Zwei Schlaglichter offenbaren, wie dringlich es ist, sich vom rein linearen – also auf Produktion, Konsum und Entsorgung von Gütern ausgerichteten – Wirtschaften zu verabschieden. Erstens, die Müllerzeugung. Laut einer aktuellen Studie des Umweltprogramms der Vereinten Nationen hat die Weltbevölkerung im vergangenen Jahr 2,3 Milliarden Tonnen Abfall verursacht. Wird das derzeitige Tempo beibehalten, könnte die jährliche Abfallmenge bis 2050 auf 3,8 Milliarden Tonnen ansteigen, mahnen die Autoren. Das würde einem Zuwachs von 65 Prozent entsprechen.
Zweitens, der globale Ressourcenverbrauch. Bereits in den Jahren zwischen 2000 und 2015 überstieg das Ausmaß mehr als die Hälfte des gesamten Verbrauchs des 20. Jahrhunderts. Laut Weltbank liegt der globale durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch aktuell bei rund 12,5 Tonnen und wird sich bis zum Jahr 2050 mindestens verdoppeln (siehe Schaubild). Die Folgen für den Globus sind den Experten zufolge gravierend: Die Biodiversität wird bedroht, Böden und Wasser mit Giftstoffen belastet und die Erderwärmung forciert.
Zudem führt die steigende Materialgewinnung und -nutzung dazu, dass die Kreislaufwirtschaft als ökonomisches Gegenmodell im Keim zu ersticken droht. Nach Angaben des „Global Circularity Gap Report 2023“ ist die globale Kreislaufwirtschaft von 9,1 Prozent im Jahr 2018 auf 7,2 Prozent im vergangenen Jahr geschrumpft. Die Menschen verlassen sich also zum überwiegenden Teil auf neue Materialien. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass „mehr als 90 Prozent der Materialien entweder verschwendet werden, verloren gehen oder jahrelang nicht für die Wiederverwendung verfügbar sind, da sie in langlebigen Beständen wie Gebäuden und Maschinen eingeschlossen sind“, schreiben die Autoren des Reports, der von der Circularity Gap Reporting Initiative (CGRi) herausgegeben wurde.
Bei der Kreislaufwirtschaft wird die Lücke im ökonomischen Zyklus geschlossen, wodurch die Notwendigkeit entfällt, fabrikneue Produkte herzustellen: Statt die Güter zu entsorgen, werden sie wiederverwendet, so dass der Zyklus mit rückgewonnenen oder wiederaufbereiteten Materialien von vorn beginnen kann. Im Fokus liegen dabei vier „zirkuläre Aktionen“: weniger verwenden, länger einsetzen, sauber machen und erneut verwenden (siehe Schaubild unten). Wichtig ist dabei eine Senkung des Energie- und Wasserverbrauchs sowie des Schadstoffausstoßes, gerade mit Blick auf die ökologischen Folgen und die Begrenztheit der Ressource Wasser.
Als wirksamste Maßnahme gilt die Wiederverwendung, weil durch kleine Veränderungen oder Reinigungen die Lebensdauer von Produkten verlängert werden kann. Beispielsweise können Automobilhersteller geschlossene Kreislaufsysteme einführen, indem sie bestimmte Komponenten aus zurückgegebenen Fahrzeugen wiederaufbereiten und wiederverwenden. Bei der zweiten zirkulären Aktion, der Reparatur, können Unternehmen Abfälle minimieren und Verbrauchern kostengünstige Alternativen anbieten, indem sie beschädigte Produkte reparieren. Laut Roland Berger ist dieser Ansatz in verschiedenen Geschäftsmodellen weit verbreitet. So würden gerade Technologieunternehmen Reparaturdienste für ihre elektronischen Geräte anbieten, was die Lebensdauer der Produkte verlängert und die Nachfrage nach Neukäufen verringert.
Nutzungsdauer verlängern
Durch die dritte Maßnahme, die Aufbereitung oder Ausbesserung, wird ein Produkt wieder in einen neuwertigen Zustand versetzt. Dadurch verlängert sich dessen Nutzungsdauer und Wert. Die Aufbereitung verschafft alten Produkten nach ihrer ursprünglichen Nutzung ein neues Leben, erläutern die Experten der Beratungsgesellschaft und verweisen auf Forschungen der RWTH Aachen: Demnach könnten gebrauchte Autobatterien mit einer Restkapazität von 70 bis 80 Prozent für haushaltsintegrierte Energiespeicher verwendet werden. Erst als letzte Maßnahme gilt das Recycling und sollte erst in Betracht gezogen werden, nachdem alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Denn hierbei wird nicht der Lebenszyklus von Produkten, aber zumindest von deren Einzelteilen geschlossen und auf diesem Weg zweierlei erreicht: Wertvolle Materialien werden zurückgewonnen, wiederverwendet und damit nicht zu Abfall, der entsorgt werden muss. Ein bekanntes Beispiel ist die Sammlung von aussortierten Wertstoffen, z. B. von Aluminiumabfällen aus Presswerken, um sie zum Recyceln an Lieferanten zurückzugegeben. Somit steigt auch hier die Rohstoffeffizienz.
