Eine stagnierende Erholung Chinas, steigende geopolitische Risiken sowie ein schwieriges Zinsumfeld: Für Schwellenländeraktien war 2023 ein schwieriges Jahr. Im Vergleich zu Industrieländern zeigten Aktien aus Entwicklungsländern eine deutliche Underperformance – gemessen am MSCI Emerging Markets Index, im 3. Quartal sogar einen Rückgang von 2,9 Prozent. In den kommenden Monaten könnte sich das Blatt jedoch wenden, meint Sammy Suzuki, Head – Emerging Markets Equities bei AllianceBernstein. Wo er in die größten Chancen sieht, erklärt er in folgendem Kommentar.
Bereits seit Ende Januar zeigen Schwellenländeraktien im Vergleich zu Titeln aus Industrieländern eine unterdurchschnittliche Performance. Einer der Hauptgründe war sicher die nur langsam in Fahrt kommende Erholung der chinesischen Wirtschaft; während geopolitische Risiken anhielten und sich sogar noch verstärkten. Dabei könnten die aktuell günstigen Bewertungen in Verbindung mit der gedämpften Anlegerstimmung und vergleichsweise niedrigeren Allokationen in Schwellenländer durchaus ein starker Katalysator sein, aus dem sich reelle Chancen ergeben. Weitere Impulse könnten politische Bemühungen liefern, etwa um die Nachfrage nach Wohnraum zu beleben und die Konjunktur zu stützen. Darüber hinaus winkt etwa ein Ende des US-Zinsstraffungszyklus und damit weniger Gegenwind durch den US-Dollar.
Viele Zentralbanken in Schwellenländern stehen dabei bereits heute unter geringerem Inflationsdruck, insbesondere in Lateinamerika. Das verschafft ihnen Spielraum, um eine weniger straffe Geldpolitik zu verfolgen und somit das Wirtschaftswachstum zu unterstützen. Beim Wirtschaftswachstum hatten sich Schwellenländer und Industrienationen im vergangenen Jahr ähnlich schwergetan. Das könnte sich nun wieder ändern: Laut Prognosen des Internationalen Währungsfonds wird das Wachstum in den Schwellenländern voraussichtlich wieder anziehen. Vornehmlich die asiatischen Volkswirtschaften – angeführt von China und Indien – werden das globale Wachstum im nächsten Jahr antreiben.
CHINA VOR DEM WENDEPUNKT
Zwar ist das wirtschaftliche Momentum in China deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben, vieles spricht jedoch dafür, dass wir an einem Wendepunkt stehen. So hat Peking seine Bemühungen deutlich verstärkt, um die Konjunktur zu stützen und die Marktstimmung zu verbessern. Ein gutes Beispiel sind die jüngst gelockerten Regulierungen im Immobiliensektor sowie gezielte geldpolitische Maßnahmen zur Belebung der Nachfrage im Wohnungsbau. Obwohl diese Schritte sicherlich Zeit benötigen, um Wirkung zu entfalten, ist eine allmähliche wirtschaftliche Erholung absehbar. Das dürfte letztlich auch zu einer Erholung bei den Unternehmensgewinnen und damit bei den Aktienkursen führen.
Ungeachtet der volatilen konjunkturellen Aussichten für China wird eine genaue Analyse sowie das Verständnis, welche Auswirkungen ein verstärktes Eingreifen des chinesischen Staates auf die mehr als 4.000 gelisteten Unternehmen haben könnte, eine bedeutende Rolle spielen. Es wird immer wichtiger, die Unternehmen zu identifizieren, die von der Wirtschaftspolitik profitieren. Angesichts der aktuell stärkeren Begrenzungen für ungebremstes Wachstum privater Unternehmen wird diese Entwicklung jedoch auch einen Value-Fokus in China begünstigen.
Neben dem Reich der Mitte zeigt auch der technologieabhängige südkoreanische Markt erhebliches Aufwärtspotenzial. Investoren blicken zum Großteil über die Kursrückgänge des Vorjahres hinweg und sehen speziell die strukturellen Triebkräfte für die Halbleiterindustrie. Für Investoren könnte das eine gute Einstiegsmöglichkeit bieten, insbesondere da die Bewertungen von Unternehmen in Südkorea trotz solider Fundamentaldaten aktuell noch auf einem niedrigen Niveau sind. Südkoreanische und taiwanesische Tech-Unternehmen könnten darüber hinaus von den aktuellen geopolitischen Entwick-lungen profitieren; so dürfte etwa das verstärkte US-Exportverbot für Technologie die Halbleiter-branche in China deutlich ausbremsen und damit zu einer weniger bedrohlichen Konkurrenz machen.
Auch die wirtschaftliche Entwicklung der ASEAN-Staaten lässt hoffen, obwohl einige Märkte mit potenziellen makroökonomischen Risiken zu kämpfen haben – etwa Haushaltsdefizite, die auf die Währungen drücken. Zusammen mit Indien und Mexiko könnten diese Volkswirtschaften mit am meisten von der Verlagerung der Lieferketten (der sogenannten China-Plus-Eins-Strategie) profitieren, die mit dem Handelskrieg zwischen den USA und China im Jahr 2018 begann. Ein gutes Beispiel ist Apple: Das Unternehmen hat 2019 damit angefangen, Produktionsstätten in Vietnam und Indien aufzubauen. Ursprünglich plante Apple 20 Prozent seiner iPhone-Produktion außerhalb Chinas anzusiedeln. Mittlerweile hat das Unternehmen jedoch sein Ziel auf 25 Prozent bis 2025 erhöht. Das ist umso beachtlicher, wenn man sich vor Augen führt, dass aktuell nur 5 Prozent der iPhone-Produktion außerhalb Chinas stattfindet.
INVESTITIONSKLIMA HELLT SICH AUF
Außerhalb des asiatischen Raums zeigt sich Brasilien, als größter Markt in Lateinamerika, besonders attraktiv. Das Potenzial für eine Lockerung der Geldpolitik, das widerstandsfähige Wachstum und ein konstruktiveres politisches Umfeld, schaffen ein positives Investitionsklima. Darüber hinaus steht Mexiko derzeit an der Schwelle zu einem möglichen Investitionszyklus. Auch hierfür ist die Verlagerung von Lieferketten ausschlaggebend, die Investitionen in das Land beschleunigt. Insgesamt lässt sich das Investitionsklima in Schwellenländer wesentlich positiver beurteilen als noch vor einigen Monaten. Dazu trägt auch die rückläufige Inflation bei, die nahelegt, dass der Höhepunkt bei den US-Leitzinsen erreicht ist. Das wird zusätzlich positive Impulse für die Bewertungen von Schwellenländeraktien liefern.