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Wenig Bewegung und geringe Auswahl bei „grünen“ Beteiligungen

Printausgabe | Januar 2025
Nachhaltige Kapitalanlagen haben derzeit Gegenwind. Das gilt auch für die Beteiligungsbranche. Aber es gibt Segmente, in denen sich etwas tut. Professionell aufgesetzte Nachhaltigkeitsprojekte können mit einem vergleichsweise großen Impact punkten.
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Beamen wir uns gedanklich ins Jahr 2050. Dann soll die EU klimaneutral sein. Deutschland will es sogar schon bis 2045 schaffen. Häuser sollen bis dahin aus recycelten Materialien, nachwachsenden Rohstoffen und CO2 speicherndem Beton gebaut sein. Energie brauchen die Gebäude nur noch wenig. Stadtviertel nutzen für Heizung und Klimatisierung Fernwärme oder setzen auf regionale Wärmespeicher auf Wasserbasis. Erzeugt wird die Wärme klimafreundlich aus Wasserstoff, Restbiomasse, durch Biogasanlagen, Geo- oder Solarthermie. Für diese Zukunftsvision des Thinktanks „Kopernikus Projekte“ bräuchte es aber einen radikalen Transformationsprozess des Energie- und Bausektors, die beide derzeit noch die Haupttreiber der Emissionen sind. „Unser KfW-Research geht von rund fünf Billionen Euro bis 2045 alleine zur Erreichung der Klimaziele aus“, sagt Stefan Wintels, Vorstandsvorsitzender der Kreditanstalt für Wiederaufbau.

Weltweit schaut die Sachlage noch unerfreulicher aus. Der Halbzeit-Report „Sustainable Development Solutions Network“ und der Fortschrittsbericht der Vereinten Nationen offenbaren massive Defizite: 134 Staaten werden bis zum Ende der Laufzeit der 17 Sustainable Development Goals (SDG) im Jahr 2030 die gesetzten Ziele nicht erreichen. Und nur zehn Prozent der Staaten der Welt sind auf einem positiven Zielerreichungspfad, die Hälfte der weltweiten Staatengemeinschaft befindet sich „off track“, also abseits dieser Pfade. Parallel dazu weisen die Statistiken der Rückversicherer global steigende Schäden aufgrund von Überschwemmungen, Stürmen und Hitze auf, die auf den Klimawandel zurückgeführt werden können. Allein 2022 beliefen sich die Schäden auf 270 Milliarden US-Dollar, so die Erhebungen von Munich Re. 55 Prozent der Schadensumme waren nicht versichert (siehe Schaubild).

Der enorme globale Kapitalbedarf kann nicht allein von Staaten gestemmt werden. Privates Kapital wird dringend benötigt, sollen die Klimaziele erreicht werden. Doch die Investoren geben sich noch zurückhaltend. Zwei Hauptgründe dafür werden immer wieder genannt: Zum einen der Regulierungsdschungel, zum anderen die Finanzarchitektur. Stefan Brunnhuber, Soziologe, Nachhaltigkeitsforscher und Mitglied des Club of Rome, stellt daher in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ eine grundsätzliche Frage in den Raum: Könnte es sein, dass der wichtigste Faktor dafür, dass Nachhaltigkeit gelingt oder scheitert, die Architektur des Geld- und Finanzsystems ist? Was er damit meint: Für institutionelle Investoren ist es nicht entscheidend, ob sie einen Baum pflanzen oder ein Loch graben. Sie müssen vor allem die Pensionsansprüche für Millionen von Babyboomern sichern. Das bedeutet, dass sich grüne Investments rechnen und die benötigte Rendite erwirtschaften müssen. Bei Privatanlegern verhält es sich ähnlich.

Prof. Dr. Henry Schäfer forscht ebenfalls seit vielen Jahren zum Thema Nachhaltigkeit und Finanzmärkte und sieht die Schwachstellen in der Regulierung. Der zeitliche, organisatorische und kostenmäßige Aufwand für die umfangreichen Berichtspflichten der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) zögen sich entlang der ganzen Wertschöpfungskette. Es sei auch ungewiss, wie die Kunden reagieren. So hege beispielsweise nach wie vor eine sehr große Zahl von Privatanlegern keine Sympathie für Nachhaltigkeitsfonds. Damit trifft Schäfer den Kern des Problems. Zwar werden ESG-Fonds als „nachhaltige“ und „saubere“ Form der Geldanlage gehalten und als Wachstumsmarkt beworben, doch die Realität sieht nicht immer so rosig aus.

