Benjamin Melman, Global Chief Investment Officer bei Edmond de Rothschild Asset Management, sieht sowohl positive als auch negative Auswirkungen des Programms von Donald Trump für die US-Wirtschaft. Melman kommentiert dabei die Marktaussichten in den USA und Europa:
Donald Trump und die Republikaner haben die vollständige Kontrolle über das Weiße Haus und den Kongress übernommen. Dieses Szenario, das in den Meinungsumfragen als eher unwahrscheinlich galt, hat den ‚Trump-Trade‘ (Bullenmarkt, Anstieg der langfristigen US-Renditen und des Dollars) ausgeweitet und diesmal zu einer größeren Diskrepanz zwischen den USA und Europa geführt (wo die Aktienindizes und die langfristigen Renditen fallen). Die Anleger konzentrierten sich auf die Versprechungen des republikanischen Kandidaten, der niedrigere Unternehmenssteuern und Deregulierung in den USA sowie höhere Zölle für andere Handelspartner, darunter Europa, in Aussicht stellte.
Auch höhere Staatsdefizite (steigende Real- und Nominalzinsen) und höhere Inflationsrisiken (steigende Breakeven-Inflationsraten) wurden eingepreist. Die Märkte haben seit Anfang Oktober und dem Beginn des ‚Trump-Trade‘ heftige Schwankungen erlebt, wobei der S&P500 den Eurostoxx 50 um fast 9 Prozent übertraf.
DER BLICK AUF TRUMPS PLÄNE
Während viele Aspekte von Donald Trumps Programm positiv für die Wirtschaft und die Unternehmensgewinne sind – Schätzungen zufolge würde eine Senkung der Unternehmenssteuern von 21 Prozent auf 15 Prozent die Gewinne der US-Unternehmen um fast 5 Prozent steigern -, könnten sich andere auch negativ auswirken:
Abschiebung illegaler Einwanderer: Unter sehr konservativen Annahmen schätzt Brookings die negativen Auswirkungen auf das Wachstum auf 0,1 Prozent bis 0,4 Prozent des BIP im ersten Jahr, basierend auf den in den Wahlversprechen festgelegten Werten. Die kumulierten Auswirkungen würden laut Peterson Institute in einem mittleren Wachstumsszenario über vier Jahre auf 2, 9 Prozent bis 19,6 Prozent des BIP ansteigen. Diese Schätzungen hängen von zahlreichen Annahmen und der Relevanz der verwendeten Modelle ab, aber es ist wichtig, die Auswirkungen einer solchen Politik nicht zu vernachlässigen.
Die Erhebung von Zöllen auf Importe würde das Wirtschaftswachstum in den USA eindeutig beeinträchtigen. Auch hier hängen die Auswirkungen von den getroffenen Annahmen (10 Prozent oder 20 Prozent für alle Länder in einigen Aussagen, 60 Prozent für China…), den Modellen und der möglichen Reziprozität der Handelspartner bei der Reaktion auf höhere Zölle ab. Die Tax Foundation hat ihre eigenen Schätzungen sowie eine Zusammenfassung anderer Quellen vorgelegt. Der IWF schätzt, dass eine Erhöhung der Zölle um 10 Prozent zu einer Rezession von 0,4 bis 0,6 Prozent des BIP führen würde.
Als Präsident Trump 2018 die Zölle einführte, ging die Fed davon aus, dass sie es sich angesichts der kurzfristigen Auswirkungen von Inflation und Rezession leisten könne, der Rezession mehr Aufmerksamkeit zu schenken, solange die Inflationsprognosen stabil und die Aufschläge durch höhere Steuern moderat blieben – was sie damals auch waren. Die Situation im Jahr 2025 wird sich jedoch deutlich von der des Jahres 2018 unterscheiden und die Fed kann noch nicht behaupten, den Kampf gegen die Inflation gewonnen zu haben. Hin- und hergerissen zwischen dem Risiko, die Spannungen auf dem Arbeitsmarkt durch die Abschiebung von Immigranten zu verschärfen, und der Ungewissheit über die Zölle, scheint es wahrscheinlich, dass die Normalisierung der Geldpolitik der Fed eher zögerlich erfolgen wird.
Die Daten zur Portfoliopositionierung deuten darauf hin, dass der „Trump-Trade“ in den Portfolios der Anleger bereits weit verbreitet ist und dass die „Euphorie“ an den US-Aktienmärkten bald ein Ende finden dürfte.
Insgesamt wird nach dieser Marktbewegung, die dem Szenario eines republikanischen „Red Sweep“ entspricht, die von der neuen Regierung gewählte Agenda die künftigen Auswirkungen eines radikalen und transformativen politischen Programms bestimmen.
EUROPA: ÜBERTRIEBENER PESSIMISMUS?
Es besteht kein Zweifel, dass die Wahl von Donald Trump und die Androhung von Strafzöllen (die für die Automobilindustrie noch verschärft werden könnten) die Skepsis der Investoren gegenüber Europa verstärkt haben und das zu einer Zeit, in der sowohl Deutschland als auch Frankreich mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.
Es sollte jedoch nicht vergessen werden, dass europäische Unternehmen mit einer Kostenbasis in den USA von dem niedrigeren Körperschaftsteuersatz profitieren werden. Morgan Stanley schätzt, dass 26 Prozent der Umsätze der Unternehmen im MSCI Europe in den USA erzielt werden, während der Anteil der Exporte, die von Zöllen bedroht sind, nur 6,2 Prozent beträgt.
Europäische Aktien werden derzeit mit einem Rekordabschlag gegenüber ihren US-Pendants gehandelt, aber Europa befindet sich nicht in einer Krise. Wir haben auch beobachtet, dass sich der Economic Surprise Index in den letzten Wochen etwas erholt hat. In Deutschland könnte der wahrscheinliche Regierungswechsel bessere Nachrichten an der Haushaltsfront bringen. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz zeigte sich kürzlich offen für eine Reform der strengen Regeln für Haushaltsdefizite – der Schuldenbremse – unter der Bedingung, dass neue Ausgaben zur Finanzierung von Investitionsprogrammen verwendet werden. Deutschland hat alle fiskalischen Hebel in der Hand, um die Konjunktur wieder in Schwung zu bringen und auch wenn der politische Wille noch nicht klar erkennbar ist, bewegen sich die Linien. Dies wird ein wichtiger Faktor sein, den es in den nächsten Wochen zu beobachten gilt.
Da sich der ‚Trump-Trade‘ eindeutig eher am Ende als am Anfang befindet und die Untergangsstimmung in Europa wahrscheinlich übertrieben ist, halten wir es für zu spät, US-Aktien gegenüber Europa strategisch überzugewichten. Allerdings haben wir unser Engagement in US-Aktien unmittelbar nach der Wahl von Donald Trump erhöht – auch wenn dies ein sehr taktischer Schritt war. Im Gegenzug haben wir unser Engagement in Schwellenländeraktien exklusive China reduziert. Die drohenden Zölle und die geringere Sichtbarkeit des Zinssenkungszyklus gefährden die Wachstumsaussichten der Schwellenländer und erhöhen die Volatilität ihrer Währungen.