In den vergangenen zwei Wochen tagten die Währungshüter der großen Zentralbanken der Industrieländer. Was erwarten die Märkte für die Zinssätze im weiteren Verlauf des Jahres – und liegen die Marktteilnehmer richtig? Steven Bell, Chefvolkswirt EMEA bei Columbia Threadneedle Investments, liefert eine Analyse.
In den USA hat Präsident Donald Trump mit einer Reihe politischer Ankündigungen für Aufregung gesorgt, aber die makroökonomischen Aussichten erscheinen vorerst einigermaßen stabil. Das Wachstum ist robust und bewegt sich im Goldlöckchen-Tempo. Es reicht also aus, um die Wirtschaft vor einer Rezession zu bewahren, ist aber nicht so stark, dass es auch die Inflation in die Höhe treibt – und letztere dürfte sich tatsächlich allmählich verbessern. Gestern wurde der Verbraucherpreisindex veröffentlicht und zeigte, dass die Teuerungsrate auf drei Prozent gestiegen ist. Langfristig dürfte sie sich jedoch auf das Zwei-Prozent-Ziel zubewegen. Denn: Sowohl die Miet- als auch die Lohninflation verlangsamen sich – und sie sind die stärksten Triebkräfte jenseits der monatlichen Schwankungen.
Zwar zeigen die aktuellen Zahlen einen Anstieg des durchschnittlichen Stundenlohns, doch diese sind durch den Kompositionseffekt verzerrt – in diesem Fall eine kürzere Arbeitswoche aufgrund der Brände in Los Angeles und schlechten Wetters andernorts. Das erhöht den errechneten Durchschnitt pro Stunde. Auch die Zölle geben zurzeit keinen Grund zur Sorge. Selbst, wenn Trump die umfassendsten Zölle verhängt, gelten diese nur für bestimmte Importe. Diese machen nur einen kleinen Anteil des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der USA aus und sind an den Verbraucherausgaben gemessen sogar noch geringer. Der Markt erwartet, dass die US-Notenbank die Zinsen bis zum Jahresende nur um 38 Basispunkte senken wird. Wir gehen dagegen von 100 Basispunkten aus. Und selbst damit würden die Zinsen immer noch über dem neutralen Niveau liegen.
JAPAN GEGEN DEN TREND
Für die wirtschaftliche Lage in Europa scheint der Markt mit weniger Überraschungen zu rechnen und geht geschlossen davon aus, dass die Europäische Zentralbank bei der nächsten Sitzung im März eine weitere Zinssenkung um 25 Basispunkte vornehmen wird. Die Konsenserwartungen für den Rest des Jahres sind Zinssenkungen von insgesamt 88 Basispunkten. Damit würde der Zinssatz auf nur noch 1,8 Prozent sinken. Während das zweifelsohne möglich ist, scheinen diese Erwartungen dennoch etwas übertrieben.
Auch im Vereinigten Königreich senkte die Bank of England letzte Woche die Zinssätze um 25 Basispunkte. Die Bank of Japan hat dagegen auf ihrer jüngsten Sitzung den Leitzins erhöht und stellt weitere Schritte in Aussicht, um die Deflation der letzten Jahrzehnte zu überwinden.
Was können Anleger also von den Märkten erwarten? Mit Ausnahme von Japan sinken überall die Zinssätze, was Risikoanlagen zugutekommt. Jedoch ist die Unsicherheit hoch und Trumps Zölle verursachen ernsthaften Schaden. Was die Vermögensallokation anbelangt, glauben wir daher nicht, dass momentan der richtige Zeitpunkt für größere Investitionen ist. Wir sind in Aktien leicht übergewichtet und in anderen Bereichen neutral.