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Kostspielige Kontrollen

September 2024
Die temporär eingeführten Grenzkontrollen könnten die deutsche Wirtschaft weiter schwächen, mahnen die Experten der Allianz Trade. Sie haben diie mögliche Schadenshöhe berechnet.
Allianz Trade
Jasmin Gröschl, Allianz Trade

Die temporär eingeführten, stichprobenartigen deutschen Grenzkontrollen, um die illegale Einwanderung in die Bundesrepublik zu begrenzen, könnten im Gegenzug die deutsche Wirtschaft weiter schwächen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Analyse des Kreditversicherers Allianz Trade. Durch die erwarteten Wartezeiten und Staus dürften sie zu erheblichen Verzögerungen im innereuropäischen Verkehr führen, zu teureren Waren, gestörten Lieferketten und letztlich zu Einbußen für die deutschen Unternehmen und die Wirtschaft. Zudem sind sie mit Einschränkungen und zusätzlichen Kosten für den Personenverkehr verbunden, was sich negativ auf den Tourismus in Deutschland sowie auf die Mobilität von Grenzpendlern auswirken könnte.

„Die zusätzlichen Wartezeiten an den Grenzen dürfte die Transport- und Warenkosten für Importe um rund 1,7 Prozent erhöhen (Dienstleistungen: 1,5 Prozent) und damit Handelsvolumen sowie die Wettbewerbsfähigkeit verringern, die bei deutschen Herstellern bereits auf einem niedrigen Niveau liegt“, sagt Jasmin Gröschl, Senior Volkswirtin bei Allianz Trade. „Die temporären Grenzkontrollen ziehen eine Kettenreaktion nach sich: Der Handel könnte bis zu 1,1 Milliarden Euro pro Jahr verlieren. In der Folge könnten sich Rezessionsrisiken weiter verstärken und zu wirtschaftlichen Einbußen beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von bis zu rund 11,5 Milliarden Euro führen.“

LÄNGERE TRANSITZEITEN

Unter normalen Umständen dauert ein typischer Grenzübertritt innerhalb des Schengen-Raums durchschnittlich 3,34 Minuten. Allerdings können selbst vorübergehende Grenzkontrollen den Verkehr erheblich verlangsamen, da es zu Verzögerungen durch Kontrollen oder Staus aufgrund eines verringerten Verkehrsflusses und einer ineffizienten Infrastruktur kommen kann. Die Situation dürfte dabei vergleichbar mit Kontrollen an den Schengen-Außengrenzen sein: Dort deuten Reise- und Entfernungsdaten darauf hin, dass ein Grenzübertritt mit stichprobenartigen Kontrollen auf einer Transitroute die Reisezeit um 20 Minuten verlängern kann. Angesichts der Rolle Deutschlands als wichtiges Transitland in Europa könnten diese Entwicklungen zu erheblichen Verzögerungen und höheren Kosten für Unternehmen führen, die im internationalen Handel innerhalb Europas tätig sind. Die Zunahme der Wartezeiten, insbesondere an stark frequentierten Grenzübergängen wie beispielsweise der deutsch-niederländischen Grenze, an der täglich etwa 1.000 Lastwagen verkehren, könnte die rechtzeitige Lieferung von Waren erheblich beeinträchtigen.

„Durch die Verzögerungen an den Grenzen rechnen wir mit steigenden Kosten, aber auch mit Lieferkettenstörungen sowie mit einem Rückgang der Importe nach Deutschland um möglicherweise rund acht Prozent“, sagt Gröschl. „Da etwa zwei Drittel der deutschen Importe über die Landgrenzen erfolgen, bedeutet dies einen jährlichen Rückgang von insgesamt bis zu 1,1 Milliarden Euro. Mit Wegfall dieser Importe können teilweise weniger Endprodukte hergestellt werden oder die Unternehmen müssen mehr und teure Lagerhaltung betreiben, weil die Just-in-Time-Produktion der Industrie eingeschränkt ist.“

Die drohenden wirtschaftlichen Auswirkungen setzen die deutsche Industrie zusätzlich unter Druck. Verzögerungen im Warenverkehr könnten erhebliche Auswirkungen haben, insbesondere für Sektoren, die stark vom grenzüberschreitenden Handel abhängig sind.

BRANCHENDRUCK UNTERSCHIEDLICH

Unter den am stärksten betroffenen Sektoren ist der Bildungs- und Freizeitsektor. Durch die Einschränkungen im Personenverkehr mit Staus werden weniger Freizeitdienstleistungen wahrgenommen, die mit einem Grenzübertritt verbunden sind, wie beispielsweise bei Tagesausflügen oder Wochenendtrips (Importverluste: Zwei Millionen Euro). Aber auch die Lebensmittelbranche dürfte mit einem Anstieg von 2,6 Prozent bei den Handelskosten konfrontiert sein (Importverluste: 62 Millionen Euro), die Handelsdienstleistungen mit +2,4 Prozent (Importverluste: 55 Millionen Euro) und die Transportdienstleistungen mit +1,8 Prozent (Importverluste: 51 Millionen Euro).

Beim Maschinenbau sowie in der Chemie- und Pharmaindustrie ist der Kostenanstieg mit +1,2 Prozent und +2,3 Prozent zwar etwas geringer, aber durch die hohen Handelsvolumina ergibt sich hier ein erheblicher Rückgang der Importe um 147 Millionen Euro bzw. 142,1 Millionen Euro prognostiziert, was die Bedeutung für die deutsche Wirtschaft unterstreicht.

„Solche Verzögerungen könnten den Status Deutschlands als wichtiger Transitknotenpunkt für den europäischen Handel gefährden und ihn für Unternehmen, die auf eine effiziente Logistik angewiesen sind, weniger attraktiv machen“, sagt Gröschl. „Deutsche Unternehmen, die bereits mit Wettbewerbsdruck und Herausforderungen in der globalen Lieferkette zu kämpfen haben, könnten durch diese neuen Kontrollen weiter belastet werden.“