Bei Privatanlegern war nach einer repräsentativen Verivox-Umfrage das Interesse an nachhaltigen ESG-Investments vor zwei Jahren noch wesentlich höher. 2022 gaben 79 Prozent der Befragten an, sich für nachhaltige Geldanlagen zu interessieren. Aktuell ziehen nur noch 69 Prozent der Befragten nachhaltige Finanzprodukte in Betracht – ein Rückgang um zehn Prozentpunkte im Vergleich zu 2022. Auch die Zahl der aktiven Investoren ging um drei Prozentpunkte auf 21 Prozent zurück. Eine Umfrage unter Asset-Managern und institutionellen Investoren durch die Real Blue Kapitalverwaltungs-GmbH ergab, dass 81 Prozent der Befragten Investmentchancen im Bereich Value-Add/Manage-to-Green sehen. Dagegen haben derzeit Impact-Investments und Artikel 9-Fonds nur für 35 Prozent eine wichtige oder sehr wichtige Bedeutung in deren Anlagestrategie. Blickt man auf die Asset-Klassen, so steht Wohnen bei 86 Prozent der Befragten auf der Wunschliste, gefolgt von Data Center mit 67 Prozent, Infrastruktur mit 59 Prozent und Erneuerbare Energien sowie Logistik/Light Industrial mit je 46 Prozent. Erstaunlich dabei: Obwohl in den Bereichen Data Center, Erneuerbare Energien sowie Infrastruktur die Bodenbildung beim Pricing erreicht scheint, planen in diesen Segmenten nur jeweils 19 Prozent Ankäufe zu tätigen.

Die Artikel 8- und Artikel 9-Fonds sind zumindest bei den Publikums-AIF noch nicht im Mainstream angekommen. Knappe Umsetzungsfristen für die zahlreichen Direktiven und Verordnungen belasten die Ressourcen bei Anbietern, Banken und Investoren. Blickt man auf die Zahlen, so ermittelte das Analysehaus Scope für 2023 fünf Fonds, die nach Artikel 8 der EU-Offenlegungsverordnung klassifiziert sind und ein Produkt gemäß Artikel 9. Das prospektierte Eigenkapital dieser sechs Fonds betrug 187 Mio. Euro. Dies entspricht einem Anteil von rund einem Viertel des 2023 insgesamt prospektierten Eigenkapitals. Im laufenden Jahr 2024 wurden per Ende Oktober mit dem MIG GmbH & Co. Fonds 18 (Private Equity), ÖKORENTA Erneuerbare Energien 15 geschlossene Investment GmbH & Co. KG (Erneuerbare Energien), VC Value Add Plus GmbH & Co. geschlossene Investment KG (Immobilien) und der TSO Active Property IV (Immobilien) vier Artikel-8-AIFs aufgelegt. Artikel 9-Fonds fehlten komplett. Auch in diesem Jahr summiert sich die Summe des prospektierten Eigenkapitals der vier Artikel 8-Fonds auf rund 25 Prozent des insgesamt prospektierten Eigenkapitals des Neuangebots. Mit dem Pangaea Life Institutional Co-Invest US Residential GmbH & Co. KG will zudem Pangaea Life Capital Partners einen Publikums-AIF als Artikel 8-Fonds und LEED-zertifiziert auf den Markt bringen. Anders als erwartet hat aber die Bundesanstalt für Finanzaufsicht bis Redaktionsschluss noch kein grünes Licht gegeben. Im Fokus des AIF liegt die Beteiligung als Co-Investor in neu zu errichtende Wohn-immobilien im „Sunbelt“ der USA. Mit Blick auf die kommenden Jahre prognostiziert Scope, dass das aktuelle Angebot erst einmal von den Anlegern absorbiert werden muss.

„Es gibt bereits einige Fonds, die ihre ESG-Kriterien sehr konkret formulieren, dies in ihre Cashflow-Planung einbeziehen und auf deren strenge Einhaltung achten. Der Markt bietet aber auch Angebote, die dabei eher rudimentär vorgehen und ökologische sowie soziale Merkmale nur allgemein gehalten definieren, was eine große Bandbreite in der Realisierung bietet“, spannt Christian Kapfinger von der IfBA Institut für Beteiligungsanalyse GmbH den Bogen über die Beteiligungsbranche. Deshalb sei ein kritischer Blick wichtig. Was Risiken und Rendite angeht, rät der Fondsexperte bei nachhaltigen Fonds zur gleichen Vorsicht wie bei klassischen Investmentfonds. Grüne Investitionen von Aktienfonds seien teilweise auch zu hinterfragen, da schwer nachzuprüfen sei, wie nachhaltig die Portfoliounternehmen tatsächlich agieren. Bei Sachwertinvestitionen dagegen könne der Nachhaltigkeitscharakter durch den Bau von Photovoltaikanlagen aber auch durch gezielte Revitalisierung von Bestandsgebäuden effektiv umsetzt und auch überprüft werden.