FONDS exklusiv: Anleger schauen derzeit gespannt, wie sich die Wirtschaft und die Leitzinsen in den USA weiter entwickeln. Was denken Sie: Haben wir den Zinsgipfel erreicht?
Andrew Acheson: Derzeit ist davon auszugehen, dass die US-Notenbank Fed eine längere Zinspause einlegt. Der Grund leitet sich aus der Vergangenheit ab: Die ökonomischen Auswirkungen des rasanten Zinsanstiegs seit März 2022 stellen sich erst nach zwölf bis 18 Monaten komplett ein. Die Zinsänderungen dürften sich daher jetzt erst auf die Wirtschaft auswirken. Zwar läuft die US-Wirtschaft angesichts einer soliden Beschäftigungssituation, gesunden Einzelhandelsumsätzen und einer gesunkenen Inflationsrate weiterhin gut. Es besteht jedoch das Risiko, dass sich die Inflation nun angesichts massiver Lohnsteigerungen als hartnäckiger erweisen könnte.
Inwiefern, Herr Acheson?
A. A.: Schauen Sie beispielsweise auf die amerikanischen Airlines. Dort wurden Gehaltssteigerungen von rund 40 Prozent über die nächsten vier Jahre vereinbart. In eine ähnliche Richtung gehen die Forderungen der US-Autogewerkschaft UAW, die die größten drei Autohersteller repräsentiert. Dort laufen gerade die Verhandlungen. Sollten sich die Lohnsteigerungen weiter in diese Richtung bewegen, könnte dies die Fed dazu veranlassen, die Zinsen weiter anzuheben, um ein Wiederaufleben der Inflation in den nächsten Jahren zu verhindern.
Womit rechnen Sie?
A. A.: Ich gehe davon aus, dass die US-Notenbank die Leitzinsen länger auf dem hohen Niveau belässt, als es viele Marktteilnehmer erwarten. Ausgenommen, wir erleben eine Krise geopolitischer Natur oder eine Bankenkrise, die sich auf die Wirtschaft auswirken und Zinssenkungen auslösen könnte. Ansonsten sind die Inflationsrisiken aber noch zu groß, als dass wir bereits Zinssenkungen erleben werden, obwohl viele Marktteilnehmer gegen Ende dieses Jahres genau davon ausgehen. Aus meiner Sicht werden wir erst irgendwann im Jahr 2024 das Ende des Zinszyklus sehen. Viele Umfragen deuten darauf hin, dass sich das Wirtschaftswachstum bis zum Jahresende und ins nächste Jahr hinein verlangsamen wird. Diese Einschätzung teile ich und denke, dass dieser Abkühlungsprozess recht zügig verlaufen wird.
Welche Konsequenzen hätte ein Abbremsen der US-Wirtschaft für die Aktienmärkte?
A. A.: Aktuell gehen die Börsianer von einem „Soft Landing“-Szenario aus, also dass eine Rezession trotz der erhöhten Leitzinsen vermieden werden kann. Die Aktienmärkte haben also eine Rezession nicht eingepreist und dürften entsprechend negativ auf einen weiteren Rückgang der Gewinne und/oder eine Rezession reagieren. Angesichts der geschilderten Erwartungen beurteilen wir die Renditechancen der nächsten sechs bis neun Monate daher sehr zurückhaltend.
Wie bilden Sie Ihre Markterwartungen im Management des Amundi Funds Pioneer US Equity Fundamental Growth ab?
A. A.: Wir sind defensiv ausgerichtet und bevorzugen in einer zusehends langsamer wachsenden Wirtschaft nicht-zyklische Titel, weil sich diese Aktien in einem solchen Szenario als robuster erweisen. Unser Augenmerk liegt generell auf hochprofitablen Großunternehmen und Konzernen, die Cash generieren und äußerst starke Bilanzen aufweisen. Denn nur finanzstarke Unternehmen sind in der Lage, kräftigen konjunkturellen Gegenwind weitgehend unbeschadet auszuhalten. Das ist ein Grund, warum wir kleine und mittlere Technologieunternehmen meiden. Zudem sind viele dieser Aktien vergleichsweise teuer.
