte, insbesondere höhere Lohnforderungen in den zukünftigen Tarifverhandlungen, eine Rolle spielen, erklärt Flossbach: „Voraussichtlich dürften die Gewerkschaften bei den Tarifrunden 2022 einen Nachschlag fordern. Dies würde den Inflationssockel anheben.“ Winfried Walter, Vorstandsmitglied bei Schneider, Walter & Kollegen Vermögensverwaltung AG und Senior Portfolio Manager, verweist auf einen weiteren Aspekt: „Anleger sollten die exorbitanten Preissteigerungsraten am Immobilienmarkt beachten. Sie dienen insbesondere zur Unterstützung von Lohnforderungen.“
Für die Notenbanken ist die Lage denkbar knifflig. Sie stünden deshalb vor der größten Herausforderung ihrer Geschichte, so Flossbach: „Anders als in früheren Inflationsphasen lässt sich ein Anstieg der Inflation nicht mehr einfach mit dem Tritt auf die Zinsbremse bekämpfen. Die zu erwartenden Kollateralschäden eines starken Zinsanstiegs wären erheblich.“
NOTENBANKEN IN ZWICKMÜHLE
Der Grund liegt in der hohen Verschuldung vieler Staaten und Unternehmen. Sie kämen Flossbach zufolge bei höheren Zinsen in die Bredouille. Der Wert von Anleihen, Aktien und Immobilienpreisen sowie die Bonität von Hypothekenbanken würden fallen, was wiederum die Stabilität des Finanzsystems bedrohen würde, zieht der Vermögensverwalter ein nüchternes Fazit. Ähnlich ist der Tenor bei der 3 Banken Generali Investment. Wögerbauer sagt: „Einen echten Zinserhöhungszyklus sehen wir nicht. Dazu ist die Lage zu fragil, die Schulden zu hoch.“ Tatsächlich haben die Staatsschulden mit 104,6 Prozent des Bruttoinlandprodukts weltweit ein Rekordniveau erreicht (siehe Graphik).
Auf dem historisch niedrigen Zinsniveau ist die Verschuldung leistbar, ein Umstand der für Staaten und Unternehmen gleichermaßen gilt. Noch vor wenigen Monaten wies gut ein Viertel des weltweiten Anleihebestands sogar negative Renditen auf. Doch zuletzt sind die Renditen länger laufender Anleihen insbesondere in den USA erstmals wieder angestiegen. Mitte November erreichten die Renditen zehnjähriger US-Treasuries 1,55 Prozent, ein kräftiger Anstieg im Vergleich zum Tief von 0,5 Prozent im Sommer 2020.
Der Grund für die Entwicklung ist freilich auf die Verkäufe und damit folglich die Kursrückgänge solcher Papiere zurückzuführen. Immer mehr Anleger trennen sich lieber vor allem von sehr gering verzinsten Rentenpapieren, anstatt noch höhere reale Verluste angesichts der steigenden Inflation zu riskieren. Weitere Kursrücksetzer sind nicht ausgeschlossen, wenn die Inflation noch weiter anzöge. Vermögensverwalter Walter präzisiert: „Setzt sich die Überzeugung am Markt durch, dass die Inflation doch nicht so temporär ist, wie es uns vor allem die Notenbanken glauben machen wollen, käme es zu deutlichen Renditeanstiegen. Für die zehnjährigen Treasuries wäre eine Etablierung oberhalb des Niveaus von zwei Prozent denkbar.“
Zugleich lassen sich viele Notenbanken – allen voran in den USA und der Eurozone – mit der Leitzinsanhebung Zeit (siehe dazu die Grafik unten). Zumindest aber reduzierte die FED seit Ende November ihre monatlichen Anleihekäufe – die bislang 120 Milliarden US-Dollar umfassten – um 15 Milliarden US-Dollar. Mitte 2022 dürfte das Anleihekaufprogramm gänzlich eingestellt werden. „Dann muss man sehen, ob Zinserhöhung auf der Agenda steht. Die EZB wird noch lange ihre expansive Geldpolitik beibehalten. Es scheint so, als ob die EZB mehr den Zusammenhalt der Eurozone im Blick hat als die Geldwertstabilität“, konstatiert Kapitalmarktexperte Beer. Auch Kaffarnik rechnet in der Eurozone mit einer Zinsanhebung nicht vor dem Jahr 2023.
DIE CHANCEN JETZT AKTIV NUTZEN!
Das Gesamtumfeld für Anleiheanleger ist damit denkbar schwierig. Wie aber gehen die Profis in dieser Assetklasse vor? Wögerbauer von der 3 Banken Generali Investment rät, Chancen aktiv zu nutzen. Solche sah der erfahrene Fondsmanager zuletzt etwa bei Schwellenländern und Hochzinsanleihen aus Asien. Auch der Blick auf inflationsgeschützte Anleihen hat sich 2021 gelohnt. Hier werden Nominale und Kupon an die Inflationsrate angepasst. Obendrein treibt die steigende Nachfrage nach solchen Wertpapieren deren Kurse an.