Um die eingangs beschriebene Rückwärtsentwicklung bei der Kreislaufwirtschaft umzukehren, sind einmal mehr sowohl Unternehmen als auch die Politik gefordert. Regierungen müssen, anstelle von einseitigen, engen Normen und Steuerregelungen, ganzheitliche Rahmenbedingungen schaffen. Unternehmen sind laut Roland Berger gefordert, Geschäftsmodelle für die Schaffung zirkulärer Produktionsprozesse zu erstellen. Gleichzeitig sei es wichtig, in Entwicklung und Forschung zu investieren, um nachhaltige Alternativen zu finden sowie Materialflüsse zu überwachen und entsprechend zu steuern.
Im Fokus der Aktivitäten liegen damit produzierende Unternehmen ebenso wie manche Dienstleister, dies jedenfalls branchen- und länderübergreifend. Das spiegelt sich auch in den Circular Economy-Fonds wider, deren Zahl sich in den zurückliegenden ein bis zwei Jahren mehr als verdoppelt hat. Zu den ältesten und zugleich erfolgreichsten Fonds zählt der BNP Paribas Easy ECPI Circular Economy Leaders. Der dem ETF zugrundeliegende Index ECPI Circular Economy Leaders Equity Index setzt sich aus 50 Aktien zusammen, die aus verschiedenen Sektoren kommen. Anlageschwerpunkt sind die USA, gefolgt von Frankreich mit einem zehnprozentigen Anteil.
Gefragt nach Unternehmen, die beispielhaft die Chancen der Kreislaufwirtschaft nutzen und damit vorantreiben, verweist der Indexanbieter nach Angaben von BNP Paribas auf den Baumaschinen-Produzenten Caterpillar, den Dienstleister NextEra Energy und Nike. Der Sportartikelhersteller konzentriere sich auf die Vermeidung von Abfall durch effizienteres Produktdesign und effizientere Fertigungstechnologien. Die zeige sich z. B. durch die Verwendung von recyceltem Polyester und zertifizierter Better Cotton, also Baumwolle, die nach dem „Better Cotton Initiative Standard System“ angebaut wird. Beides fördere die Energie- und Wassereffizienz. Zudem stelle Nike Grind eine Premium-Materialpalette dar, die aus einem Regenerationsprozess von Originalmaterialien und -produkten entstanden sei.
Caterpillar fördert nach Angaben des Indexanbieters die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft mit seinen Wiederaufarbeitungs- und Umbauprogrammen. Hierbei werden Komponenten und Maschinen überholt und nicht nur repariert oder ersetzt. NextEra Energy, Inc. biete Dienstleistungen zur nachhaltigen Energieerzeugung und -verteilung an. Laut ECPI erzeugt das Unternehmen Strom aus Wind, Sonne und Erdgas und betreibt über seine Tochtergesellschaften auch mehrere kommerzielle Kernkraftwerke.
Aber wie passt der Hersteller von Luxusprodukten LVMH ins Circular Economy-Portfolio? Der Indexanbieter begründet das damit, dass der unternehmerische Ansatz zur Kreislaufwirtschaft eine der vier strategischen Säulen des Umweltprogramms „LIFE 360“ ist. Jüngste Initiativen sind Projekte zum Recycling von überschüssigem Leder bei den Marken Celine, Loewe und Berluti und der vermehrte Einsatz von zirkulären Produkten und Verpackungen. Zudem nennt der Indexanbieter Nona Source, eine neue von Mitarbeitern geschaffene Plattform, die es den Unternehmensstandorten ermöglicht, Stoffe zu tauschen und angehenden Stylisten, sie zu wettbewerbsfähigen Preisen zu kaufen.