In welchen Branchen sehen Sie noch erhöhte Risiken?
A. A.: Wir neigen nicht dazu, uns auf breite Sektoren zu konzentrieren, da diese typischerweise viele verschiedene Geschäftsmodelle enthalten. Wir bevorzugen derzeit sowohl Stabilität bei den Erträgen und dem Cashflow als auch antizyklische Geschäftsmodelle. Am Beispiel von Einzelhandelsaktien wird deutlich, warum das wichtig ist. Wenn die Wirtschaft schwächelt, konsumieren Menschen weniger und gehen seltener essen. Für viele Konsumtitel gehen hiermit stark sinkende Verkäufe einher, sodass die Einnahmebasis erodiert. Entgegengesetzt können sich zum Beispiel Billigläden und Anbieter von Autozubehörteilen über eine verstärkte Nachfrage freuen. Denn mit steigendem Kostenbewusstsein neigen die Menschen dazu, weniger neue Autos zu kaufen und länger beim alten zu bleiben, was den Verkauf von Ersatzteilen ankurbelt. Bezogen auf das Fondsportfolio bedeutet dies: In Antizyklikern wie diesen sind wir gegenüber unserer Benchmark übergewichtet. Hingegen sind in wir in Technologieaktien untergewichtet, da viele Bewertungen überzogen erscheinen.
Warum sind Sie bei den Tech-Unternehmen zurückhaltend?
A. A.: Die größten fünf Technologieunternehmen erreichen in unserer Benchmark, dem Russel 1000 Growth, einen Anteil von insgesamt rund 41 Prozent. Solche Größenordnungen sind aus unserer Sicht nicht mit dem Ziel einer Portfoliodiversifizierung vereinbar. Schon deshalb gehen wir differenzierter vor. Wir schätzen zwar die Geschäftsmodelle, aber die Aktienbewertungen sind relativ teuer. Vor dem Hintergrund unserer Konjunktur- und Markterwartungen gehen wir davon aus, dass sich Big Tech in den nächsten zwölf Monaten wahrscheinlich schlechter entwickeln wird. Den hiermit einhergehenden Kursrisiken tragen wir Rechnung, nachdem wir in einigen der Titel über zehn bis 15 Jahre übergewichtet waren. Im Gegenzug suchen wir andere Unternehmen, in die wir im Vergleich zur Benchmark stärker investieren. Beides zusammen sollte uns realistische Chancen eröffnen, mittel- bis langfristig eine Outperformance zu erzielen.
In welchen Sektoren gehen Sie derzeit besonders auf die Suche?
A. A.: Der Bereich Healthcare bietet viel Potenzial, konkret z. B. Life- Sciences-Unternehmen, Hersteller von Medizinprodukten und Anbieter von robotergestützter Chirurgie. Das Gesundheitswesen ist zwar ein vergleichsweise defensiver Sektor, dafür aber konjunkturunabhängig. Wenn Menschen krank sind, müssen sie zum Arzt oder ins Krankenhaus. Da spielt es keine Rolle, wie die Wirtschaft läuft. Von Biotechnologie-Titeln nehmen wir hingegen angesichts der hohen Volatilität eher Abstand.
Wo erkennen Sie noch aussichtsreiche Perspektiven?
A. A.: In den letzten Monaten haben wir unser Engagement im Bereich Basiskonsumgüter, angefangen bei Erfrischungsgetränken über Snacks bis hin zu Zahnpasta, ausgeweitet. Vielen Unternehmen dieses Sektors ist es während der Covid-Krise und danach gelungen, ihre Preise in einem inflationären Umfeld anzuheben. Die Absatzmengen gingen zwar zurück. Aber der Inflationsdruck wird in Zukunft geringer ausfallen. Bei Unternehmen, denen es gelingt, ihre Preisniveaus zu halten, rechne ich daher mit einer kräftigen Ausweitung der Gewinnmargen. Auch dies spiegelt unsere Reaktion auf eine veränderte konjunkturelle Lage wider. Diese Unternehmen sollten trotz ihrer geringen Wachstumsaussichten in einem schwierigen Umfeld weiterhin sehr profitabel sein.