Ein wenig anders ist der Zugang bei Grüner Fisher Investments. Für den Großteil der Kunden nutze man Anleihen vor allem zur Volatilitätsreduktion, erklärt Geschäftsführer Reidel. „Wir versuchen derzeit nicht, ein erhebliches Risiko hinzuzufügen, um höhere Renditen im festverzinslichen Bereich zu erzielen.“ Ebenso zurückhaltend ist Acatis-Geschäftsführer Leber: „Es gibt nur noch bei Exoten und bei Sondersituationen gelegentliche Investitionschancen. Die findet man nur mit der Lupe.“
AKTIEN: DER BULLENMARKT BLEIBT WEITERHIN INTAKT
Umso größer bleibt der Fokus auf die Aktienmärkte. Dort sieht Reidel gute Chancen für eine Fortsetzung des globalen Bullenmarkts. „Das fundamentale Umfeld ist robust, das legislative Risiko gering und die Marktstimmung ist nicht euphorisch.“ Einzig, in einem typischen spätzyklischen Marktumfeld setze man auf wachstumsorientierte Unternehmen mit hohen Bruttogewinnmargen und großer Marktkapitalisierung.
Beer von der Robert Beer Investment GmbH verweist auf seine regionalen Einschätzungen und meint, US-amerikanische Technologieaktien dominierten das Börsengeschehen, wenngleich solche Werte bereits sehr hoch bewertet seien. Beer ist dennoch überzeugt: „Der Vorteil der gigantischen Machtstellung und enormen Gewinne wird die Risiken von Zinserhöhungen überwiegen. Daher sollten die amerikanischen Märkte weiter steigen, wenn auch nicht mehr so steil nach oben“. Schon Mitte November erreichte die Nasdaq rund 16.000 Punkte, der S&P 500 rund 4.600 Punkte.
Allein bei letzterem Index lag das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) zuletzt bei rund 23. Demgegenüber seien europäische Aktien moderater bewertet und sollten ebenso ordentlich performen, betont Beer. Allein beim MSCI Europe liegt das KGV bei knapp mehr als 15. So profitieren etwa die Industrietitel, die vor allem in Deutschlands Aktienmärkten stark vertreten sind, von der Wiederbelebung des internationalen Handels. Doch besonders günstig sind im MSCI Europe Finanztitel mit einem KGV von 9,7 und Energieaktien mit einem KGV von knapp mehr als 8 bewertet.
BANKEN NUTZEN ZINSSPANNE
Dabei profitieren viele Banken von dem Umstand, dass die langfristigen Renditen steigen, während die kurzfristigen Zinsen praktisch bei null Prozent verharren. Banken können damit für länger laufende Kredite höhere Zinssätze verrechnen, während sie für kurzfristige Einlagen praktisch kaum eine Verzinsung an Anleger zahlen müssen. So werden in Deutschland bereits Minuszinsen verrechnet. Damit steigt die Zinsmarge. Obendrein drückt die Digitalisierungswelle die Kosten der Geldhäuser zunehmend.
Die Rohstoffkonzerne profitieren hingegen von den steigenden Notierungen. An Europas Börsen – inklusive der Londoner Börse – gibt es jede Menge solcher Konzerne, etwa Anglo American, Rio Tinto, Royal Dutch sowie weitere Ölkonzerne. Vermögensverwalter Walter rechnet insbesondere am Energiesektor noch lange mit deutlich erhöhten Preisen: „Dies ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass die ‚politische Kaste‘ bei der Umsetzung der sogenannten Energiewende jegliche Professionalität vermissen lässt. Vielmehr ist das Handeln hier von Hysterie geprägt.“ Damit ist nahezu im gesamten Energiesektor keinerlei Planbarkeit gegeben, konstatiert Walter. Diese ist jedoch, nach seiner Einschätzung, Grundvoraussetzung für dringend notwendige Investitionen in Ersatz- und Kapazitätserweiterungen.
Hinzu kommt eine weitere Entwicklung auf dem globalen Ölmarkt, auf die Kaffarnik von der DJE Kapital AG verweist, nämlich die Disziplin des internationalen Ölkartells OPEC und seiner Verbündeten, zu denen etwa Russland und Mexiko zählen, mit der die Absprachen eingehalten werden. Zuletzt einigte man sich auf eine Anhebung der Förderquote um 400.000 Fass pro Tag und damit weniger als von vielen Marktteilnehmern erwartet worden war. „Sollte der Ölpreis weiter steigen, bleibt dieser Umstand nicht ohne Folgen für die Inflation“, mahnt Kaffarnik. Doch aus aktueller Sicht sieht der erfahrene Marktexperte den Zenit allein für die europäische Nordseesorte Brent zwischen 80 und 90 US-Dollar je Fass.