Auffallend stark sind beim BNP Paribas-ETF mit ASML, Advanced Micro Devices, Nvidia und Oracle gleich drei Chiphersteller und ein Software-Unternehmen in den Top Ten zu finden. Mit einem Anteil von fast 24 Prozent setzt der Eurizon Fund – Equity Circular Economy Z noch stärker auf Informationstechnologien. Dies spiegelt sich bei dem Zweitplatzierten unseres Rankings der Themenfonds auch in den Top Ten wider, wo u. a. Apple, Alphabet und Microsoft zu finden sind. Das Fondsmanagement ist sektorbezogen ebenfalls breit investiert und stark in den USA engagiert. Dabei stehen die Bereiche Produktrecycling, Abfallverringerung, erneuerbare Ressourcen und die Erweiterung des Produktlebenszyklus im Vordergrund, heißt es.
„Materialeinschränkungen führen dazu, dass Investoren nach Unternehmen Ausschau halten, die Kreislaufwirtschaftsprozesse in ihr Geschäftsmodell implementiert haben“, sagt Bénédicte Mougeot, Head of Climate Equity bei HSBC Global Asset Management. Steigende Rohstoffpreise trügen zum Druck auf Konsumenten bei und erhöhen die Attraktivität für Modelle, die die Reduzierung, Wiederverwendung und das Recycling von Ressourcen vorsehen. „Das Wachstums-potenzial für Kreislaufwirtschaftsprozesse und -geschäftsmodelle ist enorm“, betont die Expertin und geht davon aus, dass Unternehmen mit solchen Geschäftsmodellen über eine höhere Erfolgsperspektive verfügen, da sie mehr sichtbare Zuflüsse verzeichnen und weniger abhängig von den Preisen externer Ressourcen seien.
HSBC Asset Management hat vor rund eineinhalb Jahren den HSBC GIF Global Equity Circular Economy Fund aufgelegt, dessen Portfolio rund 50 Titel umfasst. Investiert wird in zwei Kategorien von Unternehmen: zum einen die Vorreiter, also Unternehmen, die in die eigene Transformation investieren, indem sie Kreislaufwirtschaftsprozesse einführen. „Wir erwarten, dass diese Unternehmen wachsen werden, weil sie als ‚Early Mover‘ oft über ein gutes Verständnis für die Herausforderungen von Kunden, die auf Nachhaltigkeit bedacht sind, und dem Umgang mit Ressourcen und Abfall verfügen, was oft mit einer besseren Unternehmensführung und höherer Profitabilität gekoppelt ist“, sagt Mougeot, die den Themenfonds managt.
Die zweite Kategorie sind Wegbereiter, also Unternehmen die Kreislaufwirtschaftslösungen anbieten, die voraussichtlich etwas später wachsen werden, sobald der Bedarf für Produkte und Lösungen, die die Kreislaufwirtschaft unterstützen, wächst. „Wir investieren daher nicht nur in Recycling, sondern verfolgen einen holistischen Ansatz“, betont die Fondsmanagerin und meint konkret Unternehmen, die Ressourcen für die Kreislaufwirtschaft zur Verfügung stellen, deren Lösungen die Effizienz und Langlebigkeit von Produkten unterstützen sowie die ausrangierten Produkte weiterverarbeiten, um möglichst viel von dem Wertstoff zurückzugewinnen. Unternehmensbeispiele nennt die Expertin auf Nachfrage nicht. Stärker als bei den Mitbewerbern spiegelt sich bereits in den Top Ten die ebenfalls breite Streuung über Sektoren wider: Bekannte Namen wie der niederländische Chiphersteller ASML, der französische Konsumgüterkonzern L’Oréal und die US-Baumarktkette Home Depot sind dort ebenso zu finden wie die weniger geläufigen Titel United Rentals, ein amerikanischer Vermieter von Investitionsgütern, das US-Software-Unternehmen Autodesk und Equinix, ein US-Anbieter von netzbetreiberunabhängigen Rechenzentrums- und Interconnection-Dienstleistungen.
„Die Präferenz von Konsumenten für Marken und Produkte mit einem klaren und sinnvollen Feel-Good-Statement kann das Wachstumspotenzial von kreislaufwirtschaftsbasierenden Geschäftsmodellen im Vergleich zu traditionellen Modellen erhöhen“, betont Mougeot. Anleger, die sich in diesem Thema engagieren wollen, sind gut beraten, sich das Portfolio genau anzuschauen, da der thematische Rahmen – die Kreislaufwirtschaft – den Fondsmanagern viel „Spielraum“ lässt. Da viele Circular Economy-Fonds noch keine drei Jahre am Markt sind, fehlt es Anlegern noch an einer ausreichenden Auswahl (siehe unser Fondsranking oben). So überzeugt bislang auf mittlere Sicht performanceseitig nur der ETF von BNP Paribas.