Seit Beginn der Pandemie 2020 waren die Märkte unruhig, und die jüngsten Bankenturbulenzen in den USA und der Schweiz machten es nicht besser, erklärt Pilar Gomez-Bravo, Co-CIO Fixed Income bei MFS Investment Management, in ihrem Marktkommentar. Banken sind wichtig für das Wirtschaftswachstum, und die Finanzbedingungen hängen entscheidend vom Zustand des Bankensektors und dem Kreditmengenwachstum ab. Nicht nur Notenbanken schöpfen Geld, Geschäftsbanken tun es auch. Die Kreditbedingungen sind sehr viel straffer geworden. Das führt zwangsläufig zu höheren Ausfallquoten, wenn auch mit Verzögerung.
Aber wie lange wird es dauern, bis die Wirtschaft reagiert? Zwei Dinge sind wichtig: Erstens ist der Private-Credit-Markt stark gewachsen und kann einspringen, wenn die Banken nicht mehr so viele Kredite vergeben. Zweitens sind die High-Yield-Emittenten heute meist recht stabil, weil sie sich 2021 in großem Umfang refinanziert haben. Sie können jetzt erst einmal durchatmen, bis Ende 2024 und 2025 viele Anleihen fällig werden.
Dennoch könnten die Ausfallquoten in Europa und in den USA auf mittlere bis hohe einstellige Werte steigen, wenn die Kreditbedingungen noch straffer werden. Viel hängt von der Konjunktur ab; vor allem von der Inflation, aber auch von der Beschäftigung. Sie ist trotz allem noch sehr stabil. In den USA wie in Europa haben die Banken immer weniger Kredite vergeben, nicht zuletzt wegen der fallenden Nachfrage. Dann kam die amerikanische Regionalbankenkrise hinzu. Eine Analyse der Einlagen bei kleinen und großen US-Banken zeigt Folgendes:
Weil Einlagen eine sehr kurze Duration haben und dank neuer Kommunikationsmittel schnell abgezogen werden können, bekamen vor allem kleine Institute Liquiditätsprobleme. Aber auch größere Banken mussten Abflüsse hinnehmen. Oft schichteten die Kunden das Geld in höher verzinsliche Geldmarktfonds um, was anhalten dürfte. Tatsache ist aber auch, dass die großen US-Banken keine übermäßig hohen Einlagen wollen. Sie können und wollen nur begrenzt Kredite vergeben, prüfen Anträge sorgfältig und wünschen hier kein übermäßiges Wachstum. Auch deshalb zahlen sie so niedrige Einlagenzinsen.
Die Eingriffe der Behörden haben den amerikanischen Bankensektor aber schließlich stabilisiert. Die Abflüsse ließen nach, und die Banken berichten über eine Normalisierung der Lage.
WIE REAGIEREN DIE MÄRKTE
Viel wurde darüber diskutiert, wie sehr die Banken ihre Kreditvergabe einschränken und ob die Fed die Zinsen nicht mehr oder nicht mehr so stark erhöht bzw. sie früher als bislang erwartet wieder senkt.
Zudem sind die meisten Unternehmens- und Industrieanleihen auf Dreijahressicht nicht besonders günstig bewertet. Die Spreads von AT1-Anleihen sind wegen der Bankenturbulenzen aber kräftig gestiegen. Titel mit einem niedrigeren Rang in der Kapitalstruktur – AT1-Anleihen werden als Letztes bedient – haben nach den Problemen bei der Silicon Valley Bank, der Signature Bank, anderen Regionalbanken und der Crédit Suisse kräftig nachgegeben. In Krisenzeiten nehmen die Korrelationen zwischen Bankanleihen zu, und der März 2023 war keine Ausnahme. Es kam zu einem weltweiten Ausverkauf.
Betroffen waren auch Hypothekenanleihen, deren Spreads trotz der Erholung des Unternehmensanleihenmarktes noch immer sehr weit sind. Viele Regionalbanken haben hohe Kredite an Immobilienfirmen vergeben. Zweifel an der Fähigkeit dieser Banken, sie weiter zu finanzieren (und der erzwungene Verkauf der Kreditportfolios der gescheiterten Institute), ließen die Spreads strukturierter Produkte wie CRE-CLOs, CMBS und selbst MBS steigen.
WARTEN AUF DIE ZINSWENDE
Was aber bedeutet all dies für Inflation, Wachstum, Geldpolitik und Anleihenrenditen? Ist die Wirtschaft jetzt weniger stabil, sodass die Rezession früher kommt als bislang erwartet? In den USA, aber auch in anderen Ländern, etwa in Großbritannien, ist die Kernteuerung recht hartnäckig. Die amerikanische Kerninflation ist zwar zurückgegangen, aber nur sehr leicht. Bevor wir wissen, ob die Fed ihre Geldpolitik ändert und mit Zinssenkungen beginnt, müssen wir die Entwicklung der Daten abwarten.
Bei einem früheren und tieferen Abschwung werden die Zinsen wohl schon eher gesenkt. Wegen der Hartnäckigkeit der amerikanischen Kernrate wird es aber wohl nur bei einer Rezession zu einer Zinswende kommen. Frühindikatoren wie die Einkaufsmanagerindizes (PMIs) haben sich wegen des schwachen Verarbeitenden Gewerbes zwar verschlechtert, doch ist die Dienstleistungskonjunktur noch immer überraschend stark. Vor allem sie hat für Wachstum und Inflation gesorgt, insbesondere in den USA. Sie stützt aber auch im Euroraum die Konjunktur, und nach dem Neustart der Wirtschaft auch in China. Der Dienstleistungssektor hat unsere Erwartungen übertroffen, wird aber im Laufe des Jahres wohl nachlassen. Wegen der verzögerten Wirkungen der strafferen Geldpolitik halten wir eine Rezession in den USA dennoch für den wahrscheinlichsten Fall. Weil sich die Notenbanken aber noch immer an den Konjunkturdaten orientieren, werden Fehlentscheidungen wahrscheinlicher.
Man sollte nicht vergessen, dass in den USA viele kleine und mittelgroße Unternehmen, das Rückgrat der Wirtschaft, Kunden von Regionalbanken sind. Wenn sie weniger Kredite vergeben, schwächt das die Dienstleistungskonjunktur. Auch die Beschäftigung könnte dann zurückgehen.
FOLGEN FÜR ANLEGER
Unser Basisszenario ist eine Rezession in den USA, wenn nicht weltweit. Interessant wird aber sein, wie sich Europa und China in den nächsten Monaten entwickeln. Da die Inflation in den USA nicht weiter steigt und die Kernrate sogar etwas nachlässt, droht aber anders als letztes Jahr kein Taper Tantrum mehr. Für die nächsten sechs bis zwölf Monate halten wir entweder ein Goldilocks-Szenario oder eine nachlassende Risikobereitschaft für wahrscheinlich. Für eine längere Duration spräche beides.
Für unsere sektorübergreifenden internationalen Anleihenstrategien halten wir Ausschau nach passenden Anlagemöglichkeiten, denn Duration ist nicht gleich Duration. Zunächst einmal wollen wir unsere US-Position neutralisieren – mit interessanten Titeln aus zinssensitiven Ländern wie Kanada und Schweden, aber auch mit ausgewählten Lokalwährungsanleihen, etwa aus Mexiko. Manche lateinamerikanische Lokalwährungstitel sind attraktiv, weil die Notenbanken der Emittentenländer die Zinsen frühzeitig erhöht haben und viel schon in den Kursen berücksichtigt ist.