Eine ähnliche Preisentwicklung prognostiziert Finanzmarktprofi Walter für andere Rohstoffpreise. Viele Industriemetalle werden für die Energiewende gebraucht, etwa für Windräder, Solarpanele und Batterien. Dazu zählen insbesondere Nickel, aber auch Kupfer, das wegen seiner hohen Leitfähigkeit begehrt ist. Allein dessen Notierung hat sich an der London Metal Exchange deutlich verteuert (siehe Grafik unten). Weitere Zuwächse sind nicht ausgeschlossen. Schließlich steht Nachhaltigkeit erst am Beginn eines längerfristigen Trends.
Und wie sieht es mit Gold aus, das gerne als Krisenschutz beigemischt wird? Bei dem goldenen Edelmetall klaffen die Meinungen auseinander. Der Grund liegt unter anderem in dem jüngsten Anstieg der Renditen bei länger laufenden US-Staatsanleihen. Noch liegen sie unter der Inflationsrate, weshalb ein realer Wertverlust droht. Sollten die Renditen kräftiger anziehen und die Inflationsrate übertreffen, dürften viele Anleger von einem zinslosen Goldinvestment in solche Papiere umschichten. Die abwartende Haltung spiegelte sich zuletzt in dem Seitwärtstrend des Goldkurses nach dem fulminanten Anstieg der vergangenen Jahre wider. Zuletzt pendelte die Preisspanne zwischen 1.700 und 1.900 US-Dollar.
Bleibt Gold ein Krisenschutz?
Grüner-Fisher-Chef Reidel gibt zu bedenken: „Dem Gold werden viele Eigenschaften zugeschrieben, die es gar nicht erfüllen kann, und zu viel hängt vom erfolgreichen Timing ab.“
Auch Flossbach verweist auf die zwischenzeitlichen Schwankungen, sagt dennoch: „Langfristig besteht der Ertrag des zinslosen Edelmetalls darin, mindestens die jährliche Geldentwertung auszugleichen. Eine Prognose für die Entwicklung in der näheren Zukunft wäre unseriös.“ Vieles spreche aber dafür, dass Gold auch zukünftig seiner Funktion als langfristiger Inflationsschutz gerecht wird. „Da die Notenbanken kaum noch in der Lage sein werden, mit deutlichen Zinserhöhungen einen Inflationsanstieg zu bekämpfen, ist die Gefahr eines nachhaltigen Preiseinbruchs wie in den 1980er und 1990er Jahren gering“, ergänzt Flossbach.
Die Investmentchancen sind vielfältig, vom Kauf physischen Goldes bis hin zu Zertifikaten, die auf die Kursentwicklung setzen. Walter verweist auch auf Chancen mit Goldminenaktien, die mit einem Fondskauf breit gestreut genutzt werden können.
Für fulminante Schlagzeilen sorgte hingegen die jüngste Preisrally bei den Kryptowährungen, allen voran bei Bitcoin. Acatis-Geschäftsführer Leber gibt sich zuversichtlich: „Bitcoin bleibt ein knappes und zunehmend nachgefragtes Gut, und Ethereum wird sich als Arbeitspferd aller praxisnahen Anwendungen weiter durchsetzen.“
Die Nachfrage sollte deshalb weiter steigen und die Kurse nach oben treiben“, sagt Leber, weist aber daraufhin, dass man die möglichen Risiken aber ebenso gut im Auge behalten sollte. Beer mahnt, das sich dieses „Spiel“ auch rasch wieder drehen könnte, wenn die Nachfrage, somit auch die Kurse sinken. „Wie bereits gesehen, kann dies auch sehr schnell und heftig passieren. Einen fairen Preis kann man jedenfalls nicht ermitteln.“
Auch grundsätzlich sollten Anleger einige Risiken für die Kapitalmärkte gut im Auge behalten, auf die Kaffarnik von der DJE Kapital AG verweist. Er blickt in diesem Zusammenhang etwa auf den Konflikt zwischen China und den USA, der längst nicht nur den Wirtschaftshandel umfasst. Auch rund um Taiwan flackern immer wieder Störmanöver auf. „Sollte sich die Lage zuspitzen, würde dies auch Marktteilnehmer verunsichern“, so Kaffarnik. Ebenso könnte eine neue Covid-19-Mutation zu Korrekturen führen, vor allem dann, wenn neue Beschränkungen Lieferengpässe und Materialknappheit verschärfen würden.